Auftritt von Wen Jiabao in Brüssel:Chinesen lassen Fernsehübertragung der EU abbrechen

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Die Zuschauer waren verblüfft: Mitten in der Auftaktrede des chinesischen Ministerpräsidenten beim EU-China-Gipfel in Brüssel blendete der offizielle TV-Sender der EU die Übertragung aus. Das Signal dazu kam aus der chinesischen Delegation.

Während des EU-China-Gipfels in Brüssel ist es zu einer ungewöhnlichen Szene gekommen: Kurz nachdem der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao in seiner Auftaktrede die Rücknahme des EU-Waffenembargos gegen sein Land und die Anerkennung als echte Marktwirtschaft verlangt hatte, brach die Fernsehübertragung des von der EU-Kommission betriebenen Kanals "Europe by Satellite" ab.

Chinas Ministerpäsident Wen Jiabao und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy während des 15. EU-China-Gipfels. (Foto: AFP)

Die letzte vollständige Aussage war: "Zu guter Letzt muss ich sehr offen sagen: Was das Waffenembargo gegen China angeht und die volle Anerkennung Chinas als Marktwirtschaft, haben wir zehn Jahre hart gearbeitet, aber eine Lösung ist schwer zu greifen. Ich bedauere dies sehr." Nach diesen Worten endete die Übertragung des TV-Informationsdienstes der EU abrupt mitten im Satz ( wie dieses Video zeigt). Zu verstehen war lediglich noch: "Ich hoffe, dass die EU-Seite die Gelegenheit nutzt und bald eine größere Initiative zur Beseitigung von ...".

Abbruch auf Signal der chinesischen Delegation hin

Da Journalisten wegen der Absage einer Pressekonferenz auf die übertragenen Erklärungen angewiesen waren, löste dies Irritationen im Pressekorps aus. Abgebrochen wurde gerade dann, als Wen begann, die Schwierigkeiten der gemeinsamen Beziehungen zu beschreiben. Zuvor hatte sich Chinas Ministerpräsident mehrere Minuten über die positiven Seiten des europäisch-chinesischen Verhältnisses geäußert.

Ein Sprecher des EU-Ministerrates sagte, die Übertragung von Wens Äußerungen sei abgebrochen worden, weil die chinesische Delegation signalisiert habe, dass dessen Bemerkungen nicht mehr Teil der öffentlichen Auftakterklärung, sondern vertraulich seien. Dies sei ein übliches Vorgehen bei Übertragungen. "Die ewige Frage ist, wann die Begrüßungsworte beendet sind und der interne Teil beginnt", sagte der Sprecher. Diesmal habe es dabei offensichtlich Komplikationen gegeben, Das Kamerateam sei sich nicht sicher gewesen, wie lange der öffentliche Teil der Wen-Rede dauern sollte. Wen habe aber ohnehin nur rund 30 Sekunden weitergesprochen.

Journalisten waren zum Gipfel nicht zugelassen. Die EU-Kommission hatte Reporter auf die Übertragung der Reden verwiesen. Der TV-Dienst der EU wendet sich vor allem an Journalisten, ist aber über das Internet frei empfangbar.

Waffenembargo bleibt umstritten

Das Verbot von Waffenexporten aus Europa nach China war nach dem Massaker auf dem Tiananmen-Platz in Peking 1989 eingeführt worden. Die EU hat nach Diplomatenangaben vom Mittwoch bislang nicht die Absicht, das Embargo aufzuheben: "Wir sind uns einig, dass wir uns nicht einig sind", sagte der Diplomat über die Meinungsverschiedenheit mit China. Auch innerhalb der EU ist das Embargo umstritten.

Zu Beginn des Gipfels hatte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy die Rolle des aus dem Amt scheidenden Wen bei der Verbesserung des Verhältnisses zwischen der EU und China in den vergangenen zehn Jahren gewürdigt. "Ihre Rolle war entscheidend dafür, dass wir da sind, wo wir jetzt sind", sagte er. Die EU und China seien sich stärker denn je ihrer wechselseitigen Abhängigkeit bewusst.

So hat China seine Unterstützung für Europa in der Schuldenkrise bekräftigt. Die Volksrepublik investiere auch weiterhin in europäische Staatsanleihen, erklärte Wen Jiabao. China werde "weiterhin seine Rolle spielen", um die europäische Schuldenkrise zu lösen, kündigte er an. Europa sei weiterhin ein "Hauptmarkt" für Chinas Investitionen, versicherte der chinesische Ministerpräsident.

Zuletzt hatte es allerdings Spannungen zwischen Peking und Brüssel gegeben, als die EU-Kommission eine Untersuchung zu billigen Solarpaneelen aus China einleitete. Der Solarhandel dürfte auf dem Gipfel ein Hauptthema sein. Allgemein urteilte Wen über die Beziehungen: "Wir betrachten die Entwicklung des anderen als eine Chance, nicht als eine Bedrohung." Laut EU-Diplomaten sollten aber auch heikle Themen wie die Menschenrechte in China und der diplomatische Konflikt zwischen China und Japan um eine Inselgruppe im Ostchinesischen Meer zur Sprache kommen.

© Süddeutsche.de/dapd/afp/dpa/sst - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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