Australischer Experte:"Wir drohen unsere Souveränität zu verlieren"

Clive Hamilton fordert Allianz der demo­kratischen Staaten gegen Gängelversuche Chinas.

Interview von Lea Deuber

SZ: In den vergangenen Tagen sind zwei angebliche Fälle chinesischer Einflussnahme in Australien bekannt geworden. China soll versucht haben, einen Spion ins australische Parlament einzuschleusen. Ein zweiter Mann will für die Kommunistische Partei im Land als Spion gearbeitet haben. Hat Sie das überrascht?

Clive Hamilton: Wir wissen seit langem, dass China eine große Zahl von Agenten und Spionen in Australien beschäftigt. Peking betreibt seit Jahrzehnten Programme, um seinen Einfluss im Land auszuweiten. Langfristig will Chinas Führung damit das demokratische System Australiens für seine Zwecke umbauen. Entscheidungsträger sollen im Interesse Pekings arbeiten, nicht mehr im Interesse Australiens. Wir drohen unsere Souveränität zu verlieren.

Was erhofft sich China davon?

Die Kommunistische Partei Chinas ist eine paranoide Organisation, die ständig Gefahren für ihren alleinigen Machtanspruch wittert. Die Regierung glaubt, dass es nicht reicht, die Kontrolle über die eigene Bevölkerung zu haben. Sie muss alle externen Gefahren neutralisieren. Dazu gehören auch ideologische Widerstände im Ausland. Im Fokus standen früher vor allem Dissidenten, pro-demokratische Aktivisten und Anhänger von Bewegungen wie Falun Gong. In den vergangenen Jahren hat China seine Bemühungen aber ausgeweitet. Die KP versucht inzwischen, die globale Debatte über China zu bestimmen. Im Westen soll Verständnis und Sympathie für das Regime geweckt werden.

Welche Rolle spielt dabei Australien?

China sieht in Australien einen wichtigen Verbündeten der USA. Peking versucht, diese Allianz zu schwächen. Dabei ist es längst nicht nur in Australien aktiv. Ähnliche Versuche unternimmt das Regime auch in Kanada, Neuseeland und Europa. Zu Gute kommt Peking der US-Präsident Donald Trump, der traditionelle Partner der USA vor den Kopf stößt. Das ist eine goldene Chance für Peking, das westliche Bündnis zu untergraben.

Wie geht die Kommunistische Partei dabei vor?

Zentral ist die so genannte United Front, eine große und aktive Abteilung der Partei. Traditionell fokussiert sich die Abteilung auf die chinesische Diaspora. Egal, wo chinesische Staatsbürger und Menschen mit chinesischen Migrationshintergrund im Ausland leben, ist sie aktiv. Die Organisation nutzt eine Mischung aus freundschaftlichen Mitteln und Drohungen, um die Menschen auf die Seite der KP zu ziehen. In Australien sind ihre Vertreter in politischen Kreisen, Wirtschaftsverbänden, Universitäten und den Medien aktiv. Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping nennt die Abteilung eine "Wunderwaffe" für den Kampf um Einfluss im Ausland.

Viele chinesische Studenten sind nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 in Australien geblieben und sind heute australische Staatsbürger. Nun unterstützen einige die Partei. Wie passt das zusammen?

Die chinesische Diaspora ist sehr vielfältig. Australier mit chinesischen Hintergrund, die vor 1990 dorthin kamen, haben in der Regel eine deutlich pro-demokratischere Haltung. Einwanderer, die in den Jahren danach kamen, sind in der Regel sehr viel offener der Kommunistischen Partei gegenüber. Viele haben Wirtschaftsinteressen in Festlandchina. Wenn sie sich politisch gegen die KP stellen, drohen ihnen wirtschaftliche Nachteile. In chinesischen sozialen Medien werden sie denunziert. Ihre Familien zu Hause geraten in Gefahr.

Welche Rolle spielt dabei der Patriotismus?

Viele chinesischstämmige Australier sind stolz auf die Erfolge Chinas und den Aufstieg ihrer Nation zu einer globalen Supermacht. Es fällt ihnen schwer, die Nation China von der Kommunistischen Partei zu trennen. Chinas Führung vermischt in ihrer Propaganda beides gezielt miteinander. So verteidigen einige Chinesen die Partei, egal wie empörend die Taten des Regimes sind. Es ist aber wichtig, beides voneinander zu treffen. Es geht bei der Kritik an den Einflussversuchen Chinas auch nicht um die Zuwanderung von Chinesen nach Australien. China stellt das so dar, um von der Kritik an seinem Handeln abzulenken.

Lässt sich Chinas Einflussnahme in Australien überhaupt noch stoppen?

Vor einem Jahr war ich noch optimistischer. Obwohl die Sorgen in Australien wachsen, wird auch deutlich, wie erfolgreich Chinas Bemühungen in den vergangenen 20 Jahren waren. Die jüngsten Auseinandersetzungen an den Unis sind ein Beispiel. In den vergangenen Monaten gab es immer wieder Angriffe auf Studenten, die für die pro-demokratische Bewegung in Hongkong demonstrierten. Ausgeführt wurden die Attacken von Studenten aus Festlandchina. Die Universitäten haben abseits von ein paar frommen Worten nichts unternommen. Sie sind finanziell von den zahlreichen Festlandstudenten abhängig. Entsprechend haben sie sich geweigert, Studenten zu bestrafen. Auch wenn diese die Meinungsfreiheit von anderen verletzt und das Klima an den Unis vergiftet haben.

Die europäische Union nennt China inzwischen einen "systemischen Rivalen". Die USA sprechen von einem heraufziehenden neuen kalten Krieg. Steht Australien an der Frontlinie dieses Konflikts?

Definitiv. Vertreter aus Neuseeland, Kanada und Europa kommen regelmäßig hierher, um von den Erfahrungen hierzulande zu lernen. Sicher ist: Die China-Politik Washingtons hat sich geändert. Gleichzeitig werden die USA diesen Konflikt nicht alleine lösen können. Es braucht eine globale Allianz der demokratischen Staaten, die sich gemeinsam gegen Chinas Einflussnahme wehren.

Sind die demokratischen Staaten bisher zu naiv im Umgang mit China?

Oh ja, absolut. Einige Akteure in der Wirtschaft, an unseren Universitäten und in der Politik machen weiter, als sei nichts passiert. Sie tun so, als sei China unter der Herrschaft der KP ein Staat wie jeder andere. Vor fünf Jahren war Naivität noch eine Entschuldigung. Nun ist es das nicht mehr. Dafür wissen wir zu viel über das Regime unter Präsident Xi Jinping. Naivität ist nun nichts als Dummheit.

Clive Hamilton ist Professor für allgemeine Ethik an der Charles Sturt University in Canberra und beschäftigt sich seit Jahren mit Chinas Einfluss in Australien. Drei Verlage lehnten sein Buch "Silent Invasion" über das Thema ab, da sie Nachteile in ihrem China-Geschäft fürchteten.

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