Aufklärungsdrohne "Euro Hawk":Totalschaden in luftiger Höhe

Thomas de Maiziere

Verteidigungsminister Thomas de Maizière

(Foto: dpa)

Lange Zeit schien Thomas de Maizière gekonnt über dem Parteienstreit zu schweben. Doch das Bild des peniblen, stets überlegten Verteidigungsministers hat Kratzer bekommen. Wegen des Drohnen-Desasters steht sein Ressort nun in der Kritik - auch von Seiten des Koalitionspartners.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Bis zum 5. Juni sind es noch gut zwei Wochen, in der politischen Zeitmessung kann das eine kleine Ewigkeit sein. Doch ewig, das wird von Tag zu Tag klarer, hat der Verteidigungsminister nicht Zeit. Von ihm werden jetzt Antworten erwartet.

Am 5. Juni kommt der Verteidigungsausschuss des Bundestags zu seiner nächsten regulären Sitzung zusammen, und Thomas de Maizière (CDU) hat angekündigt, dann einen Bericht zum desaströs gescheiterten Projekt Euro Hawk vorzulegen: eine chronologische Aufarbeitung dieses Irrtums, der den Staat und damit die Steuerzahler Hunderte Millionen Euro gekostet hat. Wie viel genau, das ist noch unklar.

Darum geht es auf der einen Seite, um Kosten und technische Details. Auf der anderen Seite geht es um den Minister selbst. Lange Zeit hatte er in einem Kabinett, dessen sonstige Mitglieder eine Negativschlagzeile nach der anderen lieferten, als Saubermann gegolten. Selbst Fehler wie jener, als er über "ethisch neutrale" Waffen schwadronierte, waren schnell vergessen.

Als er dann aber Ende Februar seinen Soldaten empfahl, sie sollten aufhören, "dauernd nach Anerkennung zu gieren", bekam das Bild des peniblen, stets überlegten Ressortchefs erste Kratzer. Nun, mit dem Totalschaden des Euro Hawk, ist eine neue Dimension erreicht. Es dreht sich jetzt nicht mehr um Worte, sondern um harte Zahlen, erschreckend große zumal.

Probleme waren seit spätestens 2011 bekannt

Damit wird de Maizière auch zur Belastung für die Kanzlerin. In vier Monaten ist Bundestagswahl, und bislang war die Mehrheit der Bürger davon überzeugt, dass ihr Steuergeld bei Angela Merkel gut aufgehoben sei. Nun muss sich ausgerechnet ihr Vertrauter und immer wieder als potenzieller Nachfolger gehandelter ehemaliger Kanzleramtschef den Vorwurf gefallen lassen, er habe Geld zum Fenster herausgeworfen - schließlich waren die Schwierigkeiten bei der Zulassung des Euro Hawk für den zivilen Luftraum der Spitze des Ministeriums spätestens seit 2011 bekannt.

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) geht noch weiter: Sie berichtete, die Bundeswehr habe seit 2004 von den Problemen gewusst, also bereits lange bevor Ende 2007 der Vertrag unterzeichnet wurde. Damit könnte auch die SPD in Erklärungsnot geraten, die 2004 noch den Verteidigungsminister stellte und 2007, als der CDU-Mann Franz Josef Jung das Ministerium leitete, immerhin noch an der Regierung beteiligt war. Der FAS zufolge hätte dann spätestens im Sommer 2011 auch dem letzten Eingeweihten klar sein müssen, dass man vor einem Debakel stand.

Damals wurde der Euro Hawk aus Kalifornien nach Deutschland überführt, und während dieses Flugs riss dem Bericht nach zweimal die Satellitenverbindung zwischen Bodenstation und Drohne ab, jeweils für etwa zehn Minuten. Als sie wiederhergestellt war, hatte das unbemannte Fluggerät an Höhe verloren und war vom Kurs abgewichen. Zudem hatten die US-Behörden die Überflugrechte für die Drohne verweigert. Kurz zuvor hatte das Pentagon einen Bericht über gravierende Probleme beim Global Hawk vorgelegt, auf dem der Euro Hawk basiert. Das Hauptproblem bei dessen Zulassung bestand offenbar darin, dass er über kein System verfügt, mit dem Kollisionen in der Luft auch dann vermieden werden können, wenn der Kontakt zur Bodenstation verloren geht. Dass dieses "Sense-and-Avoid"-System fehlte, war eigentlich seit jeher bekannt.

"Es darf jetzt kein Cent mehr fließen"

Umso härter fällt nun die Reaktion aus. Der Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour fordert ein "sofortiges Moratorium für alle weiteren Ausgaben". So habe das Ministerium angekündigt, die Tests mit dem Euro Hawk bis Ende September fortzuführen. "Allein das kostet nach meiner Kenntnis fünf Millionen Euro aufwärts", sagt Nouripour. "Es darf jetzt aber kein Cent mehr fließen, bevor nicht die Fakten ausnahmslos auf dem Tisch liegen."

Der SPD-Verteidigungspolitiker Hans-Peter Bartels weist zudem darauf hin, dass in der bisherigen Planung des Ministeriums nicht nur die Beschaffung von fünf Euro Hawks vorgesehen sei, sondern auch von vier Global Hawks. "Was passiert denn jetzt eigentlich damit?", fragt er. "Und was passiert mit fünf weiteren Global Hawks, die von der Nato beschafft werden sollen? Sind da die Probleme etwa gelöst?"

Ähnliche Fragen hat die FDP-Verteidigungsfachfrau Elke Hoff: Es dürfe "auch auf Nato-Ebene kein weiteres Steuergeld für Drohnen-Systeme investiert werden", solange die Zulassungsprobleme nicht geklärt seien, fordert sie. Das Ministerium müsse "mit den Bündnispartnern alle Details für eine Zulassung im europäischen Luftraum" klären - und zwar so schnell wie möglich, "um weiteren Schaden vom Steuerzahler abzuwenden". Ihr Parteifreund, der Haushälter Jürgen Koppelin, sieht eine "Schwachstelle im Bundesverteidigungsministerium, dass bei großen Beschaffungsmaßnahmen Kontrolle und Verantwortung nicht richtig funktionieren".

Damit kommt die Kritik nun auch aus den Reihen von Schwarz-Gelb. Zwei Wochen könnten da deutlich zu lang sein. Das dürfte auch Thomas de Maizière ahnen.

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