Außenansicht:Mit Trump leben

Charles Kupchan

Charles A. Kupchan, 58, ist Professor für Internationale Beziehungen an der Georgetown University. Von 2014 bis 2017 war er Sonderbeauftragter für Nationale Sicherheit von Präsident Barack Obama.

(Foto: Carolyn Kaster/AP)

Amerikas Verbündete sollten sich bemühen, die destruktiven Instinkte des US-Präsidenten Donald Trump zu bändigen.

Von Charles Kupchan

Donald Trump scheint nicht zu bremsen zu sein. Er mag das Iran-Atomabkommen nicht und riskiert daher, dass es scheitert. Weil der Kongress die Gesundheitsreform Obamacare nicht abschaffen will, ist er bereit, Subventionen für bedürftige Familien zu streichen. Seine nächsten Opfer könnten das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta und die Welthandelsorganisation WTO sein. Die Partner der USA sind verständlicherweise irritiert und fragen sich, ob es sich überhaupt noch lohnt, mit Trump zusammenzuarbeiten, oder ob sie ihn stattdessen nicht umgehen oder gar gegen ihn arbeiten sollten. Das Gefühl mag gerechtfertigt sein, so zu handeln wäre aber falsch. Die USA sind zu stark und einflussreich, um ignoriert oder isoliert zu werden.

Stattdessen sollten Amerikas Verbündete Bilanz ziehen. Sie sollten die harte Realität akzeptieren: Die Erwachsenen in der Umgebung Trumps können ihn nicht zähmen; seine Präsidentschaft wird wahrscheinlich schlimmer, nicht besser werden. Trotzdem sollten Freunde der USA mit Trump in Kontakt bleiben und sich bemühen, seine destruktiven Instinkte zu bändigen, anstatt ihm vor Wut und Frustration den Rücken zu kehren.

Gut möglich, dass Trump seinen Populismus noch weiter treibt. Wenn Demagogen stolpern, legen sie noch einen drauf. Und Trump ist genau das: ein stolpernder Demagoge. Seine lautstesten Versprechen - Gesundheitsreform, Infrastrukturprogramm, Grenzmauer nach Mexiko - lösten sich in Luft auf. Er kämpft gegen sein eigenes Kabinett, liegt mit der eigenen Partei im Clinch, stößt eine politische Leitfigur nach der anderen vor den Kopf und beleidigt sogar Witwen gefallener Soldaten. Die Unterstützung für ihn ist rapide gesunken. Noch kein Präsident war im ersten Jahr seiner Amtszeit so unpopulär wie Trump. Die Trump-Basis bleibt loyal, aber sie repräsentiert nur etwa ein Drittel der Wähler.

Da ihm das Vertrauen einer breiteren Wählerschaft fehlt, zieht sich Trump zu dieser Basis zurück; sie profitiert (bis jetzt) vom Zerfall der Republikanischen Partei. Republikaner der Mitte und sogar der rechten Mitte finden sich unter Beschuss. Kürzlich verprügelte ein evangelikaler Fanatiker während der Senats-Vorwahlen in Alabama den vom republikanischen Establishment unterstützten Amtsinhaber. Indessen forderte der ehemalige Berater des Präsidenten, Stephen Bannon, eine Säuberung der Partei zugunsten der extremen Rechten. Ob er es mag oder nicht - Trump ist der Rebellion populistischer Nationalisten verpflichtet; den Rest des Landes hat er größtenteils verloren.

Trump zieht es aber nicht nur aus Not, sondern auch aus Neigung zur extremen Rechten. Während Bannon, Sebastian Gorka und andere Ideologen aus dem Weißen Haus verbannt wurden, lebt Trumps eigener rassistisch gefärbter Nationalismus weiter. Seine unklare Reaktion auf Neonazi-Proteste in Charlottesville, seine Beleidigung von Einwanderern hispanischer Herkunft, sein Desinteresse an dem von Hurrikan Maria verursachten Leiden in Puerto Rico, sein wilder Angriff auf Football-Spieler, die während der Nationalhymne knien - das ist der wahre Donald Trump. Wie soll die internationale Gemeinschaft angesichts dieser Realität mit mindestens drei weiteren Jahren Trump umgehen?

