Auslandseinsätze der Bundeswehr:Ex-Verteidigungsminister Rühe will Ausnahmen bei kleinen Missionen

  • Eine Kommission unter Leitung des ehemaligen Verteidigungsministers Rühe (CDU) hat Empfehlungen für künftige Auslandseinsätze der Bundeswehr vorgelegt.
  • Demnach soll der Einsatz deutscher Soldaten auch künftig vorher vom Bundestag genehmigt werden. Bei kleinen Missionen ohne Kampfhandlungen könnten die Rechte des Parlaments allerdings eingeschränkt werden.

Bundestag soll Zustimmungsrecht behalten

Der Bundestag soll auch künftig bei Auslandseinsätzen der Armee das letzte Wort haben. Das ist der Kern des neuen Konzepts für Bundeswehr-Missionen, das eine Experten-Kommission unter Leitung des früheren Verteidigungsministers Volker Rühe (CDU) jetzt vorgelegt hat.

Bisher muss das Parlament einer Entsendung deutscher Soldaten in jedem Einzelfall zustimmen - selbst dann, wenn, wie etwa derzeit im Irak, nur einzelne Militärberater oder Ausbilder in Krisengebiete geschickt werden. An diesem Prinzip will Rühe festhalten: "Es gab keinen Grund, die Parlamentsrechte einzuschränken."

Die Kommission untersuchte lang, ob der deutsche Parlamentsvorbehalt Nato-Einsätze oder künftig mögliche Einsätze unter Leitung der EU in unverhältnismäßiger Weise blockieren oder verzögern kann. Die deutschen Regeln sind strenger als bei den meisten anderen Nato-Bündnispartnern.

Bessere Unterrichtung des Parlaments

Rühe und die Kommission plädieren dafür, dass die Bundesregierung das Parlament besser über Einsätze unterrichtet. Dazu zählt etwa die Veröffentlichung eines jährlichen Berichts.

Darin soll erläutert werden, auf welche Fähigkeiten der Bundeswehr die Bündnispartner in der Nato angewiesen sind. Damit soll unter den Parlamentariern das Bewusstsein für die enge militärische Einbindung Deutschlands gestärkt werden, so Rühe. "Die Bundeswehr ist nicht nur eine Armee Deutschlands. Wir haben keine rein nationalen Armeen mehr", so der ehemalige Verteidgungsminister, der unter Bundeskanzler Helmut Kohl von 1992 bis 1998 im Amt war.

Nach Vorstellung der Kommission soll die Bundesregierung den Bundestag künftig auch über geheime Einsätze der Bundeswehr informieren. Bislang hatte es solche verpflichtenden Unterrichtungen über die Geheimmissionen des Kommandos Spezialkräfte (KSK) nicht gegeben. "Wir können uns das leisten, dass die Öffentlichkeit davon erfährt", sagte Rühe.

Vereinfachte Verfahren in Ausnahmefällen

Allerdings fordert die Rühe-Kommission auch, die Genehmigung für kleine Auslandseinsätze ohne Kampfbeteiligung zu vereinfachen. Schon jetzt kann bei "Einsätzen von geringer Intensität und Tragweite" von bewaffneten Bundeswehr-Soldaten im Ausland ein vereinfachtes Verfahren angewendet werden - bei dem die Zustimmung des Parlaments nicht erforderlich ist.

Allerdings reicht es bisher, wenn eine Fraktion oder fünf Prozent der Abgeordneten ein Veto einlegen. Dann muss der Bundestag über den Einsatz beraten und eine Entscheidung treffen.

Neuer Einsatzbegriff und mehr Flexibilität bei Anzahl der Soldaten

Die Kommission spricht sich für eine Klarstellung des "Einsatzbegriffes" aus. Zustimmungspflichtig müsse nach wie vor ein Einsatz in Kriegsgebieten sein oder wenn deutsche Soldaten Waffen bei solchen Einsätzen einsetzen. Handelt es sich um Hilfen bei der Logistik, bei der medizinischen Versorgung oder auch um Ausbildungs- und Trainingsmissionen, sei eine Zustimmung des Bundestags möglicherweise entbehrlich.

Die Kommission empfiehlt zudem, der Bundesregierung "mehr Flexibilität" bei Auslandseinsätzen zu gewähren. Dabei gehe es sowohl um die geografische Begrenzung wie um die Oberzahl der einsetzbaren Soldaten. Die Obergrenzen seien bislang oft zu eng gezogen gewesen, sagte Rühe. So seien Bundeswehrsoldaten zum Einsatz nach Afghanistan geflogen worden - hätten das Land dann aber sofort wieder verlassen müssen, weil die abzulösenden Bundeswehrsoldaten nach Ende ihres Einsatzes das Land noch nicht verlassen hatten und die Gesamtzahl der Bundeswehrsoldaten deshalb kurzzeitig über die vom Bundestag gesetzte Obergrenze hinausreichte.

Kritik von der Opposition

Die Linksfraktion sprach von einer "Beschneidung des Parlamentsvorbehalts durch die Hintertür". Mittels der Einführung verschiedener Arten von Einsätzen versuche die Kommission, "das Parlamentsbeteiligungsgesetz zu schleifen", sagte Alexander Neu, der Obmann der Linksfraktion im Verteidigungsausschuss.

Sollten Ausbildungsmissionen nicht mehr zustimmungspflichtig sein, werde die Hemmschwelle der Bundesregierung zu solchen Einsätzen sinken. Die Linksfraktion forderte eine Zwei-Drittel-Mehrheit des Bundestages, um Auslandseinsätze zu beschließen.

Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD), begrüßte dagegen die Empfehlung der Rühe-Kommission. "Es bleibt beim Prinzip der Parlamentsarmee: Das ist gut", sagte Bartels der Rhein-Neckar-Zeitung.

Auch Franz-Josef Jung, der frühere Verteidigungsminister und stellvertretende Chef der Unionsfraktion, äußerte sich positiv. "Durch die Klarstellung des Einsatzbegriffs wird die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung gestärkt". Gleichzeitig blieben die Rechte des Parlaments gesichert.

Opposition verzichtete darauf, Kommissionmitglieder zu entsenden

Die Kommission wurde im März 2014 vom Bundestag eingesetzt und besteht aus insgesamt zwölf Mitgliedern. Sieben Teilnehmer wurden von der CDU/CSU-Fraktion benannt, fünf von der SPD. Ursprünglich sollten auch je zwei Mitglieder von den Grünen und der Linksfraktion beteiligt werden und damit die Zahl der Teilnehmer bei 16 liegen. Die Opposition verzichtete jedoch darauf, Kommissionsmitglieder zu benennen.

Im September soll sich der Bundestag mit den Reformvorschlägen befassen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: