Patriotisch und von Kampfeswillen erfüllt: Politiker, Militärs und Künstler begrüßen 1914 den Kriegsausbruch. Aber nicht alle sind begeistert. Die wichtigsten Zitate mit Bildern aus dem SZ-Archiv. "Die deutsche Wehrkraft ist mobil gemacht." Extrablatt der Münchner Neuesten Nachrichten am 1. August 1914. Am selben Tag erklärte das Deutsche Reich dem zaristischen Russland den Krieg. Im Bild: Deutsche Soldaten an der Westfront 1916.
Anders als die meisten seiner Zeitgenossen nimmt Franz Kafka den Kriegsausbruch wenig euphorisch zur Kenntnis. "Deutschland hat Russland den Krieg erklärt. - Nachmittags Schwimmschule", notiert der Prager Schriftsteller am 2. August in sein Tagebuch. Seine böhmische Heimat gehört damals zum Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn.
Der deutsche Kaiser Wilhelm II. begründet am 31. Juli 1914 den Kriegseintritt des Reiches gegen Russland mit den Worten: "Neider überall zwingen uns zur gerechten Verteidigung. Man drückt uns das Schwert in die Hand", sagt er in einer Rede vom Balkon des Berliner Stadtschlosses. Als wenige Tage später die ersten Truppen Richtung Belgien ausrücken (um Frankreich zu besiegen), gibt der Kaiser ihnen diese Wort mit auf den Weg: "Ihr werdet wieder zu Hause sein, ehe noch das Laub von den Bäumen fällt." Die deutsche Führung glaubt an einen kurzen Krieg und schnellen Sieg.
Deutschlands Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg hofft bis zuletzt darauf, dass Großbritannien neutral bleibt. Es kommt anders: London gibt Belgien die Garantie, im Falle einer deutschen Invasion in den Krieg einzutreten. So kommt es dann auch. Bethmann Hollweg klagt: "Nur für ein Wort, Neutralität, ein Wort, das im Kriegsfall schon oft unbedacht geblieben war, nur für ein Stückchen Papier würde Großbritannien gegen eine gleichgesinnte Nation in den Krieg ziehen, die nichts mehr möchte, als mit ihr befreundet zu sein."
Großbritanniens Außenminister Sir Edward Grey erklärt die Entscheidung seiner Regierung für den Kriegseintritt in einer Rede vor dem britischen Unterhaus am 3. August. "Wir werden schrecklich leiden in diesem Krieg, so sehr ich es bedaure, ob wir dabei sind oder abseits stehen." Am Abend gibt Grey in privater Runde eine ebenfalls düstere Prognose ab: "Jetzt verlöschen die Lichter in ganz Europa. Wir werden sie nie wieder in unserem Leben brennen sehen."
Andere Mitglieder des britischen Kabinetts äußern öffentlich ihre Lust auf den Krieg. "Um nichts auf der Welt möchte ich diesen herrlich aufregenden Krieg missen", sagt der britische Marineminister und spätere Premierminister Winston Churchill im Herbst 1914.
In der deutschen Führung gibt es ähnliche Kriegsbegeisterung: "Selbst wenn wir darüber zugrunde gehen, schön war's doch!", schreibt Erich von Falkenhayn, General und preußischer Kriegsminister, am 31. Juli in sein Tagebuch.
Auch der französische Ministerpräsident Raymond Poincaré führt Tagebuch. Am 3. August notiert er, nach dem Erhalt der deutschen Kriegserklärung: "Niemals war eine Kriegserklärung mit so viel Genugtuung entgegengenommen worden."
Die französischen Kriegsgefangenen auf diesem Bild sind gut an ihren markanten roten Hosen zu erkennen. Moralische Unterstützung bekommen die Soldaten von der intellektuellen Elite ihres Landes. Henri Bergson, später Nobelpreisträger für Literatur, gibt sich in einer Rede als Präsident der Gelehrtengesellschaft Akademie der Moralischen und Politischen Wissenschaften kämpferisch. "Der engagierte Kampf gegen Deutschland ist der Kampf der Zivilisation gegen die Barbarei", sagt der Philosoph am 8. August.
Auch der deutsche Maler Max Liebermann wird von patriotischen Hochgefühlen erfasst, als er am 11. August an einen befreundeten Galeristen schreibt: Es ... "... sollten die Musen sich bemühn, es den Kämpfern gleich zu thun. Jeder soll das thun was er am besten thun kann. Das scheint mir patriotisch." Wenig später, im Oktober 1914 unterschreibt Liebermann mit 92 anderen deutschen Intellektuellen den Aufruf "An die Kulturwelt", der die deutschen Kriegsgräuel in Belgien rechtfertigt.
Viele Schrifsteller bringen ihre Verehrung für die Tugenden des Krieges zu Papier. Der Österreicher Robert Musil schreibt in seinem Essay Europäertum, Krieg, Deutschtum am 3. August: "Treue, Mut, Unterordnung, Pflichterfüllung, Schlichtheit - Tugenden dieses Umkreises sind es, die uns heute stark, weil auf den ersten Anruf bereit machen zu kämpfen."
Der bayerische Heimatliterat Ludwig Thoma schrieb mehrere Gedichte zum Kriegsausbruch, unter anderem "Zum 4. August 1914", dem Tag, an dem auch das britische Empire dem Reich den Krieg erklärte (zuvor hatte Deutschland Frankreich und Russland den Krieg erklärt). "Jetzt bangen? Nein! Wir wollen unsern Feind nicht zählen Und können unser Los nicht wählen Wir müssen Deutsche sein." Gedicht Thomas in den Münchner Neuesten Nachrichten vom 6. August 1914. Die Zeitung war die Vorgängerin der Süddeutschen Zeitung.
Auch Thomas Mann, der 1929 den Nobelpreis für Literatur erhält, verbirgt seine Begeisterung für den Krieg nicht. "Wie hätte der Künstler, der Soldat im Künstler nicht Gott loben sollen für den Zusammenbruch einer Friedenswelt, die er so satt, so überaus satt hatte! Krieg! Es war Reinigung, Befreiung, was wir empfanden", schreibt der Schriftsteller in seinem Aufsatz Gedanken im Kriege, der im November 1914 erscheint.
Carl Zuckmayer meldet sich direkt nach seinem Abitur 1914 als Kriegsfreiwilliger. Doch scheint er zu ahnen, was ihn an der Front erwartet. Einige Wochen vor Kriegsausbruch dichtet er: "Einmal, wenn alles vorbei ist, Werden Mütter weinen und Bräute klagen, Und man wird unterm Bild des Herrn Jesus Christ Wieder die frommen Kreuze schlagen. Und man wird sagen: es ist doch vorbei! Laßt die Toten ihre Toten beklagen! Uns aber, uns brach es das Herz entzwei, Und wir müssen unser Lebtag die Scherben tragen."
Weil er sich entschieden gegen den Ersten Weltkrieg einsetzt, wird Benedikt XV. "Friedenspapst" genannt. In seiner ersten Enzyklika Ad beatissimi apostolorum vom 1. November 1914 schreibt er: "Wer würde glauben, dass jene, die derart in Hass gegeneinander entbrannt sind, aus einer Art stammen, die gleiche Natur haben, der gleichen menschlichen Gesellschaft angehören? Wer würde glauben, dass sie Brüder sind, deren Vater im Himmel ist?"