Ausbildung libyscher Sicherheitskräfte:Affäre erreicht die Bundesregierung

Deutsche Diplomaten kannten schon 2005 die Firma, die Gaddafis Polizei ausbildete. Für Ex-Kanzler Schröder ist seine angebliche Absprache mit dem Diktator nur eine "Lügengeschichte".

Susanne Höll und Hans Leyendecker

Deutsche Diplomaten und Geheimdienst-Mitarbeiter in Tripolis haben nach Angaben aus Regierungs- und Sicherheitskreisen das private Sicherheitsunternehmen gekannt, in dessen Diensten deutsche Polizisten und Soldaten illegal Ausbildungshilfe für libysche Sicherheitskräfte leisteten. Das Außenministerium erklärte am Sonntag aber zugleich, dass die Botschaft die Firma und deren Mitarbeiter "in keiner Weise" unterstützt und nichts davon gewusst habe, dass aktive Polizisten und Soldaten dort beschäftigt gewesen seien. Der Leiter der Firma sei in der Vertretung in Tripolis bekannt gewesen, man habe jedoch nur losen Kontakt miteinander gehabt.

Ausbildung libyscher Sicherheitskräfte: Gerhard Schröder (Mitte März auf einer SPD-Regionalkonferenz): Gegen "Lügengeschichten" in den Medien rechtlich vorgehen

Gerhard Schröder (Mitte März auf einer SPD-Regionalkonferenz): Gegen "Lügengeschichten" in den Medien rechtlich vorgehen

(Foto: Foto: ddp)

Aus Sicherheitskreisen verlautete, auch der Vertreter des Bundesnachrichtendienstes in Tripolis habe schon im November 2005 von den Aktivitäten der Firma erfahren und die Zentrale in Pullach gefragt, ob er zu dem Unternehmen Kontakte pflegen solle. Das hätten ihm seine Vorgesetzten aber untersagt. Auch der BND-Resident soll nicht gewusst haben, dass aktive deutsche Sicherheitskräfte im Einsatz seien. Ein BND-Sprecher in Pullach widersprach aber Spekulationen, der Dienst habe die Aktionen der Polizisten und Soldaten unterstützt, gegen die staatsanwaltschaftliche oder disziplinarische Ermittlungen laufen. Weder habe der BND Ausbildungshilfe geleistet, noch sei er "beratend oder begleitend eingebunden gewesen".

Altkanzler Gerhard Schröder und die Bundesregierung dementierten einen Bericht der Bild am Sonntag, wonach Schröder die Polizeihilfe mit dem libyschen Staatschef Muammar al Gaddafi bei einem Geheimtreffen 2003 und einem Staatsbesuch 2004 vereinbart habe, aus Dank für libysche Unterstützung bei der Befreiung der deutschen Familie Wallert aus philippinischer Geiselhaft im Jahr 2000. Aus Schröders Umgebung verlautete, er habe sich 2003 nicht heimlich mit Gaddafi getroffen. Schröder schließe auch aus, dass er bei anderen Treffen mit Gaddafi über deutsche Hilfe bei der Ausbildung libyscher Sicherheitskräfte geredet habe. Eine Absprache im Zusammenhang mit der Wallert-Befreiungen habe es auch nicht gegeben. Schröder habe "definitiv keine Erinnerung" an eine solche Zusage. Gegen "Lügengeschichten" in Medien wolle der Altkanzler rechtlich vorgehen. Schröder könne "allenfalls nicht völlig ausschließen, dass er in einem Gespräch mit Gaddafi eine Floskel verwendet" habe, die im Nachhinein als Angebot zu irgendeiner Zusammenarbeit hätte interpretiert werden können. Aber auch daran erinnere er sich nicht.

Abgeordnete der Union, der FDP und der Grünen forderten von der Bundesregierung Klärung im Bundestag. Die Affäre dürfte am Mittwoch Thema der Aktuellen Stunde im Parlament werden. Auch die Parlamentarische Kontrollkommission könnte in der nächsten Sitzungswoche darüber beraten. FDP-Innenexperte Max Stadler sagte, die Regierung müsse erklären, ob man eine polizeiliche Zusammenarbeit mit Libyen gewünscht oder geduldet habe. Etwa 30 Polizisten und Soldaten sollen sich an den Ausbildungen in Tripolis beteiligt haben. Gegen einen ermittelt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf, andere wurden versetzt oder erwarten Disziplinarverfahren. Zu ihnen gehört ein Feldwebel, der ein Personenschützer von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan war.

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