Süddeutsche Zeitung

Ermittlungen gegen Attila Hildmann:Passwörter und andere Hemmnisse

Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen den Verschwörungsfabulierer Attila Hildmann wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Bedrohung. Doch mit der Beweiserhebung geht es nur schleppend voran.

Von Florian Flade und Ronen Steinke, Berlin

Vor drei Monaten hat die Berliner Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen den Vegan-Koch Attila Hildmann übernommen. Noch immer aber sind wichtige Beweismittel in dem Fall offenbar nicht ausgewertet. Gegen den Koch, der vor allem über seinen Telegram-Kanal mit mehr als 114 000 Followern gegen die Corona-Politik der Bundesregierung hetzt und wirre Verschwörungsmythen verbreitet, waren im vergangenen Jahr zahlreiche Anzeigen wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Bedrohung eingegangen. Zunächst hatte die Brandenburger Justiz das Verfahren geführt, da Hildmann in Wandlitz im Landkreis Barnim wohnhaft ist, dann aber übernahm die Staatsanwaltschaft Berlin.

"Wir klären auf, ob und in welchem Umfang Attila Hildmann durch seine Äußerungen die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten und sich strafbar gemacht haben könnte", teilte die Behörde im vergangenen Jahr mit. Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung und WDR sind die Ermittlungen in Berlin allerdings noch nicht besonders weit fortgeschritten - zumindest, was die sichergestellten Beweismittel angeht. Die Festplatten der Laptops von Hildmann, die im vergangenen November bei einer Wohnungsdurchsuchung beschlagnahmt worden waren, wurden bis heute nicht ausgewertet. Eine der Festplatten soll so stark beschädigt sein, dass die Daten nicht ausgelesen werden können, eine weitere ist offenbar durch ein Passwort derart gut geschützt, dass die Ermittler sie nicht öffnen können. Die anderen Datenträger konnten zwar gespiegelt werden, eine Auswertung fand allerdings bislang nicht statt.

Ausgewertet werden auch Hildmanns Posts auf verschiedenen Kanälen

In Justizkreisen herrscht Verwunderung darüber, warum die Forensiker des Berliner Landeskriminalamtes (LKA) so lange brauchen. Die Berliner Polizei wollte sich auf Nachfrage nicht zu "laufenden Ermittlungen" äußern. Die Staatsanwaltschaft wiederum teilte mit, die Auswertung der sichergestellten Datenträger dauere weiter an. Zudem werte man gemeinsam mit dem LKA "über tausend auf unterschiedlichen Kanälen veröffentlichte Äußerungen des Tatverdächtigen sorgfältig aus".

Mehr als 40 Anzeigen waren alleine zwischen Mitte September und Mitte Oktober vergangenen Jahres gegen Hildmann eingegangen - unter anderem wegen Volksverhetzung, der Androhung von Straftaten und Beleidigung. Die Ermittlungen liefen zunächst bei der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Internetkriminalität in Cottbus. Am 17. November 2020 ließen die Staatsanwälte die Wohnung von Hildmann durchsuchen und eine Gefährder-Ansprache bei ihm durchführen. Es wurden sechs Laptops, mehrere Mobiltelefone und weitere Datenträger sichergestellt. Eine Auswertung der Asservate auf strafrechtliche Inhalte war jedoch zunächst nicht vorgesehen, da es sich um einen Gefahrenabwehrvorgang handelte. Dabei ging es lediglich darum, etwaige zukünftige Straftaten zu verhindern.

Kurz darauf übernahmen die Berliner den Fall. "Es trägt zur effektiveren Strafverfolgung bei, wenn diese Ermittlungen ab jetzt bei uns gebündelt in die Hand genommen werden", sagte Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne). Das Verfahren wird seitdem bei der neu eingerichteten Zentralstelle Hasskriminalität der Berliner Staatsanwaltschaft geführt.

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