80 Jahre nach KZ-Befreiung:Überparteiliche Reise nach Auschwitz

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Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender 2020 in Auschwitz zwischen Block 10 und Block 11, an der sogenannten Schwarzen Wand. (Foto: Britta Pedersen)

Verteilt auf zwei Maschinen fliegt fast die ganze deutsche Staatsspitze zum Gedenken nach Polen. An Bord sind auch zwei wichtige Zeitzeugen.

Von Robert Roßmann, Auschwitz

In einem Monat wird der nächste Bundestag gewählt – und der Umgangston zwischen den Parteien ist schon ziemlich rau geworden. Sogar der sich gern zurückhaltend gebende Bundeskanzler mischt heftig mit. Das deutsche Volk werde mit größter Intensität belogen, hat Olaf Scholz gerade erst mit Blick auf die politische Konkurrenz behauptet. Der Vorstoß von CDU-Chef Friedrich Merz zur irregulären Migration hat den Ton zwischen den Lagern weiter verschärft. Doch an diesem Mittwoch soll es im Bundestag noch einmal einen Moment der Eintracht geben – und das ist auch das Mindeste, was man bei dem Anlass erwarten kann.

Das Parlament will der Millionen Menschen gedenken, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft entrechtet, verfolgt und ermordet wurden. Anlass ist die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau vor 80 Jahren. Bereits an diesem Montag wird in der Auschwitz-Gedenkstätte mit einer großen Veranstaltung an die Befreiung des Lagers durch die Rote Armee erinnert. Aus mehr als 40 Staaten reisen Vertreter an – unter ihnen Präsidenten, Könige und Regierungschefs. Aus Deutschland kommt eine besonders hochkarätige Delegation. So breit wie jetzt in Polen war die politische Spitze der Bundesrepublik schon seit der Beisetzung von Papst Benedikt XVI. nicht mehr bei einer Veranstaltung im Ausland vertreten.

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80 Jahre nach der Befreiung des ehemaligen Vernichtungslagers Auschwitz ruft der Bundespräsident dazu auf, die Erinnerung an die Verbrechen und Opfer der Nationalsozialisten wachzuhalten.

Womit sich aber auch eine Sicherheitsfrage stellt: Sollten die Spitzen des Staates gemeinsam in einem Flugzeug sitzen? Manche erinnern sich an den Flug von Angela Merkel und Olaf Scholz, damals Kanzlerin und Vizekanzler, zum G-20-Gipfel nach Buenos Aires. Der Airbus war schon über den Niederlanden, als er wegen eines gefährlichen Defekts in der Flugzeugelektronik umdrehen und in Köln/Bonn landen musste. Rechts und links der Landebahn standen damals ein halbes Dutzend Feuerwehrfahrzeuge. Merkel musste am nächsten Tag mit einer Linienmaschine nach Argentinien fliegen und kam zu spät zum G-20-Gipfel.

Nach Polen werden die deutschen Vertreter jetzt aber mit zwei Maschinen anreisen. Bundeskanzler Scholz kommt mit einem eigenen Flugzeug, er wird sich am Vormittag noch mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk treffen. Vizekanzler Robert Habeck, als Kanzlerkandidat der Grünen ein Herausforderer von Scholz, gehört dagegen zu den Gästen, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seinem Flugzeug mitnimmt. Eigentlich sollte in der Steinmeier-Maschine auch CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz sitzen – er hat wegen einer Terminkollision aber abgesagt. Mit CDU-Vize Karin Prien ist trotzdem ein CDU-Mitglied an Bord.

Bundespräsident Steinmeier nimmt zwei Überlebende des Holocaust mit

Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger und Bundesfinanzminister Jörg Kukies (beide SPD) sind ebenfalls Teil der Reisegruppe Steinmeier, genauso wie Staatsministerin Claudia Roth von den Grünen. Bei der Gedenkveranstaltung in Polen wird dann auch Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau von den Linken dabei sein. Die Reise ist also noch einmal eine Demonstration des überparteilichen Zusammenstehens.

Im Zentrum der Aufmerksamkeit sollten allerdings nicht all die Spitzenpolitiker stehen, sondern zwei andere Passagiere in der Steinmeier-Maschine: Christian Pfeil und Pavel Taussig. Die beiden Männer haben die Konzentrationslager überlebt. Sie sind zwei der wenigen Zeitzeugen, die noch vom mörderischen Alltag in den Lagern berichten können. Und sie sind genau deshalb die wichtigsten Teilnehmer dieser Reise.

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