Außenpolitik:Frankreich und Deutschland planen Neustart

French President Emmanuel Macron buttons his vest outside the Hotel de Ville in Paris

En Marche: Emmanuel Macron will schon am Montagnachmittag auf seiner ersten Auslandsreise zu einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Berlin kommen

(Foto: REUTERS)

Kooperation der Streitkräfte, gemeinsame Botschaften - Paris und Berlin wollen eng zusammenarbeiten. Nur einen Tag nach seiner Amtseinführung reist Präsident Macron zu Kanzlerin Merkel.

Von Stefan Kornelius, München, und Christian Wernicke, Paris

Mit der Amtseinführung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron ist neuer Schwung in die Europapolitik gekommen. Schon vor dem zweiten Wahlgang in Frankreich haben enge Berater des Kandidaten vertrauliche Gespräche mit der Bundesregierung gestartet und Initiativen in der Außen-, Sicherheits- und Europapolitik ausgelotet. Allerdings sind die Sondierungen von Vorsicht geprägt.

Macron muss die Ergebnisse der Parlamentswahlen im Juni abwarten und eine Mehrheit für seine Pläne finden, während die deutsche Politik erst mit der Bundestagswahl im Herbst neue Legitimation erhält.

Der 39 Jahre alte Macron wurde am Sonntag in Paris in sein Amt eingeführt. Am Montagnachmittag will er auf seiner ersten Auslandsreise zu einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Berlin kommen. Konkrete Vereinbarungen werden die beiden nicht treffen. Vielmehr ist von einer Revisionsphase von bis zu sechs Monaten die Rede, in der konkrete Initiativen erarbeitet werden können.

Gleichwohl sind verschiedene deutsch-französische Vorstöße denkbar. Seit Langem wird diskutiert, ob Deutschland und Frankreich Botschaften zusammenlegen oder mit gemeinsamen Sonderbeauftragten in verschiedenen Weltregionen ihren Einfluss erweitern könnten.

Auch die Verschmelzung der außenpolitischen Apparate, etwa bei internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen, wird debattiert. Frankreich verfügt anders als Deutschland über einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Immer wieder wird über einen europäischen Sitz diskutiert.

Auf der Tagessordnung steht auch die intensivere Zusammenarbeit der beiden Streitkräfte. So sind ein gemeinsames Lufttransportkommando und eine Synchronisierung der Offiziersausbildung denkbar. Beide Seiten sprechen sich für eine Art europäischen Investitionsfonds für Rüstungsprojekte aus.

Vizekanzler und Außenminister Sigmar Gabriel legte eine Projektliste für deutsch-französische Initiativen vor, die den Plänen Macrons ähnelt und im Kern auf ein Papier zurückgeht, das beide Politiker in ihrer Funktion als Wirtschaftsminister geschrieben haben. Während Gabriel seine Pläne im Spiegel verbreiten ließ, hält sich Merkel mit öffentlichen Äußerungen zurück. Im Kanzleramt wird vor vorschnellen Festlegungen gewarnt und auf die komplizierte Entscheidungsfindung in der Europäischen Union mit ihren 28 Mitgliedern verwiesen.

Zurückhaltung herrscht etwa beim Thema Reform der Euro-Institutionen. Dabei geht es vor allem um eine Art Finanzminister für die Euro-Zone, der auch mit einem eigenen Budget ausgestattet sein könnte und von einer Art Euro-Zonen-Kammer des Europäischen Parlaments kontrolliert würde. Macron hatte sich im Wahlkampf für die Idee stark gemacht. Gabriel sekundierte nun, dass "Deutschland den Mut" haben müsse, über eigene Positionen in der Währungsunion "nachzudenken".

Schnelle, symbolische Vereinbarungen zu erwarten

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble begrüßte zum wiederholten Mal das Thema, machte aber deutlich, dass er es für nicht umsetzbar halte, weil dazu Änderungen an den europäischen Verträgen nötig wären. Im Kanzleramt heißt es lapidar, neue Institutionen wären nicht das dringlichste Problem der Bürger. Auf der Prioritätenliste stünden Sicherheit, Migration und Wettbewerbsfähigkeit ganz oben.

Macron, der den bisherigen französischen Botschafter in Berlin, Philippe Étienne, zu seinem außenpolitischen Berater ernannte, wird mit Merkel schnelle, symbolische Vereinbarungen etwa über den Schutz des Binnenmarktes vor Dumpingprodukten und vor ausländischer Übernahme strategisch wichtiger Industrien verhandeln. Anders als die meisten Kandidaten hatte er Deutschland im Wahlkampf nicht als Problem Frankreichs dargestellt.

In seiner Antrittsrede versprach Macron, er wolle "die Spaltung und die Brüche in unserer Gesellschaft überwinden". Sein doppeltes Ziel sei es, einer oft an sich selbst zweifelnden Nation "neues Selbstvertrauen zu geben" und den Franzosen wieder "Lust auf die Zukunft" zu machen. Zur EU sagte er: "Wir brauchen ein Europa, das wirksamer, demokratischer, politischer ist."

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