Süddeutsche Zeitung

Myanmar:Mit den Waffen der Justiz

In Myanmar bringt das herrschende Militär Gerichte gegen Aung San Suu Kyi in Stellung. Die neuesten Vorwürfe zeichnen sie als gierig und bestechlich. Was steckt hinter den Anschuldigungen?

Von Arne Perras

Man kann lange suchen, aber ein Foto von Aung San Suu Kyi ist in der Zeitung The Global New Light of Myanmar am 10. Juni nicht zu finden. Stattdessen zeigt das Sprachrohr der herrschenden Generäle auf Seite 11 zwei Flussdelfine, die freundlich und ausgelassen aus dem Wasser springen. Es ist eine zynische Kombination an jenem Tag, denn auf derselben Seite vermeldet die Junta auch neue Vorwürfe gegen die inhaftierte Regierungschefin Aung San Suu Kyi. Sie gibt bekannt, dass nun auch noch ein Verfahren wegen Korruption gegen die Politikerin eingeleitet wird, zu all den anderen angeblichen Verfehlungen, derer sie sich laut der Propaganda des Militärs schuldig gemacht haben soll.

Die Flussdelfine sind in Myanmar nahezu ausgestorben, man bekommt sie nur äußerst selten noch zu Gesicht. Dies allerdings trifft nun auch auf die Anführerin der Demokratiebewegung, Aung San Suu Kyi zu, die am 1. Februar, dem Tag des Putsches, verschleppt wurde und seither nur auf einigen wenigen Bildern bei einem ersten Gerichtstermin zu sehen war.

Um ihre Herrschaft zu festigen, lässt die Junta ihre Soldaten auf den Straßen knüppeln und morden, mehr als 800 Menschen sind bei diesen Übergriffen durch das Militär gestorben. Und im Osten des Landes sind nun Zehntausende in die Wälder geflohen, weil die Generäle offenbar mutmaßliche Widerstandskämpfer bombardieren, wie lokale Medien berichten.

Aber die Generäle zücken noch andere Folterwerkzeuge, sie bringen die Justiz gegen die demokratisch gewählte Suu Kyi in Stellung, die als Symbolfigur des Widerstandes gegen frühere Militärdiktatoren immer noch über ein politisches Gewicht verfügt, das die Generäle fürchten. Bezeichnenderweise beschränkt sich der jüngste Bericht in der vom Militär gesteuerten Presse nicht darauf, Vorwürfe zu benennen, er nimmt das Urteil quasi schon vorweg: "Sie wurde für schuldig befunden, ihr Amt missbraucht zu haben", steht dort zu lesen.

Angefangen hatten die juristisch verkleideten Attacken mit teils bizarren Vorwürfen, etwa, dass Suu Kyi gegen Bestimmungen des Imports und Exports verstoßen habe, indem sie angeblich nicht lizensierte Funkgeräte benutzt habe. Am kommenden Montag sollte mit der Verlesung mehrerer Anklagepunkte ein erster Prozess beginnen, andere werden voraussichtlich folgen. Dabei soll es auch um angebliche Anstiftung zum Aufruhr gehen.

Ihre Anhänger wissen nicht, wo Suu Kyi festgehalten wird

Nun sattelt die Junta kurz vor Prozessbeginn weitere Vorwürfe oben drauf. So soll die Staatsrätin in ihrem Amt 600 000 Dollar und Gold als Bestechungsgeld von einem hohen Amtsträger in der Region Yangon angenommen haben, wie es die Helfer der Junta vorbringen, außerdem soll es beim Erwerb von Land für ihre wohltätige Stiftung nicht mit rechten Dingen zugegangen sein.

Die neuesten Vorwürfe zeichnen Aung San Suu Kyi als bestechliche und gierige Frau, doch das sagt vermutlich mehr über die Generäle aus als über die Inhaftierte. Alles deutet darauf hin, dass es sich "um nicht viel mehr als einen Schauprozess" handelt, wie es der Myanmar-Experte David Scott Mathiesen formulierte. "Es geht um ein illegales Regime, das eine demokratisch gewählte Führung durch fabrizierte Anschuldigungen diskreditieren will", sagte er der Nachrichtenagentur AFP.

Ein durchschaubares Manöver, doch scheint die Junta entschlossen zu sein, es durchzuziehen mit dem Ziel, die inhaftierte Staatsrätin für den Rest ihres Lebens von politischer Betätigung auszuschließen und womöglich lebenslang hinter Gitter zu bringen.

Suu Kyi hat mehrere Anwälte, das Team leitet Khin Maung Zaw, der in einem Fernsehinterview eher diplomatisch umschrieb, wie frustrierend seine Arbeit ist: "Nach unserer Erfahrung mit diesem Fall sind wir nicht zufrieden mit den Möglichkeiten, die den Angeklagten zustehen." Neben Aung San Suu Kyi muss sich auch Präsident Win Myint vor Gericht verantworten. Die 70-Jährige hatte diesen Vertrauten für den Posten des Staatschefs ausgewählt, weil ihr selbst das Amt durch eine Sperrklausel verwehrt ist, die die frühere Junta in die Verfassung hineinschreiben ließ.

"Ich kann nicht sagen, ob ihnen faire Prozessrechte gegeben werden", gab Anwalt Khin Maung Zaw mit Blick auf die beiden zu Protokoll. Ende Mai hatte ihm die Polizei nur 30 Minuten gewährt, um mit seinen prominenten Klienten zu sprechen. Und er betont: "Ich habe noch nie einen Staatsvertreter getroffen, der ehrlicher und unbestechlicher gewesen wäre als Aung San Suu Kyi."

Anfangs wurde sie noch in ihrer Villa in der Hauptstadt Naypyidaw gefangen gehalten, inzwischen aber glauben ihre Anhänger zu wissen, dass sie an einen anderen Ort verlegt wurde. Die von der früheren Junta konzipierte Hauptstadt, die mit ihren 20-spurigen Autobahnen wirkt wie ein anderer Stern, soll auch über unterirdische Bunker verfügen, die möglicherweise dazu dienen, Gefangene zu verstecken. Doch wo Aung San Suu Kyi tatsächlich festgehalten wird, zählt noch immer zu den bestgehüteten Geheimnissen der Junta.

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