Wo verläuft das Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit? Wie sieht moderner Umweltschutz aus? Für wie gerecht halten die Abgeordneten der Parteien Hartz IV? Und was muss Deutschland noch in Sachen Frauenförderung tun? Im ersten Teil der Auswertung des Wahl-Thesentest der SZ geht es um das Feld der Innen- und Gesellschaftspolitik.
Fast 600 Abgeordnete aus Bund und Ländern haben beim Wahl-Thesentest von Süddeutsche.de mitgemacht. Sie hatten wie Sie die Möglichkeit, zu den von uns formulierten Thesen auf einer Skala von 0 ("Ich stimme absolut nicht zu") bis 100 ("Ich stimme absolut zu") Stellung zu beziehen. Die Zwischenstufen "Ich stimme eher nicht zu", "Ich bin unentschieden" und "Ich stimme eher zu" wurden zur Berechnung durch die Werte 25, 50 und 75 ersetzt. Anschließend berechneten wir für jede Partei den Durchschnitt, das arithmetische Mittel. Je höher dieser Mittelwert, desto größer die Zustimmung der Abgeordneten einer Partei zu einer bestimmten These. Hier die Ergebnisse zu den persönlichen Fragen.
Innere Sicherheit: Alle gegen die Union
"Multiples Behörden-Versagen, ein historisch beispielloses Desaster", sagte der SPD-Politiker Sebastian Edathy, als er den Bericht des Untersuchungsausschusses zum NSU-Terror vorstellte. Ein Bericht, der von allen Parteien im Bundestag mitgetragen wird. Wie steht es vor diesem Hintergrund um das Vertrauen in den Verfassungsschutz? Die Unions-Politiker stehen ihm weiter positiv gegenüber. Die Aussage "Deutschland braucht einen völlig neuen Verfassungsschutz" kommt bei ihnen nur auf einen Zustimmungswert von durchschnittlich 21 (CSU) beziehungsweise 24 (CDU). Bei Grünen (89), und SPD (76) ist eine deutlich höhere Skepsis gegenüber dem Inlandsgeheimdienst feststellbar, die FDP liegt bei 44 Punkten. Der überraschend niedrige Durchschnittswert der Linken (67) kann so erklärt werden: Einige Abgeordnete der Partei sind für eine Abschaffung des Verfassungsschutzes - ablesbar an den Kommentaren - und lehnten die These deshalb ab.
Bei den Statements zur Verbrechensaufklärung heben sich Parlamentarier von CDU und CSU ebenfalls deutlich von den restlichen Befragten ab und zeigen sich am ehesten bereit, den Ermittlungsbehörden mehr Kompetenzen einzuräumen. Mit Mittelwerten von 75 oder mehr sind sie DNA-Massentests gegenüber wesentlich aufgeschlossener als andere, die SPD erreicht immerhin 61 Punkte. Einige ihrer Abgeordneten betonen die Zustimmung zum gesetzlichen Status Quo, wonach eine derartige Untersuchung richterlich angeordnet werden muss und nur auf freiwilliger Basis erfolgen darf. Ähnliche Ergebnisse lieferte die Aussage, dass die Polizei leichter auf digitale Verbindungsdaten zugreifen können müsse - das also, was die umstrittene Vorratsdatenspeicherung ermöglichen sollte. Hier zeigt sich eine noch größere Kluft zwischen Union (75 Punkte) und anderen Parteien. Den niedrigsten Wert erreichen die Piraten (1), doch auch Grüne, Linke und die FDP halten mit Werten um die 20 Punkte eher wenig von einer Ausweitung der Polizeibefugnisse. Die SPD (37) ist ebenfalls skeptisch.
Umweltthemen: Linke und Grüne profilieren sich
Die Energiewende ist nach dem Atomunglück von Fukushima zwar beschlossene Sache, doch Deutschland produziert noch Strom in Atomkraftwerken und damit auch Atommüll. Sollte dieser ins Ausland exportiert werden dürfen? Die meisten Abgeordneten von Grünen, Linken und SPD sind strikt dagegen. Ihr mittlerer Zustimmungswert liegt bei acht, neun beziehungsweise 15 Punkten. Das bürgerliche Lager pendelt sich bei Werten zwischen 48 (CDU) und 58 (FDP) ein. Piraten und Freie Wähler positionieren sich tendenziell ablehnend.
