Aufklärungspannen bei NSU-Morden:Roth will MAD abschaffen

Bedauern reicht Claudia Roth nicht. Die Grünen-Chefin greift Verteidigungsminister de Maizière wegen der zurückgehaltenen Informationen zu den NSU-Morden scharf an. Auch der Militärgeheimdienst habe ausgedient, sagte Roth der SZ. Im NSU-Untersuchungsausschuss sollen nun Vertreter des MAD und des Verteidigungsministeriums befragt werden.

Der Militärische Abschirmdienst (MAD) gerät wegen seiner geheimen Kontakte zu NSU-Terrorist Uwe Mundlos massiv unter Druck. Vor allem die Grünen gehen den Militärgeheimdienst wegen mangelnder Information des NSU-Untersuchungsausschusses scharf an. Die Vorsitzende Claudia Roth forderte, den MAD abzuschaffen und im Verteidigungsministerium "personelle Konsequenzen" aus der versäumten Übermittlung von Informationen an den Untersuchungsausschuss zu ziehen. "Der MAD hat ausgedient", sagte Roth der Süddeutschen Zeitung.

Grünen-Vorsitzende Claudia Roth

Scharfe Kritik: Grünen-Vorsitzende Claudia Roth will den MAD abschaffen.

(Foto: dapd)

Das Zurückhalten von sensiblen Informationen nähre die Befürchtung, dass sich bei den deutschen Geheimdiensten "ein Staat im Staate" herausgebildet habe. Roth griff Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) auch direkt an: "Der Vorgang hat eine Tragweite, bei der es nicht genügt, wenn Thomas de Maizière lediglich von bedauerlichen Versäumnissen spricht." Der Vorfall "kann im Verteidigungsministerium nicht ohne personelle Konsequenzen bleiben", sagte Roth der SZ.

Künast kritisiert Geheimdienst als Gefahr für Demokratie

Scharfe Kritik kam auch von Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. "Der Skandal wird immer unglaublicher", sagte sie der Mitteldeutschen Zeitung. Dass beim Verfassungsschutz und beim MAD Akten über die NSU-Terroristen verschwunden seien, sei kein Zufall. "Die Geheimdienste wollten die Gefahr von rechts nicht sehen. Ihre Ignoranz hat Menschenleben gekostet", sagte Künast. Solche Geheimdienste seien kein Schutz, sondern eine Gefährdung für unsere Demokratie. Das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden sei zerstört und ein grundlegender und personeller Neustart nötig.

Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele sagte den Ruhr Nachrichten: "Der Militärische Abschirmdienst gehört abgeschafft. Diese Behörde hat sich verselbstständigt." Die Aufgaben könnten auch vom Bundesamt für Verfassungsschutz übernommen werden.

Edathy will MAD-Vertreter im Untersuchungsausschuss befragen

Der Neonazi-Untersuchungsausschuss im Bundestag fordert von der Bundesregierung weitere Aufklärung über die Aktenpanne. "Mit Statements der Regierung gebe ich mich nicht zufrieden", sagte der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. Der Ausschuss wolle die zuständigen Vertreter des MAD und des Verteidigungsministeriums in einer Sondersitzung im Oktober selbst befragen. Edathy warf Verteidigungsminister de Maizière Versäumnisse vor. "Er hätte veranlassen müssen, dass der Ausschuss informiert wird", sagte der SPD-Politiker. Pläne, den Minister selbst in den Ausschuss zu laden, gebe es derzeit aber nicht.

Am Dienstag war bekanntgeworden, dass der Militärgeheimdienst schon in den 1990er Jahren eine Akte zu dem späteren NSU-Terroristen Mundlos angelegt hatte. Das Verteidigungsressort hatte bereits im März dieses Jahres davon erfahren, gab diese Information damals aber nicht an den Neonazi-Untersuchungsausschuss weiter. Auch de Maizière wusste bereits seit Monaten von der Existenz der Unterlagen. Der CDU-Politiker räumte am Mittwoch ein, es sei unsensibel gewesen, dass sein Haus die Abgeordneten nicht gezielt auf die Papiere hingewiesen habe.

In Reaktion auf die Pannen hatte auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) am Mittwoch verlangt, den Geheimdienst der Bundeswehr aufzulösen. Die Bundestagsfraktionen von FDP und Grünen sowie die Linken hatten sich dieser Forderung angeschlossen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beteuerte, die Regierung tue alles, um die Vorgänge aufzuklären.

Der NSU-Ausschuss kommt an diesem Donnerstag erneut zusammen. Im Mittelpunkt der Sitzung steht der Polizistenmord von Heilbronn 2007, der auch auf das Konto der rechtsextremen Terrorzelle NSU gehen soll. Der "Nationalsozialistische Untergrund" wird insgesamt für zehn Morde verantwortlich gemacht.

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