Außenpolitiker Polenz:"Wir haben dann einen Anruf der Chinesen bekommen..."

Lesezeit: 3 min

Den Chinesen schmeckt nicht, dass sich deutsche Politiker mit dem Dalai Lama treffen wollen. Sie intervenieren mit allen diplomatischen Mitteln. Wie das aussieht, verrät der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz im Gespräch mit sueddeutsche.de.

Thorsten Denkler

Ruprecht Polenz ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses und war von April bis November 2000 Generalsekretär der CDU.

CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz will sich trotz chinesischer Kritik mit dem Dalai Lama treffen. (Foto: Foto: ap)

sueddeutsche.de: Herr Polenz, den Chinesen lässt offenbar keine Ruhe, dass sich die Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses mit dem Dalai Lama treffen wollen. Was genau ist passiert?

Ruprecht Polenz: Die chinesische Botschaft hat zunächst auf meinen Brief reagiert, in dem ich sie über das Treffen informiert habe. Wir haben im Sekretariat des Auswärtigen Ausschusses dann einen Anruf der chinesischen Botschaft bekommen, in dem es hieß, man sei dagegen sei, dass der Dalai Lama von offizieller Seite in offiziellen Räumen zu Gesprächen empfangen werde.

sueddeutsche.de: Wie bewerten sie dies - und, dass die Chinesen jetzt auch in einer öffentlichen Erklärung die politischen Treffen verurteilen?

Polenz: Eine solche Form des Protestes muss in aller Form zurückgewiesen werden. Sie lässt ja auch völlig außer acht, dass Deutschland selbstverständlich an der Ein-China-Politik festhält.

sueddeutsche.de: Die Chinesen wünschen sich, dass mit dem Dalai Lama überhaupt nicht über Politik gesprochen wird. Botschaftsrat Junhui Zhang verlangt sogar, dass ihm besser die Einreise nach Deutschland verweigert werden solle.

Polenz: Über politische Fragen reden wir mit dem Dalai Lama doch nur, weil es hier um elementare Menschrechte des tibetischen Volkes geht. Und dass sich ein Friedensnobelpreisträger in der Welt frei bewegen können sollte, halte ich für selbstverständlich.

sueddeutsche.de: Genauso wenig schmeckt den Chinesen, dass sich nach langem hin und her jetzt auch Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul als Mitglied der Bundesregierung mit dem Dalai Lama treffen wird. Ist es das, was Sie sich von der Bundesregierung gewünscht haben?

Polenz: Es war ja klar, dass die Bundeskanzlerin den Dalai Lama diesmal nicht treffen konnte, weil sie - seit langem geplant - Lateinamerika besucht. Ich hätte es allerdings begrüßt, wenn der Bundesaußenminister den Dalai Lama empfangen hätte. Aber ich freue mich jetzt sehr, dass es die Entwicklungshilfeministerin tut.

sueddeutsche.de: Es wirkt dennoch ein bisschen wie ein Empfangsprogramm zweiter Klasse.

Polenz: Nein. Man muss auch das Gesamtprogramm sehen. Mit Bundestagspräsident Norbert Lammert wird der Dalai Lama vom zweiten Mann im Staat empfangen. Es wird vom Parlament aus ein Gespräch mit den Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses geben. Es gibt also überhaupt keinen Grund für Klagen, Deutschland gebe der Tibet-Frage und dem Dalai Lama zu wenig Aufmerksamkeit.

sueddeutsche.de: Der Dalai Lama ist beinahe jährlich zu Besuch in Deutschland. Bei seiner Besuchsplanung achtet er nicht besonders auf die Terminkalender von Ministern oder Kanzlerinnen. War das auch ein Grund für das Tohuwabohu um den jetzigen Deutschlandbesuch?

Polenz: Der Dalai Lama ist eine Persönlichkeit von Weltrang. Von daher kann er natürlich seine eigenen Prioritäten setzen. Allerdings muss er dann sicherlich auch in Kauf nehmen, dass es in dem einen oder anderen Fall wegen Terminkollisionen nicht zu Gesprächen kommt, die er vielleicht ganz gerne geführt hätte.

sueddeutsche.de: War es nötig, dass die Debatte um einen Empfang des Dalai Lama auf Regierungsebene so heftig geführt wurde?

Polenz: Wenn die Entscheidung der Entwicklungshilfeministerin von Anfang an klar gewesen wäre, hätte es vielleicht manche Irritationen nicht gegeben. Auf der anderen Seite ist jetzt wichtig, wie der Besuch des Dalai Lama abläuft. Alle werden deutlich machen, wie sehr sie sich für die Menschenrechte in Tibet und darüber hinaus interessieren und werden das gewaltfreie Eintreten der Tibeter für ihre Interessen unterstützen.

sueddeutsche.de: Was erwarten Sie von Ihrem Treffen mit dem Dalai Lama?

Polenz: Wir wollen mit über seine Einschätzung der aktuellen Lage in Tibet sprechen und uns über den Verlauf der Gespräche mit der chinesischen Regierung unterrichten lassen. Und wir wollen natürlich wissen, was wir von deutscher und europäischer Seite für die berechtigten Interessen des tibetischen Volkes tun können.

sueddeutsche.de: Außenminister Frank-Walter Steinmeier verteidigt seine Linie der stillen Diplomatie. Die Kanzlerin übt sich auch gerne auch mal in offener Konfrontation. Welcher Weg ist der bessere?

Polenz: Man muss immer überlegen, welcher Weg ist in welcher Situation der bessere ist. Und manchmal muss man auch parallel agieren. Im Rückblick jedenfalls zeigt sich, dass das Treffen des Dalai Lama mit der Bundeskanzlerin offensichtlich geholfen hat, den internationalen Druck auf China zu erhöhen, so dass die chinesische Seite jetzt wieder mit Vertretern des Dalai Lama spricht. Das wäre ohne den internationalen Druck sicherlich nicht erfolgt.

© sueddeutsche.de/jja/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: