Aus für den Transrapid:Es fährt ein Zug nach Nirgendwo

Mit dem Transrapid wird ein Großprojekt zu Grabe getragen, und alle Beteiligten versuchen, sich von der Verantwortung freizusprechen. Deutlicher werden die Aussagen, wenn es um die Verwendung des freiwerdenden Geldes geht.

Nico Fried

Bis zuletzt hat Günther Beckstein an eine Art Zauberformel geglaubt. Sie heißt "Design to cost". Peter Löscher, der Siemens-Chef, habe ihm das mal so erklärt, berichtet der bayerische Ministerpräsident: Wenn bei einem Projekt wie dem Transrapid an einer Stelle der Preis zu hoch wird, dann kann man ihn an anderer Stelle etwas billiger machen, sprich: das Design wieder den vorgesehenen Kosten anpassen. Zum Beispiel, indem man die Haltbarkeit der Führungsschienen, in denen sich eine Zugtür öffnet und schließt, nicht auf 80 Jahre anlegt, sondern nur auf 15.

Das klingt einleuchtend, aber beim Projekt des Transrapid in München ist das Prinzip an seine Grenzen geraten. Um die gestiegenen Kosten beim Bau der Strecke auszugleichen, hätte die Magnetschwebebahn sogar ganz ohne Türen fahren können, vielleicht auch noch ohne Fenster und Sitzplätze - und dennoch hätte man nicht genug eingespart, um die Kosten an anderer Stelle wieder ins Lot zu bringen. Deshalb haben Beckstein, Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee sowie Löscher und die übrigen Industriebosse am Donnerstag beschlossen, dass man es lieber ganz bleiben lässt.

Es ist irgendwie eine lustige Pressekonferenz, die da im Berliner Verkehrsministerium zu verfolgen ist. Ein Großprojekt wird zu Grabe getragen, und alle Beteiligten - der Bund, Bayern und die Industrie- versuchen, sich selbst von jeglicher Verantwortung freizusprechen. Beckstein zum Beispiel sagt, dies sei ein schwarzer Tag für den Technologie-Standort Deutschland. Der Transrapid sei ja ein Erbstück der rot-grünen Regierung, das die große Koalition habe umsetzen wollen. Dass es sich vor allem auch um ein Prestigeprojekt der bayerischen CSU-Regierung gehandelt hat, erwähnt Beckstein mit keinem Wort.

Vor ziemlich genau sechs Monaten hatte sich Becksteins Vorgänger Edmund Stoiber mit dem Konsortium zum Bau des Transrapid auf eine Vereinbarung geeinigt, wonach die Flughafenstrecke gebaut werden und nicht mehr als 1,85 Milliarden Euro kosten solle. 490 Millionen Euro sollte Bayern tragen. Der Bund hatte sich bereiterklärt, bis zu 925 Millionen Euro, also die Hälfte, zu übernehmen. Der Rest sollte von der Industrie selbst sowie häppchenweise aus diversen anderen Töpfen kommen.

Am vergangenen Dienstag meldete sich dann nach Löschers Darstellung Hartmut Mehdorn, Chef der Deutschen Bahn, die den Transrapid betreiben wollte, beim Siemens-Chef und teilte ihm mit, dass dieser Kostenplan nicht zu halten sei. Einen Tag später wurden Beckstein und Tiefensee informiert. Der Ministerpräsident telefonierte mit Mehdorn, mit Tiefensee und Kanzleramtsminister Thomas de Maizière. Schließlich schreckte er sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel im Urlaub auf.

Es fährt ein Zug nach Nirgendwo

Das Ergebnis dürfte er schon vorher geahnt haben: Bei einem neu berechneten Finanzbedarf von 3,4 Milliarden Euro - 1,55 Milliarden mehr als ursprünglich vorgesehen - war nichts mehr zu machen. Der Bund hielt die Taschen zu, Beckstein selbst wollte auch nicht mehr ausgeben - und die Industrie schon gar nicht.

Dass nun der Bund schuld sein könnte am Desaster, weist Tiefensee natürlich zurück. Er habe gegenüber Stoiber schon vor einem halben Jahr seine Skepsis zum Ausdruck gebracht, dass der aus dem Jahr 2002 stammende Kostenplan einzuhalten sei. Und immer wieder habe man in Berlin darauf hingewiesen, dass das Angebot des Bundes "die maximale Obergrenze" sei und auf keinen Fall erhöht werde. "Im September sind die Sektflaschen offensichtlich zu früh geöffnet worden", stellt Tiefensee nun lapidar fest.

Bleibt als Verantwortlicher nur die Industrie. Und tatsächlich stellt sich ja die Frage, wie binnen eines halben Jahres die Kosten so explodieren können. Grimmig teilt Beckstein mit, es habe bislang noch "keine ernsthafte Erklärung gegeben, die mich zufriedengestellt hätte, warum diese Kostensteigerung innerhalb von sechs Monaten ersichtlich werden konnte". Und Tiefensee antwortet auf die Frage, ob er sich getäuscht fühle: "Mit dieser Frage bringen Sie mich in Verlegenheit."

Nun wäre es also an Peter Löscher, das Desaster zu erläutern. Doch der denkt gar nicht daran. Auch der Siemens-Chef, als Vertreter des Transrapid-Konsortiums, ist vor allem darauf bedacht, die Verantwortung anderswo zu verorten. Die Systemanbieter, also unter anderem sein Konzern, seien sehr wohl im Kostenrahmen geblieben. Der gewaltige Anstieg sei auf zusätzlichen Finanzbedarf beim Bau der Strecke zurückzuführen. Mehr könne er leider nicht sagen. Tatsächlich ist in Regierungskreisen zu hören, dass allein der Bau der Trasse statt 700 Millionen Euro nun 1,7 Milliarden Euro kosten sollte. Offenbar hatte man sich bei der Untertunnelung des Münchner Hauptbahnhofs verkalkuliert.

Bei einem anderen Thema sind die Aussagen plötzlich viel deutlicher: Es geht um das Geld, das nun eingespart wird. Tiefensee würde den Anteil des Bundes gerne in den Güterverkehr investieren. Und Beckstein erwartet für den Anteil des Freistaats Vorschläge seiner Wirtschaftsministerin Emilia Müller. Der Ministerpräsident will den Geldsegen für andere Projekte nutzen, "damit der Wähler in Bayern auch sieht, dass wir zu Hightech stehen". Soll heißen: Wenn an einer Stelle Schaden entsteht, muss man ihn woanders ausgleichen. Das nennt man wohl politisches "Design to cost".

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: