Außenansicht:Die Tragik des Südsudan

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Henrik Maihack, 33, ist Politikwissenschaftler. Seit 2016 leitet er das Projekt der Friedrich-Ebert-Stiftung im Südsudan. (Foto: oh)

Der Bürgerkrieg in der jungen Nation wird immer brutaler. Eine internationale Friedensinitiative ist nötig.

Von Henrik Maihack

Die Unabhängigkeit des Südsudan wurde 2011 von großen Hoffnungen begleitet. Die Sympathie fast der ganzen Welt war mit dem jüngsten Staat der Welt. Jetzt versinkt das Land in einem grausamen Bürgerkrieg, ein Ende ist nicht abzusehen. Es gibt zwar ein Friedensabkommen, das die Macht zwischen beiden Kriegsparteien teilen soll. Nach den Gefechten in der Hauptstadt Juba im Juli 2016 zwischen den Soldaten des Präsidenten Salva Kiir und den Kämpfern des ehemaligen Vizepräsidenten Riek Machar ist das Abkommen praktisch gescheitert. Machar und seine Kämpfer sind aus Juba geflüchtet. Die Regierungsarmee kämpft nun gegen eine Koalition aus Machars Soldaten und mit ihm lose verbündeten Rebellengruppen. Die Regierungsarmee bereitet sich auf eine militärische Offensive vor.

Schon seit Juli greifen die Kriegsparteien zunehmend gezielt die Zivilbevölkerung an. Diese Angriffe werden weiter zunehmen. Die Situation veranlasste den Sonderbotschafter der Vereinten Nationen, Adama Dieng, jüngst zu der Warnung, dass die Gewalt entlang ethnischer Linien außer Kontrolle geraten sei und das Risiko für einen Genozid berge. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon warnte vor "massiven Gräueltaten" im Südsudan. Der Flüchtlingsstrom in die Nachbarländer reißt nicht ab. Mehr als eine Million Menschen sind bereits in Nachbarländer geflohen. Das Flüchtlingscamp Bidibidi in Norduganda ist mit mehr als 200 000 Flüchtlingen binnen weniger Monate zum drittgrößten Flüchtlingslager der Welt geworden. Im Südsudan befinden sich mehr als 200 000 Menschen in sechs Schutzzonen der Vereinten Nationen. Diese Menschen sind auf den Schutz der mehr als 12 000 im Südsudan stationierten Blauhelme der UN angewiesen, die ihre Aufgabe bisher jedoch nur mangelhaft erfüllen können. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung sind dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Was ist im Südsudan falsch gelaufen? Schon kurz nach der Unabhängigkeit wurde klar, dass es der Regierung in Juba nicht gelingen würde, sich von ihrer militärischen Vergangenheit im sudanischen Krieg vor der Unabhängigkeit zu emanzipieren. Politische Konflikte um Macht und Ressourcen, vor allem um die Einnahmen aus den Ölexporten, wurden nicht friedlich, sondern weiterhin mit militärischen Mitteln ausgetragen. Politische Eliten schreckten dabei auch nicht davor zurück, einzelne Ethnien für ihre Zwecke zu mobilisieren. Inzwischen hat die bewusste ethnische Aufstachelung längst ein beängstigendes Ausmaß angenommen. Keine der Konfliktparteien kann diese Dynamik mehr kontrollieren.

Hinzukommt, dass das beliebteste Mittel der Regierung gegen Rebellionen nicht mehr zur Verfügung steht. Bisher hatte man stets versucht, mit Öl-Geld bewaffnete Aufständische zu alimentieren, damit die Gewalt aufhört. Damit verbunden war meist das Angebot, die Rebellen in die aufgeblähte Regierungsarmee zu integrieren. Der geringe Ölpreis und der Kollaps der Wirtschaft aufgrund des Bürgerkrieges haben dieses Vorgehen inzwischen unmöglich gemacht. Auch die internationale Staatengemeinschaft konnte nicht viel erreichen. Man hatte gehofft, allein durch technische Hilfe einen neuen Staat fast im Alleingang aufbauen zu können. Diese politisch unsensible Herangehensweise hat nicht funktioniert.

Umso größer ist heute die Ratlosigkeit. Inzwischen kämpft eine Vielzahl von bewaffneten Gruppen für unterschiedliche Ziele, oft entlang ethnischen Linien. Die Regierungsarmee verfolgt Anhänger von Machar und die ihm verbundenen Rebellengruppen im ganzen Land. Ihre Brutalität lässt die Opposition zum Regime in Juba wachsen. Aus der Regierungsarmee desertierte und mit Machar verbündete Kommandeure greifen Stellungen der Regierung an. Lokale Milizen kämpfen vor allem im Süden für Autonomie und zur Selbstverteidigung. Von allen diesen Kämpfen ist die Zivilbevölkerung direkt betroffen. Ganze Dörfer im Süden des Landes werden von der Regierung pauschal der Unterstützung der Rebellen beschuldigt, deren Bewohner von der Regierungsarmee angegriffen. Rebellengruppen rächen sich gezielt an Zivilisten der ethnischen Gruppe des Präsidenten. Andere Dorfmilizen versuchen einfach nur sowohl Armee als auch Rebellen abzuwehren. Die Rhetorik zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen wird immer aggressiver. Die Blauhelme der UN sind überfordert und werden von der Regierung bei der Umsetzung ihres Mandats behindert.

Die ganze Region braucht ein Regelwerk zur Beilegung von Konflikten

Was kann die Weltgemeinschaft noch tun? Der Pessimismus ist groß. Es droht ein langwieriger Bürgerkrieg mit Tausenden zivilen Opfern. Besonders wichtig wäre, dass das bestehende Mandat der vom Südsudan stationierten Blauhelme besser umgesetzt wird, sodass sie die Zivilbevölkerung endlich effektiv schützen können. Derzeit werden die Blauhelme durch die Regierung und durch unklare Anweisungen aus den verschiedenen Heimatländern der Blauhelme davon abgehalten. Beides muss sich ändern.

In einem Land von der Größe Frankreichs kann jedoch auch die effektivste Blauhelmmission nicht alleine für Frieden sorgen. Wichtig wäre daher ein neuer Anlauf für einen Friedensprozess, der sich diesmal nicht exklusiv an den Präsidenten und den ehemaligen Vizepräsidenten richtet, sondern die verschiedenen Rebellengruppen und zivile Akteure einbindet. Dabei müssen auch die wirtschaftlichen Anreize für den bewaffneten Kampf mitgedacht werden. Wo sollen die vielen Bewaffneten künftig ein Auskommen finden? Wie können die Staatseinnahmen gerechter und dezentraler verteilt werden? Ein solcher Friedensprozess kann nur mit den Nachbarländern verwirklicht werden, die internationale Gemeinschaft müsste ihn unterstützen. Der Einfluss der Nachbarn wie Uganda, Äthiopien, Sudan und Kenia im Südsudan ist erheblich. Was bisher fehlt, ist ein verlässliches System gemeinsamer Sicherheit in der Region, in dem die wichtigsten Kräfte nach verlässlichen Regeln Konflikte friedlich beilegen können. Ein in der Region abgestimmtes Vorgehen im Südsudan könnte hierfür als Grundlage dienen.

Eine nur auf die Hauptstadt zielende Krisendiplomatie wird hingegen genauso wenig die Gewalt beenden wie der Vorschlag einiger Experten, das Land in ein internationales Protektorat zu verwandeln und damit die Regierung zu entmachten. Zu lange hat die Regierung in Juba für Souveränität gekämpft, um diese wieder friedlich abzugeben. Der internationalen Gemeinschaft wird bald die Frage gestellt werden, was sie noch unternehmen kann, um die Gewalt im Südsudan zu stoppen. Die Zeit für die Suche nach Antworten ist jetzt.

© SZ vom 06.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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