Süddeutsche Zeitung

Ausgaben für Integration:Flüchtlinge kosten Deutschland zusätzlich 3,3 Milliarden Euro

  • Österreichs Kanzler Werner Faymann kritisiert Ungarns Regierungschef Viktor Orbán scharf.
  • Dieser müsse verhindern, dass die vielen Flüchtlinge in Ungarn ohne Kontrolle in den Zug steigen und nach Österreich fahren können.
  • In der Nacht reisten Tausende Flüchtlinge auch nach Bayern ein.

Flüchtlinge könnten bis zu 3,3 Milliarden Euro kosten

Zur Deckung der Sozialausgaben für Flüchtlinge und ihre Integration in den Arbeitsmarkt sind im kommenden Jahr laut Bundesregierung zusätzliche Mittel von 1,8 bis 3,3 Milliarden Euro nötig. Diese Kosten würden auf etwa 7 Milliarden Euro im Jahr 2019 anwachsen, sagte Sozialministerin Andrea Nahles (SPD).

Nötig seien unter anderem soziale Leistungen, Sprachkurse und Hilfen zur Aufnahme einer Arbeit. "Unser Ziel muss sein, die zu uns kommenden Menschen in eine ordentliche Arbeit zu vermitteln", sagte die Ministerin.

Nach Einschätzung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) können die öffentlichen Haushalte die Kosten für die Flüchtlinge bewältigen. Der Grund: Die deutsche Wirtschaft brummt, die Steueraufkommen steigen (mehr dazu hier).

Kanzlerin Merkel weist Vorwürfe zurück

An diesem Dienstag sind in München Züge mit Hunderten Flüchtlingen angekommen (hier zur aktuellen Situation). Ungarn hatte am Vortag die Migranten unkontrolliert weiterreisen lassen und Deutschland indirekt dafür kritisiert, dass es für Asylbewerber aus Syrien die Schengen-Regeln außer Kraft setze.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wies diese Vorwürfe zurück. Sie sagte in Berlin, dass sie keine Mitverantwortung Deutschlands für den Flüchtlingsstrom aus Ungarn sehe. Es sei lediglich darauf hingewiesen worden, dass die, die in Deutschland ankämen, mit einer sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch den Status als Bürgerkriegsflüchtlinge bekommen würden.

Ein Sprecher des Innenministeriums erklärte, dass Deutschland derzeit aus rein praktischen Erwägungen heraus bei syrischen Asylbewerbern "im Regelfall" auf die Rückführung in andere EU-Staaten verzichte. Dabei handele es sich um eine Leitlinie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, "nicht um eine formal bindende Vorgabe".

Merkel forderte die EU-Kommission zum Handeln auf. Europa brauche eine gemeinsame Asylpolitik. Die Kanzlerin betonte, notwendig seien vor allem Registrierungszentren für Flüchtlinge in Italien und Griechenland, eine gemeinsam Einstufung sicherer Herkunftsländer, Möglichkeiten zur Rückführung und eine faire Verteilung.

Faymann versus Orbán

Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann kritisierte Ungarn scharf. "Dass die in Budapest einfach einsteigen (...), und man schaut, dass die zum Nachbarn fahren - das ist doch keine Politik", sagte Faymann im ORF-Fernsehen. Regierungschef Viktor Orbán müsse dafür sorgen, dass in seinem Land Gesetze eingehalten würden und es Kontrollen gebe. "Wo ist denn da der starke Regierungschef, der immer auffällt durch besonders undemokratische Maßnahmen?", sagte Faymann.

Faymann mahnte, Europa müsse zusammenstehen, um eine Lösung für das Problem zu finden und eine faire Verteilung der Flüchtlinge auf alle Mitgliedsstaaten zu erreichen. Länder wie Großbritannien, Tschechien, die baltischen Staaten oder Polen könnten sich vor der gemeinsamen Verantwortung nicht drücken. Sollten sie sich nicht mit Argumenten überzeugen lassen, könnte der Rest der EU ihnen Förderungen entziehen.

"Die nächsten Finanzrahmenverhandlungen kommen bestimmt. Es gibt Forderungen einzelner Länder - wenn ich nur an die Briten denke, die sich einen eigenen Katalog wünschen, was wir alles für sie tun sollen. Da muss man sagen, Solidarität ist keine Einbahnstraße", sagte Faymann.

Am Vortag waren Flüchtlinge in mehreren Zügen aus Budapest nach Österreich eingereist. Auch in Wien gab es offenbar keine Polizeikontrollen, als viele von ihnen in Züge zur Weiterfahrt nach Deutschland umstiegen. Auf ihrer Flucht in den Westen und Norden Europas nehmen viele die sogenannte Balkanroute durch Mazedonien, Serbien und Ungarn. Österreich hatte nach dem Tod von 71 Flüchtlingen in einem Schlepperwagen seine Kontrollen im Grenzraum verstärkt.

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