Außenansicht:Frieden durch Pragmatismus

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Bernt Berger, 48, leitet das Asien-Programm der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Er ist Experte für internationale Konfliktlösungsprozesse. (Foto: Philipp von Recklinghausen/DGAP)

Das Treffen zwischen Trump und Kim hat gezeigt: Die Denuklearisierung Nordkoreas ist möglich - aber ein mühsamer Prozess. Denn die Beteiligten haben sehr verschiedene Vorstellungen davon, was der Kern des Atomdeals sein müsste.

Von Bernt Berger

Zum Glück hat sich das Verhältnis zwischen Nordkorea und den USA verbessert - doch der Weg zu einem dauerhaften Frieden ist noch lang; vor allem, weil beide Seiten sehr unterschiedliche Erwartungen an diesen Prozess haben.

In der Absichtserklärung nach dem Treffen von US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un von Singapur im Juni wurde eine gute Grundlagen für weitere Verhandlungen über einen Friedensprozess gelegt. Vor dem Gipfel bestand noch die Befürchtung, dass die gegenwärtige Initiative an zu optimistischen Einschätzungen scheitern könnte. So waren die USA bislang von dem Missverständnis ausgegangen, Nordkorea würde sein Atomprogramm gegen Wirtschaftshilfe eintauschen.

Angesichts der Anforderungen eines diplomatischen Prozesses war das unter Verantwortung von US-Außenminister Mike Pompeo tätige Verhandlungsteam mit einer steilen Lernkurve konfrontiert. Trotz der Brachialstrategie des maximalen Drucks bewiesen die Unterhändler wie Botschafter Sung Kim einen neuen Pragmatismus, der nun ausreichenden Raum für einen Konfliktlösungsansatz lässt. Die gemeinsame Absichtserklärung von Singapur kann den Weg für eine folgerichtige Neuorientierung des Verhandlungsprozesses ebnen. Sie hebt sich von vorangegangenen Abkommen ab, indem sich die beiden Konfliktparteien prinzipiell verpflichten, einen Friedensprozess auf Augenhöhe anzugehen. Strukturell sind die direkten diplomatischen Verhandlungen zwischen den USA und Nordkorea ein vielversprechender Neuanfang. Seit 1991, nach den politischen Umwälzungen in der Sowjetunion, war es ein Anliegen der Regierung in Pjöngjang, die Beziehungen mit den USA zu normalisieren. Für die innerkoreanische Annäherung sind direkte Verhandlungen und Vertrauensbildung zwischen den USA und Nordkorea weniger schwierig, als es lange die Verhandlungen zwischen Nord- und Südkorea waren.

Das Abschlussdokument von Singapur bietet nun ausreichend Spielraum für beide Parteien, einen stufenweise aufgebauten Zeitplan mit wechselseitigen Verhandlungsschritten zu entwickeln. Zentrale Punkte wie die Denuklearisierung und Sicherheitsgarantien wurden sprachlich so abgeschwächt, dass sie als Maximalforderungen anstehende Verhandlungen nicht von vornherein behindern.

Dennoch kam es auf dem ersten Arbeitstreffen nach den Gipfel in Pjöngjang zu erneuten Missstimmigkeiten. Wahrscheinlich aus innenpolitischem Kalkül versuchte Pompeo, das Prinzip der wechselseitigen kleinen Schritte aufeinander zu hin zu den alten Verhandlungsmustern umzudeuten. Die USA versuchten, die Gespräche wieder um die Maximalforderung der vollständigen, verifizierbaren und unumkehrbaren Denuklearisierung engzuführen, statt ein Rahmenprogramm für einen Friedensprozesses zu verhandeln. Nordkorea würde für seine Schritte mit wirtschaftlichen Anreizen belohnt.

Aber für Nordkorea ist das Atomprogramm ein Druckmittel in den Verhandlungen - und nicht die primäre Verhandlungsmasse. Nach einer Normalisierung der Beziehungen und dem Aufbau eines Friedensregimes, das Nordkoreas Sicherheitsbedürfnisse deckt, sieht sich Pjöngjang bereit, sein Atomprogramm abzubauen. Die Erwartungen der USA sind da genau entgegensetzt zu denen Nordkoreas. Eine Denuklearisierung findet nach deren Vorstellungen vorzugsweise vor einem Friedensabkommen und einer Normalisierung statt. Daher ist eine beidseitig akzeptable Struktur umso wichtiger - und deshalb ist es auch so schwierig, für einen zukünftigen Friedensprozess einen Rahmen für die Verhandlungen zu schaffen und sich auf einen Ablauf für die Umsetzung vereinbarter Schritte zu einigen.

Für die Schritte der Denuklearisierung, Sicherheitsbildung und für den Aufbau einer Friedensordnung muss ein klarer Zeitplan verhandelt werden. Daneben sollten zusätzliche Prozesse auf regionaler Ebene andere Interessenvertreter wie China einbeziehen. Bereits die Verhandlung eines solchen Rahmens wird sich als sehr zeitintensiv erweisen. Daher sollten die geplanten Arbeitsgruppen, die innerhalb des gesteckten Rahmens detaillierte Schritte erarbeiten werden, nicht so schnell zusammentreten, wie das derzeit vorgesehen ist.

Um falschen Annahmen vorzubeugen, muss sich die US-Regierung auch die Frage stellen, was die eigentliche Verhandlungsmasse wirklich ist. Nordkorea betrachtet den Abbau von Bedrohungspotenzial und den Aufbau eines Friedensregimes mittels Sicherheitsmechanismen als den tatsächlichen Verhandlungsgegenstand, den die USA einbringen können. Die bisherige Politik des maximalen Drucks leistet hier keinen Beitrag. Sie hilft weder, die Beziehungen zwischen den Ländern zu normalisieren, noch Vertrauen aufzubauen. Eine Ausstiegsstrategie aus der Sanktionspolitik inklusive entgegenkommender Schritte Nordkoreas ist notwendig. Außerdem sollten die USA einen Chefunterhändler benennen - um die zukünftigen Verhandlungen von ihrer symbolischen Überlastung zu befreien und protokollarisch zu vereinfachen.

Zum Aufbau eines dauerhaften Friedens gehört es, auf Provokationen zu verzichten und eine militärische Kooperation aufzubauen. Es braucht Transparenzmechanismen, Moratorien für Militärmanöver und Raketentests - und am Ende sollte ein rechtlich fundierter Friedensvertrag stehen. Da letzterer das existierende Waffenstillstandsabkommen ersetzen würde, bedarf es auch der Einbeziehung Chinas.

Die Denuklearisierung Nordkoreas ist ein langjähriger Prozess. Es muss der Ablauf festgelegt werden, die jeweiligen Schritte müssen so dokumentiert werden, dass auf beiden Seiten Misstrauen abgebaut wird. Für die Stilllegung von Anlagen zu Anreicherung von Uran braucht es ein Verifikationsverfahren mit von beiden Seiten akzeptierten Beobachtern. Der wahrscheinliche Umbau zur zivilen Nutzung bedarf enger Zusammenarbeit und Vorbereitung. Um Bedenken über die Einhaltung internationaler Normen auszuräumen, sollte Nordkorea wieder dem Nichtweiterverbreitungsvertrag oder dem Atomwaffensperrvertrag beitreten.

Ein Deal, in dem Nordkorea sein Atomwaffenprogramm gegen die Aussicht auf wirtschaftliche Entwicklung nach vietnamesischem Modell eintauscht, war zu jedem Zeitpunkt unrealistisch. Der lang anhaltende Konflikt, das mangelnde Vertrauen und interne Zwänge Nordkoreas bedürfen eines langwierigen Prozesses. Die Frage bleibt, ob die US-Regierung diesen Weg gehen will. Er ist mühsam. Doch alle Alternativen sind schlechter.

© SZ vom 31.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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