Ausrüstungsskandal:Die Bundeswehr hat untaugliche Gewehre

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Die Verteidigungsministerin räumt Materialfehler bei der Standardwaffe G 36 ein: Bei Überhitzung ist diese nicht treffsicher.

Von Robert Roßmann, Berlin

In der Bundeswehr gibt es schon wieder einen Ausrüstungsskandal. Am Montag musste die Regierung einräumen, dass das Standardgewehr der Truppe nicht treffsicher ist. Es handelt sich um das G36, ein Sturmgewehr der Firma Heckler& Koch. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte, das G36 habe "offenbar ein Präzisionsproblem bei hohen Temperaturen, aber auch im heißgeschossenen Zustand". Dies zeige eine von ihr in Auftrag gegebene Untersuchung. Der Abschlussbericht stehe zwar noch aus. Aber die bisher vorliegenden Bewertungen würden "in eine eindeutige Richtung" weisen.

Da das Sturmgewehr auch bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr benutzt werde, habe sie bereits am Sonntagabend den Militärischen Führungsrat in ihr Ministerium gerufen, um über Konsequenzen zu beraten, sagte von der Leyen. Der Generalinspekteur habe dann am Montag schriftlich alle Dienststellen der Bundeswehr über das Problem informiert. Noch in dieser Woche werde er eine Weisung mit "konkreten taktischen und operativen Vorgaben" für die Soldaten erlassen, wie diese künftig mit dem Gewehr umgehen sollen.

Wenn auch der Abschlussbericht vorliege und ausgewertet sei, werde ihr Ministerium "notwendige weitere Konsequenzen ziehen". Das schließe die Frage ein, ob und inwieweit die Truppe "auf mittlere Sicht mit einem anderen Sturmgewehr ausgerüstet werden muss".

Von dem Mangel beim Gewehr sind derzeit vor allem die deutschen Soldaten in Mali oder am Horn von Afrika betroffen. In Afghanistan ist es momentan nicht so heiß. Das gilt auch für die anderen Einsatzorte. Die Bundeswehr hat seit Mitte der neunziger Jahre 176 000 solche Gewehre gekauft. Es werden aber nicht mehr alle genutzt. 8000 Stück wurden an die kurdischen Peschmerga verschenkt, die gegen die Terrormiliz Islamischer Staat kämpfen. Wenn das G36 wie von der Bundeswehr in großer Stückzahl beschafft wird, kostet es nach Angaben aus dem Verteidigungsministerium weniger als 2000 Euro.

In dem Schreiben des Generalinspekteurs an die Truppe heißt es, Präzisionseinschränkungen des G36 seien "bei schussinduzierter Erwärmung und durch Änderungen der klimatischen Umweltbedingungen aufgetreten". Sie seien beim Einsatz mit allen untersuchten Munitionsarten festgestellt worden. Es gebe deshalb "eindeutig eine Fähigkeitslücke". Im Verteidigungsministerium wurde darauf verwiesen, dass bei der Erstbeschaffung des G36 vor 20 Jahren noch nicht an Auslandseinsätze in heißen Regionen gedacht worden sei. Um Gewicht zu sparen, seien in dem Gewehr viele Kunststoffteile verbaut. Dies sei offenbar ein Teil des Problems.

Der Verteidigungsexperte der SPD, Rainer Arnold, sagte der SZ, es sei offensichtlich, dass in dem Fall trotz vieler Indizien "jahrelang beschwichtigt wurde". Dass ein Sturmgewehr ungenauer werde, wenn es heißgeschossen werde, sei klar. Es dürfe aber seine Zielgenauigkeit nicht nur deshalb verlieren, weil es in der Sonne eingesetzt werde. Der Hersteller Heckler&Koch erklärte am Abend, der Vorwurf, das G36 sei nicht treffsicher, widerspreche diametral eigenen Prüfungen.

© SZ vom 31.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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