Süddeutsche Zeitung

Aufstand gegen Assad:Syrischer Top-Diplomat läuft zur Opposition über

Präsident Assad verliert einen Getreuen nach dem nächsten: Nach einer Reihe hochrangiger syrischer Offiziere ist jetzt der Botschafter des Landes im Irak zu den Aufständischen übergelaufen. "Richtet eure Kanonen und Panzer auf die Kriminellen dieses Regimes", appelliert Nawaf Fares an Syriens Soldaten. Der Westen versucht, mit einem neuen Resolutionsentwurf den Druck auf Assad zu erhöhen.

Der syrische Botschafter im Irak ist aus Protest gegen Präsident Baschar al-Assad zu den Aufständischen übergelaufen. Nawaf Fares erklärte in einer Videobotschaft das Ende seiner diplomatischen Mission und seinen Austritt aus der in Syrien regierenden Baath-Partei. Das Video hatte er auf dem sozialen Netzwerk Facebook hochgeladen, auch der Fernsehsender al-Dschasira strahlte die Botschaft aus.

"Ich rufe alle würdigen und freien Menschen in Syrien, vor allem die Soldaten, auf, sich ebenfalls umgehend der Revolution anzuschließen", sagte er. "Richtet eure Kanonen und Panzer auf die Kriminellen dieses Regimes."

Alle jungen Menschen in Syrien müssten sich der Revolution anschließen, "um den Albtraum dieser Bande zu beenden, die seit mehr als 40 Jahren für Korruption und die Zerstörung der Gesellschaft in Syrien verantwortlich ist."

Fares forderte die Funktionäre der Baath-Partei auf, sich ebenfalls der Opposition anzuschließen. Die Regierung habe die Partei "als Werkzeug für die Unterdrückung des Volkes und seinem Drang nach Freiheit und Würde missbraucht".

Aufenthaltsort des Botschafters ist unbekannt

Wo er sich aufhielt, sagte Fares nicht. Ein Diplomat in Bagdad hatte gesagt, die irakische Regierung wolle am Donnerstag darüber beraten, den Botschafter in ein Drittland zu schicken.

Das Überlaufen des Botschafters bedeutet einen weiteren schweren Schlag für Machthaber Assad. Vergangene Woche war der syrische General Manaf Tlass zur Opposition übergelaufen. Tlass gehörte der Republikanischen Garde an und ist der Sohn eines früheren Verteidigungsministers und engen Freunds von Assads Vater Hafis. Zuvor hatten bereits mehrere hochrangige Offiziere die Seiten gewechselt und in der Türkei Zuflucht gesucht.

Die westlichen Länder im UN-Sicherheitsrat haben indes einen neuen Versuch für eine Resolution mit Sanktionen gegen das Regime in Syrien gestartet. Unmittelbar nach einer Unterredung mit dem Sondergesandten Kofi Annan wurde in New York ein Entwurf vorgelegt, der Strafmaßnahmen möglich machen soll. Allerdings hatte Russland schon deutlich gemacht, keine Sanktionen dulden zu wollen.

Der Entwurf trägt die Handschrift Großbritanniens, Frankreichs, der USA, Portugals und auch Deutschlands. Er fordert ein Ende der Gewalt und den Rückzug von Truppen und schweren Waffen aus Wohngebieten. Sollte die syrische Regierung dem nicht innerhalb von zehn Tagen nachkommen, "sollen sofortige Maßnahmen nach Artikel 41 der UN-Charta folgen".

Artikel 41 lässt nichtmilitärische Strafmaßnahmen wie Wirtschaftssanktionen und eine Einschränkung des Reise-, Güter und Nachrichtenverkehrs zu. Der Entwurf erwähnt ausdrücklich nur diesen Artikel - militärische Optionen finden sich ausschließlich in Artikel 42.

Erste Verhandlungen über das Papier sollen am Donnerstagnachmittag (Ortszeit) beginnen. Der Entwurf verurteilt die Gewalt auf beiden Seiten, sieht die Verantwortung für das seit 16 Monaten anhaltende Blutbad aber eindeutig auf Seiten der Regierung.

Assad deutet Gesprächsbereitschaft an

Russland hat bislang drei Resolutionsentwürfe blockiert, obwohl jeder von ihnen sich auf Appelle beschränkte und keinerlei Strafmaßnahmen enthielt. Syrien ist einer der größten Waffenkunden Russlands und gewährt Moskau zudem einen Flottenstützpunkt.

Annan forderte am Mittwoch vom UN-Sicherheitsrat Geschlossenheit im Syrien-Konflikt. Wenn der Rat mit einer Stimme spreche, sei er viel machtvoller. "Wir wollen das Ende der Gewalt sehen. Wir haben so viele gemeinsame Interessen. Warum arbeiten wir nicht zusammen?"

Annan sagte, dass Assad einen Vermittler benannt habe, der mit der Opposition sprechen solle. "Er hat aber keinen Namen genannt", sagte der Diplomat, der Assad am Montag in Damaskus getroffen hatte.

Erste Gespräche zwischen Russland und Aufständischen

Am Mittwoch führte Russland erstmals offiziell Gespräche mit der syrischen Opposition. Zwar brachte das Treffen des russischen Außenministers Sergej Lawrow mit dem Vorsitzenden des Syrischen Nationalrats (SNC), Abdelbaset Seida, in Moskau keine greifbare Annäherung. Doch allein die Tatsache, dass Moskau mit den Gegnern Assads redet, gilt als Zeichen dafür, dass die Unterstützung Russlands für das Regime in Damaskus nicht unumstößlich ist.

In Syrien tobt seit März 2011 ein Volksaufstand gegen die Herrschaft von Assad. Nach Angaben der oppositionellen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden seitdem mehr als 17.000 Menschen getötet, unter ihnen etwa 12.000 Zivilisten. Die Führung in Damaskus spricht dagegen von einem Kampf gegen Terroristen, die Tausende Soldaten und Polizisten getötet haben sollen.

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