Außenansicht:Kaiser der Kommunisten

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Xi Jinping hat mit dem 19. Volkskongress eine neue Ära für Partei und Land eingeläutet. Doch Modernisierung sieht anders aus.

Von Akio Takahara

Der 19. Kongress der Kommunistischen Partei Chinas ist beendet, und die zweite Xi-Jinping-Regierung hat begonnen. Betrachtet man die neuen Mitglieder des Zentralkomitees, so wird man schnell feststellen, dass alle älter als 60 Jahre sind, und man wird in ihren Reihen keine Vertreter der nächstjüngeren Generation finden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Herr Xi die Partei und das Land auch noch nach dem nächsten Kongress im Jahr 2022 führen wird, ist entsprechend hoch.

Nicht-demokratische Staatsordnungen zeichnen sich gern durch einen Mangel an Nachfolgeplanung aus. Unter Xis Vorgänger Hu Jintao wurden die Zentralkomitee-Mitglieder des Politbüros per Abstimmung gewählt, und es wurde als Meilenstein der Demokratisierung der Partei gefeiert. Unter Xi geht es einen Schritt zurück: Die neue Riege wurde aufgrund von Einzel-Interviews mit 258 Kandidaten ausgewählt. Als Bemessungsgrundlage galt, wie weit Kandidaten die Autorität des Zentralkomitees stützen und wie viel Gehorsam sie der Führung zollen. Xi selbst soll persönlich Befragungen von 57 Personen geführt haben, einschließlich derzeitiger und ehemaliger Mitglieder. Als Ergebnis bleibt ein mit früheren Untergebenen von Xi Jinping durchsetztes Politbüro.

Auf diesem Parteikongress wurde das Buch "Xi Jinping, Gedanken zum Sozialismus mit chinesischen Merkmalen für eine neue Ära" vorgestellt, seit Mao Zedong die erste Wegleitung aus der Feder des regierenden Staatspräsidenten. Innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas hat Xi überwältigende Autorität erlangt, gefördert von einer Vergötterung wie einst bei Mao während der Kulturrevolution, einschließlich großer Fotos auf der Titelseite der Parteizeitung People's Daily. Kollektive Führung wurde zur Formsache reduziert, die Post-Mao-Ära ist hiermit beendet, wir sehen den Anfang der Ära eines konkurrenzlosen Xi.

In Sachen Parteidoktrin schlägt Xi eine Neudefinition des "Hauptwiderspruchs" für das chinesische Volk vor. Nach alter Lesweise war es der Widerspruch zwischen den wachsenden materiellen und kulturellen Bedürfnissen des Volkes und der rückständigen gesellschaftlichen Produktion. Xi sagt jetzt, die Menschen seien nunmehr konfrontiert mit "dem Widerspruch zwischen unausgewogenem und unangemessenem Fortschritt und den ständig wachsenden Bedürfnissen der Menschen nach einem besseren Leben". Das Streben der Menschen nach einem besseren Leben sei nicht nur materiell und kulturell geprägt, sagt Xi. Sie wünschten auch Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Fairness und Gerechtigkeit, Sicherheit und eine bessere Umwelt. Mit solcherart Problembewusstsein lässt es sich durchaus anfreunden, trotz der fehlenden Lösungen für die wahren Hauptwidersprüche, wie Einkommensverteilung und die Verwirklichung von bürgerlichen Rechten.

In der Kommunistischen Partei hat Xi eine überwältigende Autorität erlangt

Augenfällig an dem Kongress war die Stärkung der Parteikontrolle. Dies verweist auf einen ganz eigenen Hauptwiderspruch: Ein machtvoller Parteiapparat lässt sich schwer mit Modernisierung und Reformen in Einklang bringen. In einem China mit Transparenz, Demokratisierung und offenen Märkten würde die Macht der Partei zwangsläufig schwinden. Das kann zu Rückschlägen führen, wenn die Partei versucht, verlorene Macht zurückzuerobern, möglicherweise im wirtschaftlichen Bereich, über in Konzernen angesiedelte Parteizellen, die aktiv ins Management eingreifen.

Modernisierung kommt im gewissem Sinn einer Verwestlichung gleich, und Chinas Partei reagiert empfindlich gegenüber ausländischen Einflüssen auf die chinesische Gesellschaft. Ein Beispiel dafür ist die Religionspolitik. In den vergangenen zwei Volkskongressen hat sich die Partei für proaktive Rollen aller gesellschaftlich dienlichen Religionen eingesetzt. Der neue Kongress fügte jedoch hinzu, dass man fest auf eine "Sinisierung" der Religion bestehen wird, und auf den offiziellen Druck, Religion mit einer sozialistischen Gesellschaft vereinbar zu machen.

Angesichts Chinas wachsender Stärke und einer eher nach innen ausgerichteten US-Regierung hat sich Xi damit angefreundet, internationale Beziehungen zu knüpfen. Während des Besuchs von Präsident Trump begrüßte ihn Xi in der Verbotenen Stadt, und er erlaubte Trump, sich einen 25-Milliarden-Dollar-Deal als eigenen Verdienst zuzuschreiben. In der Folge hielt Trump seine Rage gegenüber China unter Verschluss und vermied jede direkte Kritik an Xi. Es mag an der Unerfahrenheit des neuen US-Präsidenten auf dem diplomatischen Parket liegen, aber viele Beobachter können nicht umhin, im Vergleich zu früheren Gipfeltreffen eine gewisse Verschiebung des amerikanisch-chinesischen Kräfteverhältnisses festzustellen.

Bei seinem Folgebesuch in Südostasien vermied Trump denn auch, sich mit heiklen Fragen in Sachen Südchinesisches Meer auseinanderzusetzen. Die jetzige US-Regierung mag häufiger als die unter Obama sogenannte "Freedom of Navigation"-Übungen (Freiheit der Seeschifffahrt) durchexerzieren, dennoch erweist sich Trump nicht als immer verlässlicher Partner in dieser Angelegenheit. Auf dem 31. Asean-Gipfel unterblieb jedwede Kritik an Chinas eindeutigem Verstoß gegen das Völkerrecht im Südchinesischen Meer.

Trotz diplomatischer Großoffensive zeigt sich Chinas als anfällig, wenn es um Nordkoreas Atom- und Raketenprogramme geht. In Ermangelung einer eigenen Lösung, und um den Druck auf Pjöngjang zu erhöhen, unterstützt China derzeit das Sanktionsregime der Vereinten Nationen unter der Führung der USA, und das trotz der in Peking gepflegten Ansicht, dass dies kein Ausweg aus der jetzigen Pattsituation sein kann. Regierungsintern finden hitzige Diskussionen statt über gangbare Optionen für den Fall, dass die Pattsituation bleibt. In Ermangelung einer mittel- bis langfristigen Perspektive bleiben wenig Chancen, dass sich Xi eines anderen besinnt und sich einer harten Linie zuwendet, wie zum Beispiel dem Abbruch von Nahrungsmittel- oder Treibstofflieferungen nach Nordkorea.

Mit einer grundlegenden Vereinbarung zwischen den elf Ländern der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) nach dem Ausstieg der Trump-Regierung aus dem Vertragswerk hat Japan einen wichtigen ersten Schritt getan. Angesichts der sich verändernden Dynamik in China und den USA werden Japan und Deutschland zu gemeinsamen Weggefährten. Sie müssen die Bevölkerung der USA und Chinas von der Wichtigkeit von Freihandel und Rechtsstaatlichkeit überzeugen. Und sie müssen sich mit Ländern austauschen, in denen solche Werte noch gelten.

© SZ vom 02.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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