Aufruhr in Syrien:Assads Truppen stürmen Oppositionshochburgen

In Syrien geht Staatschef Assad hart gegen Regierungsgegner vor. In der Nacht sollen Sicherheitskräfte mit Panzern in die Stadt Deraa eingedrungen sein - und dort mehrere Menschen erschossen haben. Auch in der Küstenstadt Dschabla sollen Zivilisten getötet worden sein.

Syriens Präsident Baschar al-Assad setzt seinen Unterdrückungskurs offenbar fort: Sicherheitskräfte sollen in der Nacht zum Montag in die Stadt Deraa eingedrungen sein und dort mehrere Menschen erschossen haben. Panzerfahrzeuge hätten ihnen Deckung gegeben, sagte ein Mann dem Sender Al-Dschasira am Telefon, der als Einwohner Deraas bezeichnet wurde. "Zeugen haben mir gesagt, dass es bislang fünf Tote gab", ergänzte der Mann. Der TV-Sender Arabija berichtete ebenfalls von Toten in der Stadt, ohne zunächst Details zu nennen.

Still image taken from amateur video footage shows tanks and soldiers purportedly near Deraa

Was geschieht in Syrien? Eine Aufnahme aus einem im Internet veröffentlichten Amateurvideo soll Panzer und Soldaten beim Vorrücken auf Deraa zeigen. Doch offiziell bestätigen lässt sich das derzeit nicht.

(Foto: REUTERS)

Auch ein Vertreter der Opposition berichtete der Nachrichtenagentur AFP telefonisch über den Einmarsch der Sicherheitskräfte, die von zahlreichen Panzern begleitet worden seien. Nach dem Einmarsch seien umgehend heftige Schusswechsel zu hören gewesen. Den Angaben zufolge schossen die Sicherheitskräfte "in alle Richtungen" und versteckten sich auf ihrem Weg durch die Stadt hinter den Panzern. Sowohl die Stromversorgung als auch das Telefonnetz seien in der Stadt weitgehend zusammengebrochen.

In Daraa hatte die syrische Protestbewegung gegen Staatschef Assad Mitte März ihren Anfang genommen. Nachdem es dort zu blutigen Zusammenstößen mit der Polizei kam, griffen die Proteste auch auf andere Städte über. Erst am Freitag wurden landesweit mehr als 80 Menschen bei regierungskritischen Demonstrationen getötet.

In der Küstenstadt Dschabla wurden nach Angaben einer Menschenrechtsgruppe am Sonntag mindestens 13 Zivilisten von Regierungstruppen und Scharfschützen getötet. Zuvor hatte es auch dort Demonstrationen gegeben.

Auch der Vorort Duma der Hauptstadt Damaskus wurde gestürmt, wie ein Menschenrechtsaktivist berichtete. Sicherheitskräfte hätten auf unbewaffnete Zivilisten geschossen und Einwohner festgenommen. Es handele sich um dasselbe Muster in allen Zentren des Aufstands. "Sie wollen die Revolution niederschlagen und gehen mit äußerster Brutalität vor", sagte der Aktivist. Die Telekommunikationsverbindungen nach Duma seien unterbrochen worden.

Schriftsteller verurteilen Gewalt

In Nawa, wo auf einem Begräbnis ebenfalls Tausende zu einem Sturz des Staatschefs aufgerufen hatten, richteten sich Einwohner auf einen Angriff ein. Manche waren bewaffnet, Straßensperren wurden errichtet. Sie reagierten auf Berichte, Bulldozer und Militärfahrzeuge seien in Richtung der 25 Kilometer nördlich von Deraa gelegenen Stadt unterwegs.

In Banias südlich von Dschabla drohten Protestanführer mit einer Unterbrechung der Küstenautobahn, sollte die Belagerung Dschablas nicht aufgehoben werden. Menschrechtsaktivisten beziffern die Zahl der getöteten Zivilisten seit Ausbruch der Unruhen auf mehr als 350, allein ein Drittel davon in den vergangenen drei Tagen. Der Aufstand gegen Assad scheint sich immer stärker auszuweiten.

Etwa hundert Schriftsteller und Journalisten in Syrien veröffentlichten unterdessen eine gemeinsame Erklärung, in der das Vorgehen der Regierung scharf angeprangert wird. "Wir verurteilen die unterdrückerischen Akte der Gewalt des syrischen Regimes gegen die Protestierenden und betrauern die Märtyrer des Aufstands", heißt es darin. In der am Sonntag veröffentlichten Erklärung wurde außerdem eine tendenziöse Berichterstattung der staatlichen Medien über die Proteste kritisiert. Die Staatsmedien verbreiteten Lügen, kritisierten die Autoren.

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