Süddeutsche Zeitung

Auftritt der Gegenspieler:Aus einer anderen Welt

Donald Trumps Rede gerät zu einem Werbespot darüber, wie großartig es den USA doch gehe. Wenig später verspricht Greta Thunberg, man werde sich von Politikern nicht abspeisen lassen.

Von Bastian Brinkmann und Meike Schreiber

Bevor Donald Trump kommt, kommen die beiden Teleprompter, von denen der US-Präsident seine Rede ablesen wird. Sie werden auf die Bühne getragen und poliert. Mit dem Maßband wird der Abstand kontrolliert, damit die Schrift für Trump nicht zu klein wird. Kurze Abstände - das ist eines der Versprechen des Weltwirtschaftsforums in Davos. Wann hört man schon mal einen US-Präsidenten live reden? Oder kann der Klimaaktivistin Greta Thunberg aus der zweiten Stuhlreihe zuhören? Das zieht selbst Topmanager an. Der große Kongresssaal in Davos ist lange vor dem Beginn von Trumps Auftritt voll, auch vor Thunbergs Rede bildet sich eine lange Schlange vor dem Raum. Nicht alle werden hineinpassen.

Manche Dinge schafft man nur, wenn man sich zusammensetzt. Das ist das inoffizielle Motto des Weltwirtschaftsforums, das stets dafür wirbt, dass Politik und Wirtschaft zusammen die großen Probleme der Welt angehen sollen. So ein gemeinsames Ding hat das Forum auch dieses Jahr gestartet, zumindest als Absichtserklärung. Bis 2030 sollen Regierungen und Unternehmen eine Billion Bäume pflanzen. US-Präsident Trump kündigt in Davos an, dass seine Regierung sich der Initiative anschließt - es ist der einzige Moment seines Auftritts, der vom Publikum mit Zwischenapplaus bedacht wird. Klimaaktivistin Thunberg, die wenig später auftritt, hat er damit nicht gewonnen: "Es ist natürlich gut, Bäume zu pflanzen, aber es ist bei Weitem nicht genug." Trump erwähnt sie nicht namentlich. Auch als der US-Präsident nach seinem Auftritt nach Thunberg gefragt wird, bleibt er vor Journalisten vage: "Ich bin ein Anhänger der Umwelt. Ich will das sauberste Wasser, die sauberste Luft."

Es ist ein Tag der Gegensätze in Davos. Thunberg ist jung, Trump ist alt. Sie ist weiblich, er ist männlich. Sie kommt pünktlich, er zu spät. Sie kämpft für die Umwelt, er für seine Wiederwahl.

Superlativ reiht sich an Superlativ, so geht das eine halbe Stunde

Kurz nach Trump und keine fünf Laufminuten von ihm entfernt steigt Thunberg auf ihr Podium. Langsam, als hätte sie eine Last zu tragen, als sei sie müde von ihrem Kampf. Sie ist ernst wie immer, trägt hellrosa Pullover, graue Jogginghose und graue Stiefel, die langen Haare sind zusammengebunden. Der Eindruck von Müdigkeit täuscht. Es ist eine kurze Rede vor etwa zweihundert Zuschauern, aber kraftvoll. "Unser Haus steht noch immer in Flammen", sagt Thunberg. Die junge Generation werde sich nicht mit "leeren Worten und Versprechen" abspeisen lassen.

Trumps Rede ist hingegen wie eine "Siegerrunde in den Alpen", urteilt der Finanzdienst Bloomberg anschließend. Es ist allerdings eine 30-minütige Siegerrunde, bei der das Publikum kaum klatscht. Seine Hauptbotschaft: Den USA gehe es unglaublich gut - dank Trump. Ein Superlativ übertrifft den vorigen, Eigenlob reiht sich an Eigenlob. Bevor er Präsident wurde, sagt Trump, sei eine weltweite Rezession vorhergesagt worden, eine Dekade der Wachstumsschwäche. Aber dann kam alles anders. In den USA werde "historisch" viel investiert. Unter seiner Regierung seien sieben Millionen Jobs geschaffen worden, das habe sich keiner vorstellen können. Dabei sei die Zahl sieben Millionen genau jene, die er sich vorher überlegt habe, behauptet Trump - worauf im Publikum einzelne hüsteln, andere auflachen. Schwarze, Veteranen, Frauen, Leute mit Abitur als höchstem Schulabschluss, sie alle würden so einfach Arbeit finden wie seit Jahrzehnten nicht oder überhaupt noch nie. Er verfolge die "ehrgeizigste Agenda", Arbeitsplätze zu schaffen. "Die größten Gewinne fahren die Armen ein", sagt Trump.