Neben dem Tempolimit (siehe gesonderten Punkt) ist auch der Benzinverbrauch ein Kernthema beim Umweltschutz, bei dem die Europäische Union zunehmend Druck macht. Deshalb konfrontierten wir die Abgeordneten mit der Aussage: "Beim Autokauf sollte niedriger Spritverbrauch das entscheidende Kriterium sein." Von den Befragten der Grünen erhielten wir mit 88 Punkten den höchsten Zustimmungswert. Knapp dahinter rangieren Linke (83), Piraten (80) und schließlich die SPD (78). Die Unionsparteien kommen auf etwa 60 und liegen damit noch im Bereich der leichten Zustimmung. Die FDP landet durchschnittlich bei 43. Viele Abgeordnete nannten zudem Sicherheit als entscheidendes Kaufkriterium.
Wesentlich undurchsichtiger sind die Ergebnisse beim Statement "Die Energiewende darf zu höheren Strompreisen führen". Am ehesten können sich damit Grüne und Piraten anfreunden - ihre Abgeordneten erreichen einen durchschnittlichen Wert von jeweils 68. Im Mittelfeld liegen fast gleichauf die Volksparteien CDU, CSU und SPD (etwa 50). FDP und Linkspartei erreichen hier mit 30 Punkten ausnahmsweise einen nahezu identischen Wert. Die Ergebnisse für diese Frage sind allerdings mit Vorsicht zu genießen. Die Kommentare der Abgeordneten zeigen, wie heftig umstritten die Umsetzung der Energiewende ist. Außerdem fällt es den Politikern schwer, die tatsächlichen Kosten der Energiewende einzuschätzen und vorherzusagen, wie sich die Strompreise kurz- und langfristig entwickeln werden. Der Themenblock zeigt, dass sich Linkspartei und die Grünen über die Umweltthemen und den Kampf gegen die Atomenergie und ihre Folgen profilieren. Die SPD verhält sich etwas zurückhaltender. Beim sozial brisanten Thema Strompreise bewegt sie sich auf einem Niveau mit der Union.
Tempolimit: Extreme Abweichungen zwischen den Parteien
Tempolimit: Für Grüne und Linke wäre es ein wichtiger Beitrag zum Umweltschutz und die Verkehrssicherheit, für die bürgerlichen Parteien ein unberechtigter Eingriff in die Selbstbestimmung: eine generelle Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen (wie zum Beispiel in Österreich). Die Grünen erreichen im Schnitt einen Wert von 92. Deutlich im zustimmenden Bereich liegen auch noch die Linken (82). SPD und Piraten reihen sich mit 61 und 44 Punkten in der Mitte ein. Im bürgerlichen Lager erreicht die Ablehnung bei der FDP mit sieben ihr Maximum. Wenig begeistert von einem Tempolimit sind auch die Parlamentarier der CSU (9), CDU (13) und der Freien Wähler (20). Einige Abgeordnete der Union verweisen auf ohnehin sichere Autobahnen in Deutschland.
Frauenquote: Liberale Total-Ablehnung
Ohnehin ein Zankapfel zwischen den Parteien und jetzt auch Wahlkampfthema - die verpflichtende Frauenquote in großen Unternehmen. Auch hier zeigen die Abgeordneten von Grünen und Linken mit Mittelwerten von um die 90 die größte Zustimmung, die SPD folgt mit 86 auf dem dritten Platz. Im Mittelfeld liegen Piraten (58) und Freie Wähler (40). CSU und CDU liegen bei etwa 25 Punkten. Der FDP-Mittelwert von sieben zeigt die strikte Verweigerung der Liberalen gegenüber einer gesetzlichen Regelung.