Außenminister spricht zur Euro-Krise in Washington:Westerwelle wirbt für den deutschen Weg

Guido Westerwelle erklärt den Amerikanern in einer Grundsatzrede die Berliner Position in der Schuldenkrise. Haushaltsdisziplin und Strukturreformen seien besser als neue Schulden anzuhäufen. Um die historische Bedeutung des deutschen Engagements zu unterstreichen, erzählt der Außenminister eine Episode aus seiner Jugend.

Matthias Kolb, Washington

Es ist eine Geschichte, wie sie die Amerikaner lieben: persönlich, bewegend, mit einer klaren Botschaft und selbstironisch erzählt. Nachdem er gut 20 Minuten geredet hatte, legte Guido Westerwelle im überfüllten Vortragssaal der renommierten Denkfabrik Brookings Institution sein Manuskript zur Seite und bat kurz darum, eine persönliche Bemerkung machen zu dürfen.

Außenminister spricht zur Euro-Krise in Washington: Bundesaußenminister Guido Westerwelle spricht am Brookings-Institut in Washington: "Wir werden diese Schuldenkrise nicht dadurch bewältigen, dass wir Geld drucken."

Bundesaußenminister Guido Westerwelle spricht am Brookings-Institut in Washington: "Wir werden diese Schuldenkrise nicht dadurch bewältigen, dass wir Geld drucken."

(Foto: AFP)

Er sei 1961 geboren und erinnere sich noch gut an jene Zeiten, als es verschiedene Währungen in Europa gegeben habe und an den Grenzen kontrolliert wurde. Als Jugendlicher sei er mit drei Freunden mit dem Zug zum Zelten in die Bretagne gefahren. In einem Dorf wollten sie in einem Tante-Emma-Laden einkaufen. Die Besitzerin sei 50 Jahre alt gewesen. "Ich war dünn, hatte blonde Haare, blaue Augen und einen schrecklichen deutschen Akzent", erinnert sich der Außenminister. Die Frau habe sich geweigert, sie zu bedienen und sei in die angrenzende Küche gelaufen.

"Wir hörten, dass sie weinte", berichtete Westerwelle seinen Zuhörern in der US-Hauptstadt. Nach einer Weile sei die Tochter gekommen und habe ihnen erklärt: "Mein Vater ist von Deutschen getötet worden. Nehmt es nicht persönlich, aber sie kann euch nichts verkaufen." Die Aussage der Episode war jedem im Publikum klar, doch Westerwelle wollte keinen Zweifel zulassen: "Der Euro und Europa sind für uns mehr als ein gemeinsamer Markt und eine Währung: Es ist die Antwort auf das dunkelste Kapitel in unserer Geschichte." Zuvor hatte er bereits erklärt, ein Alleingang sei keine Option für Berlin: "Es gibt für Deutschland keine gute Zukunft ohne eine gute Zukunft für ein vereintes Europa."

Danach wandte sich der frühere FDP-Chef seinem Skript zu und erläuterte jene Punkte, die er bereits nach seinen Gesprächen mit IWF-Chefin Christine Lagarde und US-Finanzminister Timothy Geithner genannt hatte. Der Vorwurf, die 27 EU-Mitglieder redeten zu viel und handelten zu wenig, sei falsch. Die Einführung von Eurobonds lehne Berlin ab, weil man bestehende Schulden nicht mit neuen Schulden überwinden könne. "Wir werden diese Schuldenkrise nicht dadurch bewältigen, dass wir Geld drucken", sagte Westerwelle wörtlich. Stattdessen seien Haushaltsdisziplin und Strukturreformen nötig.

Selbstsicher und vehement

Westerwelle, der in Washington selbstsicher wirkte und sich seit dem Jahreswechsel auch wieder verstärkt in die Innenpolitik einmischt, verteidigte die deutsche Haltung vehement. Er wies die Kritik zurück, Europas größte Volkswirtschaft leiste bei der Euro-Rettung nicht genug. Die Aussage, Deutschland zeige sich nicht solidarisch mit strauchelnden Mitgliedern der Euro-Zone, sei eine urban legend und "einfach nicht zutreffend". Der Bundestag habe Garantien von mehr als 200 Milliarden Euro gebilligt - dies entspreche auf amerikanische Verhältnisse übertragen einer Summe von einer Billion Dollar, rechnete der Chefdiplomat vor.

Im Gespräch mit Journalisten empfahl der deutsche Außenminister, die mitunter schrillen Töne aus dem Vorwahlkampf der Republikaner - gerade für Mitt Romney gehört das Schimpfen auf Europa und die Warnung vor überbordenden Sozialleistungen zum festen Repertoire - nicht allzu ernst zu nehmen. US-Präsident Barack Obama gilt vielen Konservativen in den USA als "Sozialist". Allerdings sei es "hilfreich", so Westerwelle, in Washington daran zu erinnern, dass "wir in Europa den Sozialismus - auch mit Hilfe der USA - vor mehr als 20 Jahren überwunden haben".

Dieser Spruch gefiel dem deutschen Außenminister so gut, dass er ihn bei der Pressekonferenz mit US-Außenministerin Hillary Clinton, mit der er neben der Schuldenkrise vor allem über die Lage in Iran und Afghanistan beraten hatte, gleich noch mal wiederholte. Ob diese Botschaft in den amerikanischen Redaktionen und bei den Redenschreibern von Romney, Gingrich und Co. jedoch ankommt, scheint eher fraglich.

Linktipp: Die Rede von Guido Westerwelle bei Brookings wurde mitgeschnitten und ist als Video verfügbar.

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