Die Welt wendet sich gegen die Globalisierung. Donald Trump etwa führt in den USA einen explizit nationalistischen Anti-Globalisierungs-Wahlkampf. In Monessen im Bundesstaat Pennsylvania, vor einer Kulisse zerdrückter Aluminium-Dosen, präsentierte er eine sehr eigene historische Interpretation der vergangenen dreißig Jahre und der Zeit seit dem Ende des Kalten Krieges: "Diese Welle der Globalisierung hat unsere Mittelschicht zerstört."
Dem folgte ein dramatisches Versprechen: "Das muss nicht so sein. Wir können alles herumdrehen; und wir können es schnell tun." Trump fügte hinzu: "Die Globalisierung hat jene Finanzeliten geschaffen, die Politiker reichlich mit Spenden eindecken. Millionen unserer Arbeiter hat sie mit nichts als Armut und Sorgen hinterlassen." Er will nichts anderes, als die Globalisierung revidieren.
Aus heutiger Sicht ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass Trump die Wahl im November gewinnt. Aber seine Botschaft wirkt bereits: Globalisierung ist reversibel und sie wurde bereits revidiert - mit ziemlich desaströsen Folgen. Unter dem Druck von Trump auf der Rechten und Bernie Sanders auf der Linken hat Hillary Clinton ihre Position über das Freihandelsabkommen TPP mit Asien revidiert, das sie zuvor selbst mit ausgehandelt hatte.
Die öffentliche Meinung in Deutschland, das, zusammen mit China, besonders von der jüngsten Welle der Globalisierung profitiert hatte, wendet sich nun gegen die Freihandelsabkommen TTIP und Ceta mit den USA und Kanada. Das internationale Handelssystem, ohnehin schon angeschlagen seit dem Scheitern der in Doha vereinbarten Liberalisierungsrunde in der Welthandels-Organisation ("Doha-Runde"), ist ins Wanken geraten.
Dabei stimmt es gar nicht, dass die meisten Menschen in den Industrieländern internationalen Handel ablehnen. Tatsächlich sind sie süchtig nach billigen Textilien, sie lieben T-Shirts und Sneakers und Elektronik. Die echte Anti-Globalisierung geht tiefer und ist Ausdruck einer fundamentalen Verwundbarkeit.
Viel können wir heute lernen von der großen Welle der Globalisierung vor dem Ersten Weltkrieg. Zur Globalisierung gehören historisch große Menschenströme, außerdem der Austausch von Waren und Kapital. Migration kann dabei wie ein Überdruckventil funktionieren.
Sie ist häufig die Antwort auf Probleme, die durch technischen Wandel und durch Handel entstehen. Sie machen ganze Berufsklassen - etwa in der traditionellen Landwirtschaft - überflüssig. In der Globalisierung des 19. Jahrhunderts erhöhte die Auswanderung armer Menschen aus der europäischen Peripherie (Skandinavien, Mittelmeer, Osteuropa) dort die Durchschnittseinkommen.
Globalisierung bedeutet auch Verwundbarkeit
Aber die Migration schuf auch eine Gegenreaktion in den dynamischen Ländern, die die Migranten aufnehmen sollten. 1882 verabschiedete der amerikanische Kongress den Chinese Exclusion Act, der die Einwanderung chinesischer Arbeiter untersagte. Jeder Chinese, der in die Vereinigten Staaten einreiste, musste ein Zertifikat über seine Beschäftigung vorlegen. Es gab sogar Gesetze, die Einwanderung ganz allgemein begrenzen sollten; sie wurden vor dem Ersten Weltkrieg allerdings immer durch ein Veto des Präsidenten verhindert.
Eines der ersten Werke Max Webers in Deutschland war eine Art Anti-Globalisierungs-Traktat. In einer Studie über Landarbeiter fragte er, ob Wanderungsströme kulturell oder intellektuell bereichernd sind. Für Weber zeigte die Einwanderung polnischer Arbeiter mit niedrigen Löhnen nach Deutschland, dass globale Migration zum Sieg der unterlegenen Kultur führt.
Globalisierung bedeutet für Staaten auch Verwundbarkeit. Im 19. Jahrhundert findet sich eine Parallele zu den heutigen Debatten. Netzwerkeffekte führten dazu, dass im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts Finanz- und Versicherungsdienstleistungen in London konzentriert waren.
Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts die politischen Spannungen in Europa zunahmen, kamen die britischen Geheimdienste auf die Idee, Informationen aus den internationalen Finanzinstituten zu nutzen, um Boykotte gegen andere Länder durchzusetzen. Wirtschaftskriege sollten die andere Seite in die Knie zwingen.
Aber gerade weil die Strategie des dominierenden Landes die Verwundbarkeit der anderen nutzte, vergrößerte sie das Risiko, dass ärmere oder weniger entwickelte Länder die Prosperität des Hegemons stören könnten. Vor 1914 arbeitete Deutschland zunächst daran, sich dem finanziellen Druck Großbritanniens zu entziehen, dann an Wegen, wie es den britischen Handel im Konfliktfalle unterbrechen könnte. Dazu gehörte auch der U-Boot-Krieg.
In jüngster Zeit haben die Vereinigten Staaten ziemlich effektiv einen Finanzkrieg gegen Nordkorea und Iran geführt. Die Sanktionen gegen Russland im Gefolge der Annexion der Krim erweiterten das Prinzip, ökonomische Hebel zu benutzen, um politischen Druck auszuüben - aber auf ein Land, das viel mehr in die Weltwirtschaft integriert ist und daher mehr in der Lage ist, Vergeltung zu üben.
Die Idee der Netzwerk-Unterbrechung stützt sich auf die Fähigkeit, durch den Überraschungseffekt Vorteile zu erzielen und zu niedrigen oder gar keinen Kosten zu gewinnen. Aber das ist notwendigerweise ein Glücksspiel und es erhöht das Risiko, dass andere in der Lage sein könnten, mit ähnlicher Münze zurückzuzahlen. So wie 1914 steigt die Versuchung zu würfeln, selbst dann, wenn das Spiel tödlich enden könnte.
Als unmittelbare Antwort auf die globale Finanzkrise von 2008 erneuerte Präsident Wladimir Putin bei einer Rede in Sotschi die alte europäische Debatte über die exorbitanten Privilegien des Dollar. Ein wesentlicher Punkt an dem Gas-Deal zwischen Russland und China 2014, war, dass nicht mehr in Dollar abgerechnet wurde.
Gefahren der Deglobalisierung
Aber ein Angriff auf das Wirtschaftspotenzial eines Landes kann wesentlich aggressiver ausfallen; Hybrid-Kriege verwischen die Grenzen zwischen militärischen und nicht-militärischen Konflikten. Es gab Cyber-Angriffe auf US-Finanzinstitute, aber auch gut dokumentierte Versuche, Wikileaks zu benutzen, um den Wahlkampf von Hillary Clinton anzugreifen.
Die Verwundbarkeit durch die Wanderung von Menschen und die Furcht vor systematischen Angriffen wirken zusammen und unterminieren die Stabilität. Vor 1914 galten deutsche Kellner in London als potenzielle Saboteure. Trump denkt, dass die Migranten Jobs "stehlen", er sieht sie aber auch als Sicherheitsrisiko.
Deglobalisierung geht einher mit Restriktionen, Kontrollen, aber auch mit Vergeltung. Es ist kein Spiel, das jemand spielen möchte, der noch seine Sinne beisammen hat.