Aufstand gegen Assad:Experten befürchten Polio-Ausbruch in Syrien

An internally displaced child looks on as others watch cartoons in a classroom of a school in Kafranbel in Idlib

Ein syrisches Kind mit seiner Mutter: Experten befürchten, dass Kinderlähmung in Syrien ausgebrochen ist.

(Foto: REUTERS)

Mitten im syrischen Bürgerkrieg könnte die lebensgefährliche Kinderlähmung ausgebrochen sein, warnen Experten. Die humanitäre Situation im Land verschärft sich weiter, mehr als eine halbe Million Menschen sind bereits ins Nachbarland Türkei geflohen.

Bei allem Leid durch den Bürgerkrieg könnte Syrien auch noch von einem Ausbruch der lebensgefährlichen Kinderlähmung betroffen sein. Zum ersten Mal seit 14 Jahren gebe es in dem Land wieder Hinweise auf die von Polioviren verursachte Krankheit, teilte die Globale Initiative zur Ausrottung der Polio in Genf mit.

Bislang seien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von den syrischen Gesundheitsämtern zwei konkrete Verdachtsfälle in der Provinz Deir as-Saur übermittelt worden. Die Proben würden derzeit im Referenzlabor der WHO für die Mittelmeerregion untersucht.

Behörden in Syrien haben die Suche nach weiteren Verdachtsfällen angeordnet. Zudem werden in Nachbarländern zusätzliche Impfaktionen für Syrien vorbereitet. WHO-Experten befürchten jedoch, dass große Immunisierungskampagnen in vielen Gebieten des Landes wegen der Kämpfe nicht möglich sein werden. Zudem wurden durch den Krieg laut WHO mehr als ein Drittel der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen zerstört; viele Mitarbeiter sind geflohen.

Insgesamt sind bereits 600.000 Menschen aus Syrien in die benachbarte Türkei geflüchtet. Weniger als 200.000 von ihnen lebten in Lagern, teilte die türkische Katastrophenschutzbehörde mit. Der Rest sei in gemieteten Unterkünften außerhalb der 21 Lager untergebracht. Die Türkei hat eine etwa 900 Kilometer lange Grenze mit Syrien.

Die Regierung in Ankara unterstützt in dem Konflikt im Nachbarland die Rebellen, die gegen Machthaber Baschar al-Assad kämpfen. In dem seit rund zweieinhalb Jahren andauernden Konflikt sind vermutlich mehr als 115.000 Menschen getötet worden, Millionen sind auf der Flucht. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass im kommenden Jahr weitere zwei Millionen Syrer das Land verlassen und 2,25 Millionen innerhalb des Landes auf der Flucht sein werden. Die Türkei hat Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan zufolge bisher etwa zwei Milliarden Dollar für die Aufnahme und Versorgung der Flüchtlinge ausgegeben.

Ranghoher Rebellenführer getötet

Bei den andauernden Kämpfen in Syrien ist am Montag einer der ranghöchsten Rebellen-Kommandeure im Gefecht getötet worden. Wie Aufständische und staatliche Medien bestätigten, handelte es sich um Jasser al-Abud von der Freien Syrischen Armee. Er sei in Kämpfen gegen Regierungseinheiten in Tafas bei Deraa im Süden des Landes gefallen. Deraa gilt als Wiege des Aufstands gegen Machthaber Assad. Die Stadt wird derzeit von der syrischen Armee kontrolliert, die Rebellen haben aber in den vergangenen Monaten Teile der Altstadt und des Umlands zurückerobert.

Al-Abud war kurz nach Beginn des Aufstands in Syrien von der regulären Armee zu den Rebellen übergelaufen und gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Militärrats der von den westlichen Staaten unterstützten Freien Syrischen Armee im Süden Syriens.

In der von Assad-Truppen belagerten Stadt Muadamija bei Damaskus richteten Einwohner unterdessen einen eindringlichen Appell an die Weltgemeinschaft. In einem offenen Brief beschrieben sie ihre desolate Lage und baten um "Rettung vor dem Tod". "Seit fast einem Jahr ist die Stadt Muadamija unter Belagerung ohne Zugang zu Nahrung, Elektrizität, Medizin, Kommunikation und Benzin", hieß es in dem Brief, der vom oppositionellen Syrischen Nationalrat (SNC) verbreitet wurde. "Wir wurden von Raketen, Artillerie-Bomben, Napalm, Weißen Phosphor und Chemie-Waffen getroffen." In dem Ort seien Hunderte Kinder, Frauen und Männer getötet worden. Nach Angaben des SNC droht in Muadamija mehr als 12.000 Menschen der Hungertod.

90 Prozent der Stadt seien zerstört, die Menschen würden beispielsweise Blätter von Bäumen essen. Die syrische Regierung hatte erklärt, die Einwohner von Muadamija würden von bewaffneten oppositionellen Gruppen "als Geiseln gehalten". Die syrische Führung bestreitet auch den Einsatz von Chemiewaffen. Die Vereinten Nationen berichteten in der vergangenen Woche, in dem Ort seien Tausende Menschen eingeschlossen.

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