Erstens sollten die Partner der USA sich aktiv mit Trump beschäftigen, um ihn so weit wie möglich zu beeinflussen. Trump sehnt sich nach Respekt und Akzeptanz; ihn zu meiden und zu isolieren, würde die Lage nur verschlimmern. Zudem könnte ein Engagement auch Ergebnisse liefern: Selbst wenn Trump politische Lösungen zerstören will, die er nicht mag, lässt er doch meist eine Hintertür offen.

Politiker müssen aufpassen, dass der Ärger über Trump nicht in Antiamerikanismus umschlägt

So hat er das Iran-Atomabkommen nicht einfach demontiert, sondern das Problem dem Kongress übergeben. Er verkündete zwar das Ende des "Dreamer"-Programms, das Menschen, die als Minderjährige illegal in die USA eingereist waren, eine Bleibemöglichkeit bietet - doch dann begann er einen Dialog mit den Demokraten über eine mögliche Erhaltung. Er erklärte, dass er die Subventionen für die Gesundheitsversorgung nach Obamacare kürzen will; doch kurz darauf ging er auf einen überparteilichen Versuch ein, die Finanzierung zu retten. Obwohl Trump seine Absicht, vom Pariser Klimaabkommen zurückzutreten, bereits angekündigt hat, können die USA formell nicht vor 2020 austreten, was Handlungsspielraum bietet.

Man wird wohl nie genau wissen, ob Trumps Stop-and-go-Stil auf angeborenem Wankelmut oder gewiefter Verhandlungsstrategie basiert. Jedenfalls bleibt eine Tür offen. Und durch diese Tür sollte man gehen. Vielleicht wird er den Iran-Deal aufrechterhalten und zum Pariser Klimaabkommen zurückkehren; vielleicht auch nicht. Aber einen Versuch ist es wert. Trump den Rücken zu kehren, bedeutet, seine schlimmsten Instinkte zu fördern.

Zweitens: Sich auf Trump einzulassen, heißt nicht, nach seiner Pfeife zu tanzen. Es bedeutet stattdessen, ihm vernünftige Positionen nahezubringen. Schafft man das nicht, sollte man nicht zurückweichen. Was Außenpolitik angeht, müssen Amerikas Verbündete den Iran-Atomdeal mit aller Kraft und um jeden Preis verteidigen; auch das Pariser Klimaabkommen muss der Rest der Welt am Leben erhalten, selbst wenn Trump es kündigt.

Vor allem Europa muss dafür sorgen, dass Trump liberale Normen und regelbasierte Institutionen nicht beschädigt. Trump wird nicht ewig regieren. Ziel muss es sein, dass der nächste amerikanische Präsident sein Amt nicht auf den Ruinen der westlichen Welt antreten muss.

Drittens müssen die Freunde der USA darauf achten, dass sich der Widerstand gegen Trump nicht in Antiamerikanismus verwandelt. Auch wenn der Ärger verständlich ist, auch wenn es für Politiker verführerisch sein mag, diesem Ärger das Wort zu reden - das Risiko besteht, dass sich demokratische Gesellschaften gegen die USA wenden. Wenn Regierungen weiterhin, so gut es eben geht, mit Trump arbeiten, wenn sie gleichzeitig den Kontakt zu Behörden, dem Kongress und Politikern in Bundesstaaten und Gemeinden suchen - momentan alles bessere Partner als das Weiße Haus -, dann müssen sie dafür sorgen, dass ihre eigenen Wähler die USA nicht vollends abschreiben. Sonst wäre die Hoffnung illusorisch, dass ein Gefühl von Solidarität und Gemeinschaft zwischen den atlantischen Demokratien erhalten bleibt.

Nimmt man Trumps Rede im September vor der UN ernst, dann will er uns alle in eine Welt zurückversetzen, in der jedes Land auf sich gestellt ist. Wir müssen dafür sorgen, dass er es nicht schafft.

Aus dem Amerikanischen von Alexandra Berlina.

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