Aufstand gegen das Assad-Regime:Syrische Sackgasse

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Der Syrien-Konflikt eskaliert: Während eine geordnete Machtübergabe in Damaskus immer unwahrscheinlicher wird, könnte Russland erneut eine Resolution des UN-Sicherheitsrats verhindern. Moskaus Syrien-Politik ist kurzsichtig - trotzdem sind nicht alle russischen Warnungen falsch.

Sonja Zekri

Über Wladimir Putin wird kolportiert, er habe gesagt, Russlands Weg zu Einfluss im Nahen Osten führe über die "syrische Route". Damals war Putin russischer Präsident, derzeit will er das wieder werden, aber es kann gut sein, dass Russlands Aufbruch nach Nahost demnächst in Syrien endet.

Syriens Präsident Baschar al-Assad muss Aufständische inzwischen in den Vororten von Damaskus niederringen. Die Waffen, die das Regime gegen den Aufruhr einsetzt, sind auch russischen Fabrikats. Jüngst orderte Damaskus drei Dutzend russische Jets, Syrien ist zahlungskräftiger Kunde. Im syrischen Tartus unterhält Moskau seinen einzigen Flottenstützpunkt im Mittelmeer. Unlängst schickte es Kriegsschiffe, von Assads Anhängern als Geste der Solidarität bejubelt. Nun könnte Moskau erneut eine Resolution im UN-Sicherheitsrat verhindern. Die Forderung nach Assads Rücktritt sei unannehmbar, heißt es.

Moskau reagiert allergisch gegen Volksaufstände und internationale Einmischung. Nach den bunten Revolutionen in der Ukraine und Georgien, vor allem aber nach dem Militäreinsatz in Libyen im vergangenen Jahr wittert es hinter der westlichen Debatte um die humanitäre Intervention stets eine versteckte Expansionspolitik. Nicht immer zu Unrecht.

Dennoch ist die russische Syrien-Politik kurzsichtig. Sollten nach dem Fall Assads Oppositionelle in Schlüsselstellungen aufrücken, hätte Russland in Damaskus verspielt. Mehr noch: Die Völker im Nahen Osten haben nach einem Jahr Revolution wenig Verständnis für eine Diplomatie, die sich einzig auf die Vorlieben der Herrscher stützt.

Nicht alle russischen Warnungen sind falsch

Und doch sind nicht alle russischen Warnungen falsch. Wenn die Arabische Liga ihre Beobachtermission nun aussetzt und auf Drängen Katars und Saudi-Arabiens die von Syrien so gefürchtete Internationalisierung vor dem Sicherheitsrat betreibt, dann hat dies mit Menschenrechten nichts zu tun. Die Monarchen vom Golf - sunnitisch-islamistisch, amerikafreundlich, wenig reformeifrig - zielen auf Syrien, aber sie meinen den schiitischen Rivalen Iran. Und dass Washington eine Schwächung Teherans will, versteht sich angesichts der Eskalation im Atomstreit von selbst.

Gewiss, im Sicherheitsrat geht es nicht um Luftschläge, sondern um eine geordnete Machtübergabe. Doch der arabische Plan, der nach jemenitischem Vorbild eine Art Elitentausch mit Oppositionsbeteiligung vorsieht, war bereits in Sanaa nur eingeschränkt erfolgreich. Warum sollte er ausgerechnet in Damaskus funktionieren? Nach fast elf Monaten Martyrium werden sich die Aufständischen nicht so einfach nach Hause schicken lassen. Mit jedem Tag wird der Aufruhr gewalttätiger und fragmentierter. Inzwischen melden selbst die vorsichtigen Kurden Ansprüche an.

Syriens arabische Nachbarn haben kapituliert, nun bekommt die internationale Gemeinschaft eine neue Chance. Von einer Lösung ist der Konflikt weiter entfernt denn je.

© SZ vom 30.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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