Gestern besuchte er überraschend die libyschen Rebellen in Bengasi, jetzt ist Außenminister Guido Westerwelle nach Israel und in die Palästinensergebiete gekommen, zu Gesprächen über den Nahost-Friedensprozess. Entwicklungsminiser Niebel reist mit - beschränkt sich auf technische Fragen wie die Wasserversorgung im Gaza-Streifen. "Der Stillstand ist gefährlich": Außenminister Guido Westerwelle hat bei seinem Treffen mit Israels Premier Benjamin Netanjahu (re.) zu mehr Verhandlungsbereitschaft gegenüber den Palästinensern aufgerufen. "Wir sind in einer Lage, wo wir unseren guten Freunden in Israel sagen können und auch sagen müssen: zeigt mehr Flexibilität", so Westerwelle in Jerusalem.
Ziel von Westerwelles Besuch ist es, wieder Bewegung in den festgefahrenen Nahost-Friedensprozess zu bringen. Gemeinsam mit Israels Außenminister Avigdor Lieberman (li.) versucht der deutsche Außenminister, Spielräume für weitere Nahost-Verhandlungen auszuloten.
Westerwelle traf auch mit Vertretern der Paläsinenser zusammen, so wie hier in Ramallah mit Premierminister Salam Fajad. Deutschland rate den Palästinensern davon ab, wie geplant im September einseitig einen eigenen Staat auszurufen. "Die deutsche Regierung ist der Ansicht, dass einseitige Schritte sehr kontraproduktiv wären", sagte Westerwelle nach dem Gespräch. Dies beträfe sowohl die einseitige Ausrufung eines Palästinenserstaates als auch die Fortsetzung der israelischen Siedlungspolitik.
Fajad reagierte auf die deutsche Warnung vor einseitigen Schritten zurückhaltend. Sicher sei nur, "dass im September die Vollversammlung ist und wir dorthin gehen werden", sagte er. Die Palästinenser streben die Anerkennung des Palästinenserstaates durch die Vereinten Nationen an. Sie wollen dies bei der UN-Vollversammlung im September zur Abstimmung stellen und haben in den vergangenen Monaten die Unterstützung zahlreicher Staaten für ihre Initiative erhalten.
Premierminister Fajad bedankte sich bei Westerwelle für die deutsche Unterstützung beim Aufbau staatlicher Strukturen in den Palästinensergebieten. Ein Beispiel ist das mit Hilfe der deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) aufgebaute elektronische Personenstandsregister, das Westerwelle in Ramallah gemeinsam mit dem Innenminister der palästinensischen Gebiete, Said Abu Ali (re.), per Knopfdruck in Betrieb nahm.
Am Morgen hatte Westerwelle die Auguste-Victoria-Stiftung der evangelischen Kirche auf dem Ölberg bei Jerusalem besucht. Die Aussicht von dem dortigen Turm ermöglicht einen Überblick über den Stand des israelischen Siedlungsbaus in Ost-Jerusalem, auch die umstrittenen Sperranlagen zwischen Israel und den Palästinensern sind von dort aus gut sichtbar.
Auch Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) ist derzeit auf Nahost-Reise. Er führte aber keine politischen Gespräche, sondern beschränkte sich auf technische Fragen. Im Gaza-Streifen informierte er sich über die Arbeit des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge. So fehlten etwa Anlagen für die Wasserversorgung sowie für die Entsorgung von Abwasser. Auch beim Aufbau von Verwaltungsstrukturen sowie Bildungseinrichtungen werde Deutschland Hilfe leisten. Vor einem Jahr war Niebel die Einreise in den Gaza-Streifen noch mit der Begründung verweigert worden, die dort herrschende radikalislamische Hamas nutze Besuch ausländischer Politiker zu Propagandazwecken aus.
Bereits am Montag waren Westerwelle und Niebel zu einem Überraschungsbesuch in der libyschen Rebellenhochburg Bengasi eingetroffen. Dort trafen bei beiden Minister Vertreter des Übergangsrates.
Westerwelle und Niebel, hier gemeinsam mit einem libyschen Mädchen, wollten mit ihrem Besuch ein Zeichen für die Unterstützung der Rebellen setzen. Sie betonten, dass Deutschland die Regierung der Gaddafi-Gegner als legitime Vertretung des libyschen Volkes anerkenne.
Aus Sicherheitsgründen war die Reise vorher nicht angekündigt worden. Westerwelle reiste an Bord einer Bundeswehr-Maschine, die auch Hilfsgüter nach Bengasi lieferte.
Mittlerweile hat Libyens Machthaber Gadaffi auf den Westerwelle-Besuch reagiert: Tripolis betrachte dies als "unverantwortlichen Schritt" sowie als "eklatante Verletzung der nationalen Souveränität und Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates und UN-Mitgliedslandes", hieß es in einer Erklärung, die vom libyschen Außenministerium veröffentlicht wurde. Am Rande einer Schachpartie mit dem Chef des Weltschachverbandes, Kirsan Iljumschinow, forderte Gaddafi außerdem ein Ende der Nato-Angriffe und erklärte einmal mehr seine Gesprächsbereitschaft.