Die eilige Auslieferung einer deutschen Person aus der linken Szene nach Ungarn ist unrechtmäßig gewesen. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden. Deutschland hatte die non-binäre Person im Juni vergangenen Jahres den ungarischen Behörden übergeben, obwohl das Bundesverfassungsgericht dies in einer einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt hatte. Doch der Beschluss aus Karlsruhe kam eine knappe Stunde zu spät – die Übergabe an die ungarischen Behörden war bereits erfolgt.
In dem Verfahren geht es um eine Jena geborene Person, die sich selbst als non-binär identifiziert und in der linken Szene als „Maja“ bekannt ist. Ihr Anwalt kritisiert unter anderem die Haftbedingungen in Ungarn. „Maja“ sitze in Isolationshaft. Die Auslieferung verletze „Maja“ in ihren Grundrechten, entschied das Bundesverfassungsgericht. Das Berliner Kammergericht, das die Überstellung nach Ungarn für zulässig erklärt hatte, habe nicht ausreichend geprüft, welche Haftumstände sie in Ungarn erwarten.
Der Klägerin wird in Ungarn vorgeworfen, im Februar 2023 gemeinsam mit weiteren Personen vermeintliche Sympathisanten der rechtsextremen Szene in Budapest angegriffen zu haben. Sie soll seit 2017 einer linksextremen Gruppe angehören. Sie wurde im Dezember 2023 in Berlin festgenommen. Derzeit befindet sie sich in einem ungarischen Gefängnis.
Das Urteil ist auch politisch brisant, weil das Bundesverfassungsgericht den schriftlichen Zusagen der ungarischen Behörden ausdrücklich nicht glaubt, dass non-binäre Personen keine Diskriminierung oder Gewalt in ungarischen Gefängnissen zu fürchten haben. Die Klägerin hatte sich mit Hinweis auf ihre Geschlechtsidentität auf Artikel 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) berufen. Das Verfassungsgericht kommt nun zu dem Schluss, dass das Kammergericht die Lage nicht ausreichend geprüft habe. „Insbesondere hat es die Haftumstände, die die beschwerdeführende Person in Ungarn erwarteten, nicht hinreichend aufgeklärt“, teilte das Gericht mit. Ob Deutschland nun die Rücküberstellung beantragt, ist noch unklar.