Australien:Inseln der Verzweiflung

Nach dem Wahlsieg des konservativen australischen Premiers Scott Morrison berichten Asylbewerber von einer Selbstmordwelle in den Internierungslagern auf Manus und Nauru.

Von Jacqueline Lang

Australien: Seit Jahren in der Kritik: Hilfsorganisationen nennen die Zustände in den Flüchtlingslagern auf Manus und Nauru (im Bild) menschenverachtend.

Seit Jahren in der Kritik: Hilfsorganisationen nennen die Zustände in den Flüchtlingslagern auf Manus und Nauru (im Bild) menschenverachtend.

(Foto: Rick Rycroft/AP)

Der erneute Sieg der konservativen Liberal Party bei den Parlamentswahlen in Australien vor gut einer Woche war eine Überraschung: Prognosen hatten die sozialdemokratische Labor Party bis kurz vor Schluss vorne gesehen. Für viele Australier mag das eine herbe Enttäuschung gewesen sein - für viele Flüchtlinge, die von der australischen Regierung in sogenannten Offshore-Lagern untergebracht sind, kam es einer Katastrophe gleich: Mehrere sollen sich kurz nach Bekanntwerden der Wiederwahl des Premiers Scott Morrison das Leben genommen haben.

Behrouz Boochani schrieb auf Twitter, die Lage sei "außer Kontrolle": Neun Menschen hätten versucht sich das Leben zu nehmen, drei von ihnen befänden sich nach wie vor in einem "kritischen Zustand". Boochani ist ein kurdischstämmiger Menschenrechtsaktivist aus Iran. Er selbst wird seit 2013 auf der zu Papua-Neuguinea gehörenden Insel Manus festgehalten. Das Camp gleiche einem "Friedhof", twitterte er.

Amnesty International kritisiert die Zustände seit Langem

Die Zustände in den Internierungslagern in Papua-Neuguinea und auf der kleinen Pazifikinsel Nauru werden seit Jahren von regierungsunabhängigen Organisationen (NGO) wie Amnesty International als menschenverachtend kritisiert. Schon vor der Wahl am vergangenen Samstag berichtete die australische Flüchtlingsorganisation Refugee Action Coalition (RAC) von zunehmenden psychischen Problemen der schätzungsweise noch tausend internierten Flüchtlinge. Viele von ihnen leben seit mehreren Jahren in den Camps, dürfen diese aber weder verlassen noch arbeiten.

Viele der Flüchtlinge hatten die Hoffnung, eine Labor-Regierung würde ein Angebot Neuseelands akzeptieren, das zumindest einen Teil der Flüchtlinge aufnehmen würde. Die australische Liberal Party hatte dieses Angebot abgewiesen, mit ihrem Sieg ist die Hoffnung der Flüchtlinge dahin. Nur wenige Geflüchtete wurden bislang in die USA übergesiedelt. "Die Situation hat sich seit sechs Jahren aufgebaut, aber das Ergebnis der Wahl am Wochenende hat eine Krise herbeigeführt, die die Regierung nicht weiter ignorieren kann", sagte Ian Rintoul von der Flüchtlingshilfeorganisation RAC vergangene Woche. Tim O'Connor von Amnesty International Australia sagte, seit der Wahl seien "zunehmende Verzweiflung und Angst" zu spüren.

Umstrittene Lager

Vor sechs Jahren hat die australische Regierung mit der Operation "Sovereign Borders", souveräne Grenzen, einen grundsätzlichen Aufnahmestopp für Bootsflüchtlinge angeordnet. Mehr als 3000 Menschen wurden seitdem in sogenannte Offshore-Lager in Papua-Neuguinea und auf die Pazifikinsel Nauru gebracht. Ein bereits geschlossenes Internierungslager auf der Weihnachtsinsel wurde Anfang des Jahres wieder eröffnet. Flüchtlinge sind dort allerdings noch nicht wieder untergebracht. Der vor knapp einer Woche wiedergewählte Premierminister Scott Morrison von der konservativen Liberal Party gilt als Mitbegründer der rigorosen Einwanderungspolitik seines Landes: "We will stop the boats", wir werden die Flüchtlingsboote stoppen, versprach er. Nach Einschätzung der Vereinten Nationen kommt Australien mit seiner Abschreckungspolitik nicht den Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention nach. Jacqueline Lang

Der Polizeikommandant auf Manus, David Yapu, bestätigte dem amerikanischen Sender CNN, dass es zu Selbstmordversuchen gekommen sei. Allerdings sprach er lediglich von zwei Fällen. Boochani führt die Diskrepanz bei den Opferzahlen darauf zurück, dass nicht alle Suizidversuche der Polizei gemeldet worden seien. Die Camps werden von privaten Sicherheitsfirmen im Auftrag der australischen Regierung geführt.

Die Camps werden von privaten Sicherheitsfirmen verwaltet

Aktivisten warfen der australischen Regierung in der Vergangenheit immer wieder vor, der Bevölkerung die Zustände in den Camps zu verheimlichen und die Probleme der Menschen dort zu ignorieren. Menschenrechtsaktivist Boochani sprach sogar von einer "systematischen Zensur" der australischen Medien. Bislang haben sich weder die Regierung noch die Opposition zu den Vorfällen geäußert.

Die Labor-Partei hatte Anfang des Jahres gemeinsam mit unabhängigen Abgeordneten ein Gesetz durchgesetzt, das es kranken Flüchtlingen aus solchen Lagern ermöglichen soll, Zugang zu medizinischer Versorgung auf dem Festland zu bekommen. O'Connor fordert von der Regierung, die betroffenen Menschen schnellstmöglich nach Australien zu bringen, "damit sie die angemessene medizinische und psychologische Hilfe erhalten, die sie so dringend benötigen". Premier Morrison hatte bereits vor seiner Wiederwahl angekündigt, das Gesetz rückgängig machen zu wollen.

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