Attentate auf iranische Atomwissenschaftler:Deckname "Bajonett"

Wer steckt hinter der Ermordung von mindestens vier iranischen Atomwissenschaftlern? Bislang hieß es, iranische Dissidenten, angeheuert vom Mossad, hätten die Attentate verübt. Ein neues Buch widerspricht.

Michael König

"Wir sind, sagen wir mal, kreativ. Wir sind unkonventionell in manchem, was wir tun. Und wir behalten fast alles für uns." (Efraim Halevy, früherer Chef des Mossad)

Zerstörtes Auto des Atomwissenschaftler Roshan in Iran

Das zerstörte Auto des getöteten iranischen Atomwissenschaftlers Mostafa Ahmadi Roschan steht in Teheran an einer Straßenkreuzung. Zwei Attentäter hefteten magnetische Bomben an die Karosserie und flohen auf dem Motorrad. Roschan kam bei der Explosion ums Leben.

(Foto: REUTERS)

Die Bilder des grauen Peugeot 405 gingen im Januar diesen Jahres um die Welt. Die zerstörte Fahrgastzelle, bedeckt mit einer blauen Plastikplane. Blutspuren am Auto und auf der Straße. Der Fahrer des Wagens, Mustafa Ahmadi Roschan, war Unversitätsprofessor und angeblich einer der Direktoren der größten iranischen Uran-Anreicherungsanlage in Natans. Er starb, weil zwei Männer auf einem Motorrad an seinem Auto magnetische Bomben platzierten.

Roschan war kein Einzelfall: Seit 2010 wurden mindestens vier iranische Forscher mit Verbindung zum Atomprogramm bei Anschlägen getötet - offenbar um die Entwicklung einer Atombombe zu verzögern. Teheran machte zuletzt neben Israel und den USA auch andere Nationen dafür verantwortlich. Geheimdienste aus Deutschland und Frankreich hätten bei den Attentaten ihre Finger im Spiel gehabt, sagte Geheimdienstminister Heidar Moslehi nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Irna. Ein Sprecher der Bundesregierung erklärte, "derartige abstruse Vorwürfe" würden nicht kommentiert.

Iranische Dissidenten als Hauptverdächtige

Zwei renommierte Experten in der Welt der Geheimagenten wollen die wahren Täter nun identifiziert haben: Eine Spezialeinheit des israelischen Geheimdienstes Mossad sei für die Morde verantwortlich, schreiben Dan Raviv (Reporter beim amerikanischen TV-Sender CBS) und Jossi Melman (ehemals Geheimdienst-Korrespondent der israelischen Zeitung Haaretz) in ihrem neuen Buch Spies against Armageddon. Die Autoren berufen sich auf Gespräche mit ehemaligen und aktiven Mossad-Agenten.

Bislang gingen Experten davon aus, vom Mossad angeworbene iranische Dissidenten hätten die Morde verübt. Etwa die Oppositionsgruppe der Volksmudschaheddin oder Angehörige der kurdischen Organisation Pejak. Das Regime unterstützt diese These mit der Festnahme mutmaßlicher Auftragsmörder. Im Mai wurde der 24 Jahre alte Jamal Fasihi in Teheran des Mordes an einem Atomwissenschaftler schuldig gesprochen und gehängt. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm vorgeworfen, für Israel gearbeitet zu haben.

"Viel zu sensibel"

Raviv und Melman widersprechen: "Die Methoden, der Transport, die Kommunikation und vor allem die innovativen Bomben, die bei den Morden verwendet wurden, sind viel zu sensibel, als dass sie der Mossad ausländischen Auftragskillern überlassen würde."

Stattdessen, so die Autoren, sei eine Mossad-Spezialeinheit namens "Kidon" (hebräisch für Bajonett) auf die Atomwissenschaftler angesetzt worden. Kidon-Angehörige seien innovativer, tapferer und physisch stärker als normale Mossad-Agenten. "Sie sind in Iran. Sie haben Wege gefunden, sich hinein- und wieder hinauszuschleichen", sagte Raviv dem Washingtoner Radiosender WTOP. Teheran mache andere Nationen verantwortlich, um von seiner Ohnmacht gegenüber dem Mossad abzulenken und sich für die Sanktionen des Westens zu rächen.

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