Kennzeichenabgleich:Gegen die ausufernde Infrastruktur der Überwachung

Stadtverkehr

Abendlicher Berufsverkehr am Kaiserdamm in Berlin. Zur Überwachung von Dieselfahrverboten planen einige Bundesländer automatisierte Kennzeichenkontrollen.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Das Bundesverfassungsgericht tritt beim Autokennzeichen-Abgleich auf die Bremse - und damit auch dort, wo Überwachungstechnologie und Polizeibefugnisse immer weiter um sich greifen.

Kommentar von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Das Bundesverfassungsgericht beanstandet die Befugnisse einiger Länder bei der automatisierten Kfz-Kennzeichenkontrolle. Auf den ersten Blick folgt dies einem bekannten Schema: Immer wieder hat Karlsruhe Sicherheitsgesetze auf das Maß des Grundgesetzes zurückgestutzt, und ein ums andere Mal haben die Gesetzgeber die Grenzen aufs Neue ausgetestet - und oft genug überschritten. So ist es nun mit dem Autonummern-Scan in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. Und so wird es irgendwann den neuen Polizeigesetzen ergehen, die nun in vielen Bundesländern verschärft werden.

Der verfassungsrechtliche Mehrwert der Beschlüsse ist aber sehr viel größer. Das Gericht erteilt damit allen Versuchen eine Absage, mithilfe einer ständig verfeinerten Technologie eine ausufernde Infrastruktur der Überwachung zu installieren. Ja, es bleibt erlaubt, Kennzeichen automatisiert auszulesen und mit Datenbanken abzugleichen - aber nur zu festgelegten Zwecken.

Wer das elektronische Auge am Straßenrand aktivieren will, der muss dazu einen konkreten Anlass haben, die Abwehr einer Gefahr etwa. Das können auch die üblichen Randerscheinungen eines Lokalderbys in der Bundesliga sein. Und wahrscheinlich sind damit auch Kontrollen von Diesel-Fahrverboten möglich. Die Hürde liegt nicht allzu hoch, weil die Autonummer nun mal keine besonders intime Information darstellt. Entscheidend ist aber: Das automatisierte Rastern aller Autofahrer an willkürlich gewählten Orten zu beliebigen Zeiten ist unzulässig.

Das Verfassungsgericht korrigiert damit einen eigenen Fehler aus dem Jahr 2008, als es die Kennzeichenkontrolle als nicht einmal grundrechtsrelevant eingestuft hatte, sofern die Nichttreffer sofort gelöscht werden. Nun tritt es also auf die Bremse, und zwar dort, wo Überwachungstechnologie, aber auch Polizeibefugnisse immer weiter um sich greifen. Denn es geht ja nicht nur um Autonummern; von der Gesichtserkennung bis zu RFID-Chips potenzieren sich derzeit die Möglichkeiten, mit dem elektronischen Raster nach der Nadel im Heuhaufen zu suchen.

Gewiss, das tut nicht weh, wenn ein Bild mal kurz durch den Arbeitsspeicher gejagt und dann sofort wieder gelöscht wird. Aber wenn die Menschen überall und zu jeder Zeit gefilmt, gescannt und gerastert werden, dann stellt sich ein Gefühl des Überwachtwerdens ein, das Freiheit und Individualität nicht gedeihen lässt. Es war höchste Zeit, dass das Bundesverfassungsgericht einschreitet.

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