Ausländer in Deutschland:Wenn ich wählen dürfte ...

Rund sieben Millionen Menschen in der Bundesrepublik haben keinen deutschen Pass. An der Bundestagswahl dürfen sie nicht teilnehmen. sueddeutsche.de gibt ihnen eine Stimme.

Jan Hendrik Hinzel

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Jose Ramos

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Rund sieben Millionen Menschen in der Bundesrepublik haben keinen deutschen Pass. Bei der Bundestagswahl dürfen sie nicht wählen. sueddeutsche.de gibt ihnen eine Stimme. Lesen Sie hier, wen die folgenden elf Ausländer wählen würden und was sie von der deutschen Politik halten.

Von Jan Hendrik Hinzel

José Ramos aus Mexiko, 24 Jahre, Doktorand

In Deutschland bin ich seit zwei Jahren. Viel mit Politik habe ich mich bisher noch nicht beschäftigt, da ich ja nicht wählen darf. Aber ich glaube, ich würde die CDU oder die Grünen wählen. Das scheint zunächst vielleicht nicht zusammenzupassen. Aber ich glaube, die CDU wäre gut, um eine Kontinuität in der Regierung zu gewährleisten. Sie könnte Deutschland sicherlich gut aus der Krise führen. Bei den Grünen habe ich den Eindruck, dass sie sich sehr um Bildung und Forschung bemühen. Für mich ist das sehr wichtig, denn ich arbeite zur Zeit an meiner Doktorarbeit im Bereich Immunologie. Nicht nur in der Wissenschaft, auch in der Bildung allgemein sollten keine Gelder gestrichen werden. Gut ausgebildete Leute sind doch die Zukunft Deutschlands.

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Bogosavljevic

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Snezana Bogosavljevic aus Serbien, 49 Jahre, Angestellte in einer Telekommunikationsfirma

Eigentlich bin ich ganz froh, dass ich nicht wählen darf. Ich wüsste nicht, wem ich meine Stimme geben würde, weil ich denke, dass sich nicht viel verändern wird. Deutschlands EU-Mitgliedschaft ist schon praktisch. Serbien ist kein EU-Mitglied, also ist das Verreisen für mich etwas komplizierter. Aber das ist kein Problem für mich. Ich lebe zwar seit meinem fünften Lebensjahr in Deutschland, die serbische Staatsbürgerschaft wollte ich aber nie aufgeben. Ich fühle mich nach wie vor als Serbin und sehe in der deutschen Staatsbürgerschaft keine Vorteile für mich. Trotzdem fühle ich mich gut integriert. Generell habe ich den Eindruck, dass deutsche Politiker nicht sehr viel für die Mittelschicht tun. Es ist schon seltsam: Früher kamen die Ausländer nach Deutschland, um dort zu arbeiten. Heute verlassen die Deutschen ihr Land, um anderswo zu arbeiten.

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David Freytag

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David Freytag aus Frankreich, 23 Jahre, Chemielaborant

Seit 13 Jahren lebe ich in Deutschland. Mein Vater ist deutsch, ich fühle mich deutsch. Da meine Eltern aber nicht verheiratet sind und ich bei meiner Mutter aufgewachsen bin, habe ich nur die französische Staatsbürgerschaft. Ich würde gerne wählen, darf dies aber nur auf kommunaler Ebene. Die deutsche Staatsbürgerschaft habe ich noch nicht beantragt, weil ich sonst gleich zum Bund müsste. Das kann ich mir aber nicht erlauben, da ich voll im Berufsleben stehe. Würde ich neun Monate ausfallen, müsste ich mir wohl einen neuen Job suchen. Wahrscheinlich würde ich für die Grünen stimmen, ihr Wahlprogramm finde ich generell am ansprechendsten. Aber auch die Piratenpartei finde ich interessant: endlich mal etwas Neues und Junges - und vielleicht auch etwas anderes. Die aktuellen Politiker machen mir zu viel Show. Wie sie mit ihrem gestellten Grinsen und nichtssagenden Sprüchen auf den Plakaten zu sehen sind, kann ich sie einfach nicht ernst nehmen.

