Außenansicht:Wie das Atomabkommen zu retten ist

Außenansicht: Norman Roule, 57, war 34 Jahre lang bei der CIA beschäftigt und hat als Berater für das US-Außenministerium gearbeitet.

Norman Roule, 57, war 34 Jahre lang bei der CIA beschäftigt und hat als Berater für das US-Außenministerium gearbeitet.

(Foto: oh)

Der Vertrag mit Iran war ein Sieg der Diplomatie. Nun muss die EU den Druck auf das Land erhöhen.

Von Norman Roule

Mehr als drei Jahrzehnte habe ich unter anderem für die CIA beobachtet, wie Iran seine Fähigkeit ausgebaut hat, die Sicherheit im Nahen Osten, aber auch weltweit, zu untergraben. Dazu gehörten Attentate in Europa und die Unterstützung von Angriffen auf US-Personal im Irak genauso wie die Unterstützung der libanesischen Hisbollah. Ganz zu schweigen von den Bemühungen Irans, an Atomwaffen zu gelangen.

Bis heute lässt das Verhalten Irans nur den Schluss zu, dass man ihm nicht trauen kann. Trotzdem ist das sogenannte Atomabkommen wichtig, der Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA), der 2015 beschlossen wurde. Er ist nach wie vor ein zentraler Baustein, um das Machtstreben der iranischen Führung einzuhegen. Drei Dinge sind durch das Abkommen erreicht worden: Der Ausbau des iranischen Atomwaffenprogramms wurde gestoppt; es wurde unter eine langfristige internationale Kontrolle gestellt, von der einige Mechanismen auch unbegrenzt wirksam sein sollen. Das Ende der Sanktionen hat dem iranischen Volk außerdem gezeigt, dass die Regierung diese vorgeschoben hatte, um ihre Misswirtschaft und die Umleitung von Ressourcen an das Militär und in militärische Abenteuer zu verschleiern.

Die Führung in Teheran agiert zunehmend aggressiv. Darauf muss reagiert werden

Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) bestätigt, dass sich Iran an das Abkommen hält. Doch es gibt ebenso deutliche Beweise dafür, dass das Land weiterhin aggressiv agiert. Durch die Weitergabe von Raketentechnologie, durch die massive Unterstützung der Hisbollah, durch die Verletzung der Rechte seiner Bürger. Um das Atomabkommen nicht zu gefährden, sieht die EU jedoch davon ab, diese Vergehen zu benennen. Doch indem sie es ablehnt, die Hardliner in Iran zu stellen, verhindert sie auch, dass sich das Land verändern kann. Die Befürworter des Abkommens müssen sich fragen lassen, wie sich die Welt darauf verlassen kann, dass Iran seine nuklearen Bestrebungen tatsächlich nicht wiederaufnehmen wird, wenn das Abkommen ausläuft.

Dies soll keine Kritik an denjenigen sein, die das Atomabkommen verhandelt haben. Diplomatie ist dem Krieg stets vorzuziehen, und die amerikanischen und deutschen Verhandlungsführer haben hart und unbeirrt für eine Übereinkunft gearbeitet. Das Atomabkommen ist ein Zeichen für die Macht der Diplomatie, und die Staatengemeinschaft sollte alles dafür tun, dass ein weiterer Krieg im Nahen Osten verhindert wird.

Doch sollte sich die internationale Gemeinschaft dafür nicht zu eng an das vorliegende Atomabkommen binden. Sonst beraubt sie sich der einzigen Instrumente, mit denen Iran unter Druck gesetzt werden kann. Die Sanktionen vor 2015 waren für die iranischen Pragmatiker ein guter Vorwand, sich für eine Kursänderung in der Nuklearpolitik einzusetzen. Jetzt wären sie ein gutes Instrument gegen die Aktivitäten der Iranischen Revolutionsgarden (IRGC): Sie gäben den Pragmatikern in Iran wieder die Möglichkeit, sich für eine eher friedfertige Rolle in der Region einzusetzen.

Aus diesem Grund plädiere ich auch dafür, dass die USA weiterhin das Atomabkommen unterstützen. Die USA sollten jedoch nach Möglichkeiten suchen, das Abkommen von 2015 zu stärken. Die Versuche Europas, auf diplomatischem Wege die Raketenprogramme Irans und seine Hegemonialbestrebungen in der Region einzuschränken, sind lobenswert. Doch die Geschichte hat gezeigt, dass Diplomatie alleine das Verhalten Irans nicht verändern wird. Soll ein weiterer Krieg in der Region verhindert werden, wird das nur mit neuen Sanktionen gelingen. Dafür ist eine enge Zusammenarbeit mit den Ländern der EU wesentlich. Gemeinsam ließen sich zum Beispiel Branchen identifizieren, die effektive Sanktionen gegen Teheran möglich machen. Auch hätten gemeinsame Aktionen von den USA und der EU ein ganz anderes Gewicht.

Außerdem muss auch Europa die Machtbestrebungen Irans und die Menschenrechtsverletzungen im Land klar und deutlich ansprechen. Es ist merkwürdig, dass sich Europa einerseits gegen Washingtons möglichen Verzicht auf das Atomabkommen ausspricht, andererseits jedoch glaubt, die Aktivitäten der Revolutionsgarden mit stiller Diplomatie abschrecken zu können. Natürlich sollte auch weiterhin versucht werden, auf diplomatischem Wege mit Iran umzugehen, sei es nur, um sicherzustellen, dass Teheran klar versteht, welche Interessen die internationale Gemeinschaft verfolgt. Doch Diplomatie allein wird nicht ausreichen, um die Aggression, die von Iran ausgeht, abwehren zu können.

Das Atomabkommen sieht vor, dass die Beschränkungen der Waffen- und Raketenprogramme Irans in wenigen Jahren enden werden. Es fällt schwer zu glauben, dass die Region stabiler sein wird, wenn Teheran die nötige Technologie für sein Raketenprogramm ohne Einschränkungen aus Russland kaufen kann. Oder wenn das Land schwere Waffen an die libanesische Hisbollah oder andere Stellvertreter verkaufen kann, die in der Region im Namen Irans kämpfen. Iran ist zudem von starken anderen Akteuren umgeben. Wie werden Tel Aviv oder Riad reagieren, wenn eine von Iran bereitgestellte Rakete der Hisbollah oder der Huthi Ziele in ihren Ländern zerstört?

Ein Argument der Europäer für den Vorrang der Diplomatie ist, dass sie ihre wirtschaftlichen Interessen in Iran schützen müssen. Irans Verhalten hat Investoren jedoch zunehmend abgeschreckt. Und es stellt sich die Frage, wie europäische Firmen Investitionen in einem Land rechtfertigen wollen, dessen Verhalten jederzeit zu wirtschaftlichen Sanktionen oder militärischen Auseinandersetzungen führen kann. Die Unternehmer werden feststellen, dass Handelsbeziehungen mit Iran ihnen eher schaden als nutzen. Firmen können den Wert ihrer Aktien am besten schützen, indem sie ihrem iranischen Partner mitteilen, dass die Geschäftsbeziehungen mit einem Land, das westliche Bürger verhaftet, nicht aufrechterhalten werden können. Ein solches Verhalten könnte auch die notwendige politische Debatte in Iran vorantreiben. Denn in ihrem Wunsch nach ausländischen Investitionen sind Irans Hardliner und pragmatische Konservative vereint.

Die USA und Europa müssen gemeinsam gegen Teheran vorgehen. Denn weil sie angenommen haben, Iran würde sich schon zum Guten verändern, waren sie es auch, die zugelassen haben, dass das Land wieder so aggressiv agiert.

Die Frage lautet daher jetzt nicht, ob neuer Druck auf Iran ausgeübt werden sollte. Sondern wann.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: