Die SPD unternimmt einen weiteren Versuch, den früheren Berliner Finanzsenator und heutigen Buchautor Thilo Sarrazin aus der Partei auszuschließen. Eine Untersuchungskommission der SPD sei zu dem Schluss gekommen, "dass Sarrazin Thesen propagiert, die mit den Grundsätzen der SPD unvereinbar sind und der Partei schweren Schaden zufügen", sagte Generalsekretär Lars Klingbeil am Montag. Deshalb habe der SPD-Vorstand entschieden, ein neues Parteiordnungsverfahren einzuleiten.
Gegen Sarrazin waren bereits zweimal Parteiordnungsverfahren angestrengt worden. Das erste Verfahren im Jahr 2010 blieb erfolglos. Damals ging es um ein Interview in der Zeitschrift Lettre International, in dem Sarrazin unter anderem gesagt hatte: "Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate." Das zweite Verfahren endete 2011 mit einem Vergleich. Sarrazin versicherte, dass er weder Migranten diskriminieren noch sozialdemokratische Grundsätze verletzen wollte - dafür wurden die Ausschlussanträge gegen ihn zurückgezogen. Anlass damals war Sarrazins Buch "Deutschland schafft sich ab".
Im Sommer dieses Jahres begann die Debatte über Sarrazin dann aber erneut. Anlass war sein neues Buch: "Feindliche Übernahme: Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht". Im August forderte die SPD Sarrazin deshalb auf, von sich aus die Partei zu verlassen. In einer "Erklärung" des SPD-Präsidiums hieß es damals, die von Sarrazin in seinem Buch aufgestellten Thesen und Ansichten würden von der SPD nicht geteilt. Das Präsidium lehne "die dort vertretenen Positionen ausdrücklich ab". Die Demokratie lebe zwar "von einem breiten Meinungsspektrum und die Freiheit der Meinung ist für sie schlicht konstitutiv". Aber sie habe auch Grenzen - "allgemeine, verfassungsrechtliche und für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auch besondere Grenzen". Es gehöre etwa zum Selbstverständnis von Sozialdemokraten, sich "allen menschenfeindlichen Bestrebungen zu widersetzen und entgegenzustellen". Wer wie Sarrazin "dieses Selbstverständnis nicht (mehr) mittragen will, sondern Menschen pauschal diffamiert und damit bei anderen massive Ängste schürt, sollte sich eine andere politische Heimat suchen". Doch Sarrazin lehnte einen Austritt ab, er ist bereits seit 1973 SPD-Mitglied.
Auch am Montag reagierte Sarrazin demonstrativ gelassen. Der Beschluss des SPD-Vorstands sei "Teil des innerparteilichen Machtkampfes um die künftige Linie der SPD", sagt er dem Tagesspiegel. Er sei nicht überrascht von der Entscheidung und warte nun in Ruhe ab, "was der SPD-Vorstand mir schreiben wird".
Der Ausschluss ist die schärfste Sanktion gegen Parteimitglieder, für ihn gelten hohe Hürden. Ein Ausschluss ist nur möglich, wenn das Mitglied "erheblich gegen die Grundsätze oder die Ordnung der Partei verstoßen hat und dadurch schwerer Schaden für die Partei entstanden ist".