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Cherane Ali

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Cherane Ali aus den USA, 28 Jahre, Kongressmanagerin in Deutschland

Ich denke, um wählen zu dürfen, sollte man auch Staatsbürger des Landes sein, in dem man wählen möchte. Mein Heimatland, die USA, handhabt es so. Ich wüsste nicht, wieso Deutschland es anders machen sollte. Könnte ich hier aber wählen, würde ich zu den Grünen tendieren. Mir ist die Umwelt sehr wichtig und die Grünen sind die Einzigen, die sich hier ernsthaft einbringen. Sie tun nicht nur, als ob ihnen die Umweltprobleme wichtig wären, sie sind es für sie tatsächlich. Ihnen traue ich zu, dass sie strengere Regeln durchsetzen würden. Sei es zur Begrenzung des CO2-Ausstoßes oder allgemein gegen verschiedene Arten von Umweltverschmutzung. Zudem bin ich für den Atomausstieg. Außerdem glaube ich, dass sie stets ein wachsames Auge auf die großen Unternehmen haben werden. Es ist doch unglaublich, welch hohe Abfindungsprämien einige Firmen und Banken ihren Chefs gezahlt haben, um sie dann rauswerfen zu können. Dabei haben sie doch zur aktuellen Krise beigetragen.

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Romano Dumancic

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Romano Dumancic aus Kroatien, 47 Jahre, Inhaber eines Friseursalons

Den großen Parteien glaube ich kein Wort mehr. Wenn ich schon höre, dass die SPD vier Millionen Arbeitsplätze schaffen möchte, lache ich mich tot. Das sind doch alles nur leere Versprechen. CDU und SPD blubbern nur vor sich hin. Nach der Wahl machen sie dann doch wieder etwas anderes. Mehr Ehrlichkeit wäre gut! Ich würde die FDP wählen. Sie ist liberaler, hat die besseren Pläne und ist noch nicht so verbraucht. Ich glaube, die kleinen Parteien werden dieses Jahr enorm zulegen. Zu Recht, neue Politiker müssen her. Generell habe ich das Gefühl, dass in der Politik alles immer verwinkelter und undurchschaubarer wird. Da blickt doch niemand mehr durch. Und dann erst die Europäische Union. Wo soll das alles noch hinführen?

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Sofia Kioteoglou

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Sofia Kioteoglou aus Griechenland, 46 Jahre, Bar- und Restaurantinhaberin

Politik in Deutschland interessiert mich nicht. Wahrscheinlich bin ich zu sehr von den Zuständen in Griechenland geprägt. Mit den politischen Verhältnissen in meinem Heimatland beschäftige ich mich ebenfalls nicht. Es ist sowieso sinnlos. Die Politiker machen dort nur, was sie wollen. Wenn man etwas für sich erreichen möchte, geht das über Beziehungen. Hier in Deutschland zählen Dinge wie Fleiß. Es gibt viel mehr Möglichkeiten und man kommt weiter, wenn man etwas kann. Darum habe ich mich auch dazu entschlossen, hierzubleiben.

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Jeffrey Lambert

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Jeffrey Lambert aus den USA, 24 Jahre, IT-Berater und Englisch-Lehrer

So wirklich vertraut bin ich mit den Namen der deutschen Parteien nicht. Aber ich kenne die Piratenpartei. Sie würde ich wahrscheinlich wählen. Mir gefällt, dass die Piratenpartei mehr Informationsfreiheit fordert und sich für frei zugängliches Wissen unter anderem im Internet einsetzt. Von Politikern erwarte ich mehr Fairness und dass sie zu ihren Worten stehen. Deutschland sollte in Zukunft stärker eine eigene Position einnehmen und diese vertreten. Ich habe oft den Eindruck, die deutsche Regierung hört viel zu sehr auf die USA und richtet ihre Politik zu stark an Amerika aus.

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Isa Dema

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Isa Dema aus dem Kosovo, 40 Jahre, Kontrolleur im Versand eines Chemie-Unternehmens

Die meisten Leute, mit denen ich befreundet bin, wählen die Grünen oder die SPD. Darum würde ich wohl einer dieser beiden Parteien meine Stimme geben. Fast hätte ich bei dieser Wahl schon mitwählen dürfen. Aber wegen einer Kleinigkeit habe ich den Einbürgerungstest nicht bestanden: Als ich einen Brief schreiben musste, hatte ich vergessen, am Ende "Mit freundlichen Grüßen" dazuzuschreiben. Ich bin schon seit 1993 in Deutschland. Damals hätte ich für die serbische Armee gegen Bosnien und Kroatien kämpfen müssen. Das wollte ich nicht, also bin ich nach Deutschland geflüchtet. Vor ein paar Wochen kam mein dritter Sohn zur Welt. Darum ist mir die Familienpolitik besonders wichtig. Mütter sollten Kind und Beruf besser vereinen können. Aber ich will mich nicht beklagen. Ich bin stolz, in Deutschland wohnen zu dürfen und meine Familie fühlt sich hier sehr wohl. Deutschland und die großen Parteien SPD und CDU haben mit ihrem Engagement für den Kosovo schon so viel für uns getan, ich will nicht noch mehr fordern.

