Auschwitz-Prozess:Früherer SS-Mann Gröning zu vier Jahren Haft verurteilt

Auschwitz-Prozess in Lüneburg Oskar Gröning

Hat seine moralische Schuld gleich zu Prozessbeginn eingestanden: Oskar Gröning

(Foto: dpa)
  • Der frühere SS-Mann Oskar Gröning ist vom Landgericht Lüneburg zu vier Jahren Haft verurteilt worden.
  • Er habe sich der Beihilfe zum Mord in 300 000 Fällen schuldig gemacht.
  • Ob der später "Buchhalter von Auschwitz" genannte Gröning ins Gefängnis muss, ist noch unklar.
  • Verteidigung und Staatsanwaltschaft prüfen derzeit noch, ob sie in Revision gehen möchten.

Vier Jahre Haft für Oskar Gröning

Im Auschwitz-Prozess hat das Landgericht Lüneburg den früheren SS-Mann Oskar Gröning zu vier Jahren Haft verurteilt. Er habe sich der Beihilfe zum Mord in 300 000 Fällen schuldig gemacht, urteilte das Gericht. Ob der gesundheitlich angeschlagene 94-Jährige haftfähig ist, muss die Staatsanwaltschaft prüfen, wenn das Urteil rechtskräftig ist. Das Gericht ging mit seinem Urteil über das von der Anklage geforderte Strafmaß hinaus.

Die Nebenkläger zeigten sich mit dem Urteil einverstanden. "Es erfüllt uns mit Genugtuung, dass nunmehr auch die Täter Zeit ihres Lebens nicht vor einer Strafverfolgung sicher sein können", hieß es in einer Erklärung von Anwalt Thomas Walther. Erstmals habe sich in einem Prozess wegen NS-Verbrechen ein Angeklagter zu seiner Schuld bekannt und sich dafür entschuldigt. Walther vertritt mit einem Kollegen viele der über 70 Nebenkläger, zumeist Überlebende von Auschwitz.

Grönings Verteidigung sowie auch die Staatsanwaltschaft prüfen, ob sie Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen werden. Wir werden das Urteil jetzt erstmal prüfen", sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hannover, Kathrin Söfker, am Mittwoch. Eine Revision sei nicht ausgeschlossen. Ähnlich äußerte sich die Verteidigung. "Wir werden die Einlegung einer Revision prüfen", sagte Oskar Grönings Anwalt Hans Holtermann. "Darüber sprechen wir noch mit Herrn Gröning."

Gröning hatte im Prozess seine Beteiligung und moralische Mitschuld am Holocaust eingeräumt. Der später auch "Buchhalter von Auschwitz" genannte Gröning hatte gestanden, Geld von Verschleppten gezählt und zur SS nach Berlin weitergeleitet zu haben. Er sagte aus, zwei- bis dreimal vertretungsweise Dienst an der Rampe getan zu haben, um dort Gepäck zu bewachen.

Was Anklage und Verteidigung gefordert hatten

Die Staatsanwaltschaft hatte dreieinhalb Jahre Haft gefordert, von denen 22 Monate als verbüßt angesehen werden sollten, weil eine Verurteilung schon vor Jahrzehnten möglich gewesen wäre. Erste Ermittlungen hatte es 1977 gegeben. Anwälte der mehr als 70 Nebenkläger hielten das von der Staatsanwaltschaft verlangte Strafmaß für zu gering.

Die Verteidiger plädierten auf Freispruch, weil Gröning den Holocaust im strafrechtlichen Sinne nicht gefördert habe. Im Falle eines Schuldspruchs solle von einer Strafe abgesehen werden.

Wie die Staatsanwaltschaft sah die Verteidigung eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung, da die Ermittlungen bereits 1977 aufgenommen wurden. 1978 sei Gröning vom Tatvorwurf gegen ihn unterrichtet worden. Später sei das Verfahren eingestellt, eine Wiederaufnahme wiederholt abgelehnt worden. Damals wäre Gröning nach herrschender Rechtsprechung wegen anderer Bewertung freigesprochen worden, argumentierte die Verteidigung.

Wie Gröning argumentierte

Bereits zu Prozessbeginn hatte Gröning eine moralische Mitschuld übernommen. An der Rampe des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau, wo die deportierten Juden zur Ermordung in den Gaskammern selektiert wurden, habe er nur zwei- bis dreimal Dienst getan. Er habe dort lediglich aufpassen müssen, dass das Gepäck nicht gestohlen werde.

Außerdem habe er in seiner Zeit in dem Lager dreimal um Versetzung gebeten, weil ihn die Verbrechen dort erschüttert hätten. Diesem Wunsch sei aber erst im Herbst 1944 entsprochen worden. Die Vertreter der Nebenklage bezweifelten Grönings Darstellung. In den Akten fehlen die Versetzungsgesuche. Ein Bekenntnis zu einer strafrechtlichen Schuld vermied Gröning ausdrücklich.

In seinem Schlusswort berief sich der Angeklagte auf das Plädoyer des Nebenklage-Vertreters Cornelius Nestler: "Auschwitz war ein Ort, an dem man nicht mitmachen durfte, hat Professor Nestler hier gesagt. Das ist mir bewusst", sagte er. "Ich bereue aufrichtig, dass ich diese Erkenntnis nicht viel früher und konsequenter umgesetzt habe."

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