Süddeutsche Zeitung

Australiens neuer Premier Tony Abbott:Wahlsieger in Nylon

"Papst oder Premier", das prophezeite seine Mutter. Jetzt hat Tony Abbott zumindest Zweiteres erreicht. Der erzkonservative Katholik wird Australiens Premierminister - und lässt keinen Zweifel, dass er sich fit fühlt für die Aufgabe.

Von Jan Bielicki

Am Morgen nach der Wahl zeigte sich der Sieger in Radler-Nylon. Tony Abbott drehte eine Runde auf dem Rennrad durch Sydneys nördliche Vororte - und ließ keinen Zweifel daran, dass er sich fit fühlt für die Aufgabe, Australien zu regieren. Tatsächlich dürfte der Wahlsieger der sportlichste Premierminister sein, den das Land je hatte. Vor drei Jahren stand der heute 55-Jährige einen Triathlon durch. 3,9 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radeln und 42 Kilometer Laufen in weniger als 14 Stunden, nicht schlecht für seine Altersklasse.

Abbott, der nach dem klaren Sieg seiner liberal-konservativen Koalition Premier Kevin Rudd von der Labor Party ablöst, galt immer als harter Kämpfer - sogar als zu verbissen, als dass ihm selbst die eigenen Parteigänger noch bis vor fünf Jahren je das höchste politische Amt zugetraut hätten. Mad Monk nannten ihn Freund und Feind, seiner Vergangenheit als Priesterseminarist wegen, aber auch ob seines Auftretens: oft zu laut, zu schrill, zu viele lose Sprüche.

Doch der "verrückte Mönch" biss sich durch. Bereits als Politik-Student in Sydney und Oxford zeichnete er sich als Boxer aus. "Ohne Verteidigung immer nach vorn" habe er gekämpft, berichtete eine Studentenzeitung, und so stürzte sich der erzkonservative Katholik auch in die Politik. Nach seinem abgebrochenen Versuch, Priester zu werden, arbeitete er als Journalist, dann als Lobbyist für den Erhalt der Monarchie in Australien. Der konservative Premier John Howard holte den Heißsporn ins Parlament und als Minister für Arbeit, später für Gesundheit ins Kabinett.

Abbotts Mutter prophezeite: "Papst oder Premier"

Schnell erwarb er sich einen Ruf als Hardliner mit dem Hang zu reaktionären Ausfällen. Heiße bei Julia Gillard "nein wirklich immer nein?", griff er als Oppositionsführer Australiens erste Premierministerin in Anspielung auf eine Anti-Vergewaltigungs-Kampagne an. Im Wahlkampf lobte er den "Sex Appeal" einer Kandidatin. Sogar eine seiner drei Töchter, mit denen Abbott seine Auftritte gerne dekoriert, nannte das "dumm" - was ihren Vater nicht hinderte, sich den Wählern als "der Typ mit den nicht übel aussehenden Töchtern" anzupreisen. Von seinem Nein zur Homo-Ehe konnte ihn nicht einmal seine lesbische Schwester abbringen. Und gegenüber Flüchtlingen steht er für eine harte, seine Gegner sagen: zynische Politik. Er werde "die Boote stoppen", versprach er.

Erkenntnisse über den Klimawandel schob Abbott schon mal als "absolute Kacke" beiseite. Sein Widerstand gegen die Labor-Pläne, Australiens enormen Klimagiftausstoß durch den Handel mit Emissionsrechten zu bekämpfen, brachte ihn 2009 an die Spitze der Liberalen, mit einer Stimme Vorsprung: "Allmächtiger, was haben wir gemacht?", ächzte ein liberaler Abgeordneter. Inzwischen gibt sich Abbott gemäßigter, und dank Labors Selbstzerfleischung erreichte er jetzt im zweiten Anlauf das, was seine Mutter dem Buben einst prophezeit haben soll: Er werde "Papst oder Premier". Nun ist er es.

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SZ vom 09.09.2013/sks
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