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Myriam Bakaga

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Myriam Bakaga aus Frankreich, 30 Jahre, Angestellte in einem Modeunternehmen

Wenn ich hier wählen könnte, würde ich für Angela Merkels Partei, die CDU, stimmen. Ich denke, Merkel ist eine der wenigen politischen Figuren, die es geschafft hat, im Ausland ein positives und freundliches Bild von Deutschland zu vermitteln. Zudem finde ich, dass sie sich bisher recht gut geschlagen hat. Ich glaube auch, dass die meisten Deutschen ausnahmsweise mal zufrieden sind. Es gibt aber auch negative Dinge: Deutschland sollte - genau wie Frankreich - vorsichtiger sein, wenn es um gemeinsame Abkommen geht. Deutschland und Frankreich müssen die anderen europäischen Länder mehr in die Entscheidungsprozesse mit einbeziehen. Zu häufig agieren sie nach dem Motto: "Wir sind die stärksten Länder in Europa und wir entscheiden alles."

Albert Geurts

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Albert Geurts aus den Niederlanden, 59 Jahre, Besitzer eines Blumenladens

Als ich vor 36 Jahren nach Deutschland kam, war die Zeit stark von Willy Brandt geprägt. Auch Helmut Schmidts Amtszeit habe ich in Deutschland miterlebt. Ich nahm beide als gute Kanzler wahr. Als junger Student stand ich vor allem darum der SPD nahe. Heute fange ich mit der SPD nichts mehr an. Das liegt nicht am Programm, sondern vielmehr an den Personen. Da ist einfach kein Zug dahinter. Wahrscheinlich würde ich darum heute die Grünen wählen. Gut, die haben zwar auch keinen Zug, aber das ökologisch interessantere Programm. Ich finde, als in Deutschland lebender Ausländer sollte ich hier wählen dürfen. Schließlich zahle ich auch Steuern. Als EU-Bürger darf ich nur bei Kommunalwahlen mitstimmen. Wahlrecht fordere ich auch für die Europawahl. Gut, ich darf dort zwar wählen, aber eben als Holländer. Jedes Mal bekomme ich eine Liste mit den niederländischen Parteien aus meiner alten Heimat zugeschickt, für die ich stimmen kann. Aber ich kenne sie nicht und weiß nicht, wofür sie stehen. Mittlerweile kenne ich mich in Deutschland besser aus als in Holland, ich fühle mich wohl hier. Also würde ich auch lieber deutsche Parteien wählen.

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Elizabeth Honner

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Elizabeth Honner aus Australien, 41 Jahre, Buchhalterin

Der Vater meines Partners ist wie ich Ausländer. Er wohnt seit 40 Jahren in Deutschland und darf nicht wählen. Das ist unfair. Ich selbst habe eine Zeitlang in Großbritannien gelebt, wo ich als Ausländerin wählen durfte. Ich finde, jeder, der für eine längere Zeit in einem Land lebt, sollte dort auch bei allen Wahlen teilnehmen dürfen. Meine Stimme würde ich der SPD geben. Generell rate ich allen Deutschen, zur Wahl zu gehen. Nur dann darf man sich hinterher auch beschweren. Ich glaube auch, je höher die Wahlbeteiligung ist, desto zufriedener sind die Bürger mit dem Ergebnis. In Australien besteht zum Beispiel Wahlpflicht. Da jeder seine Stimme abgeben muss, wenn er keine Strafe bezahlen will, macht er sich auch eher Gedanken darüber, wem er seine Stimme gibt. In Deutschland ist die Verlockung groß, nicht zur Wahl zu gehen, nur weil viele sich nicht von den Parteien angesprochen fühlen und sich nicht für die Wahl begeistern können. Aber die Politiker entscheiden doch, wie es mit Deutschland weitergeht. Darum noch mal mein Rat an die Deutschen: Geht wählen!

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