Rund eine halbe Stunde geht das so. "Ich sehe so viel Potenzial, wir haben noch gar nicht angefangen", sagt Trump. Er zeigt ins Publikum auf die anwesenden Manager. "Viele von Ihnen, die ich kenne, kommen mit Ihren Firmen zurück in die USA." Überhaupt habe die Vorgängerregierung nur "Trümmer" hinterlassen. Um den Firmen zuliebe Bürokratie abzubauen, wollte seine Regierung für jede neue Regel zwei abschaffen. Trump sagt stolz, sie hätten geschafft, acht alte Regeln für jede neue abzuschaffen. "Und das kann noch mehr werden." Kurzum, so sein Fazit: "Es gibt für Unternehmen keinen besseren Platz auf der Welt als die USA."

Auch mit seiner eigene Rede ist Trump zufrieden. "Ich denke, das kam sehr gut an", sagt er anschließend vor Reportern. Vertreter der 200 größten Firmen plus zahlreiche Regierungschefs seien im Saal gewesen. "Viele von denen werden groß in den USA investieren, uns geht es sehr gut."

Das klingt optimistisch - und für Trumps Optimismus bedankt sich hinterher der Gründer des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab. Schon in der Einführung lobt er Trump für die Börsenstände auf Rekordhöhe und die historisch niedrige Arbeitslosigkeit. Anders als vor zwei Jahren stellt Schwab Trump diesmal nicht mal Fragen, der US-Präsident hatte sich jedoch auch um eine Viertelstunde verspätet und den Zeitplan durcheinandergebracht.

Nobelpreisträger Joseph Stiglitz lässt Blätter verteilen, um Trumps Behauptungen zu widerlegen

Über Thunberg hatte sich Forum-Gründer Schwab zuvor skeptischer geäußert. "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zum Werkzeug für den Hype werden, der um sie herum entstanden ist", sagte er. Als sei Thunberg die eigentlich Mächtige und nicht die Firmenchefs und Politiker, die hier zusammenkommen. Nun ist das Weltwirtschaftsforum in Davos nicht das demokratisch kontrollierte Abgeordnetenhaus in Washington, das Trump gerne grillen würde. Und Diplomatie verlangt Höflichkeit. Aber kann man den US-Präsidenten auch zu nett behandeln?

Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck wird nach der Rede für den Instagram-Kanal des ZDF nach seiner spontanen Reaktion gefragt. Er kann kaum an sich halten: "Einfach völlig daneben, im Grunde war es ein einziges Desaster, ich bin fassungslos, wie man so was hier verzapfen kann", sagt Habeck in die Handykamera. "Er ist der Einzige, glaube ich, der es hier nicht verstanden hat. Nur Selbstlob, Ignoranz, Missachtung von allen Leuten, keine Wahrnehmung globaler Probleme. Das war die schlechteste Rede, die ich in meinem Leben gehört habe." Internationale Medien übersetzen seine Worte schnell ins Englische.

Trumps Statistiken zu widerlegen, diese Aufgabe übernimmt der amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz. Auf zwei Din-A4-Seiten hat er einen Faktencheck zusammengestellt, mit vielen Unterpunkten und Zahlen. Ganz oben steht: "War Trump wirklich gut für die US-Wirtschaft?" Die kurze Antwort: Nein. Viele Statistiken hat Stiglitz mit Links zu amtlichen Daten hinterlegt - was ausgedruckt nicht so richtig funktioniert. Egal: In der Kongresshalle verteilt seine Frau Ausdrucke an Trumps Zuschauer.

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SZ vom 22.01.2020
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