Attentat:Tödliches Spiel

Der Anschlag auf die alljährliche Baseballpartie der Abgeordneten schockiert Washington. Die politische Kluft wird immer größer.

Von Matthias Kolb

Wochenlang hatten sich Abgeordnete und Senatoren getroffen, um für das jährliche Baseball-Benefizspiel zu trainieren. Im politischen Betrieb von Washington ist das Congressional Baseball Game, das seit dem Jahr 1909 ausgetragen wird, einer der wenigen Anlässe, bei denen Demokraten und Republikaner freundschaftlich zusammenkommen. Am Mittwoch verwandelte ein Attentäter das Spielfeld in ein "killing field", wie es der Senator Rand Paul formulierte. Der 66-jährige James Hodgkinson feuerte Dutzende Schüsse auf die Politiker ab. Die Abgeordneten Steve Scalise und Roger Williams, zwei Polizisten, ein Mitarbeiter eines Abgeordneten und ein Lobbyist wurden verletzt.

Dass es bei dem Attentat in Alexandria, wenige Kilometer von der US-Hauptstadt Washington entfernt, außer dem Schützen selbst keine Toten gab, ist wohl nur der Tatsache geschuldet, dass Scalise auf dem Platz stand: Scalise ist der drittmächtigste Republikaner im Repräsentantenhaus und wird rund um die Uhr von der Polizei des US-Kongresses beschützt. Diese Beamten erwiderten das Feuer und verletzten den Attentäter so schwer, dass dieser später im Krankenhaus starb.

Es gibt kaum Zweifel, dass Hodgkinsons Tat politisch motiviert war. Der Mann aus Illinois soll nach bisherigen Erkenntnissen ein Fan von Bernie Sanders sein. Während der vergangenen Wochen soll er sich immer wieder in der Nähe des Trainingsplatzes aufgehalten und sich vergewissert haben, dass dort Republikaner trainieren. Auf seiner Facebook-Seite schrieb Hodgkinson: "Trump ist ein Verräter. Trump hat unsere Demokratie zerstört. Es ist Zeit, Trump & Co. zu zerstören."

Die Tat weckt Erinnerungen an den Anschlag auf Gabby Giffords im Jahr 2011

Der Angriff versetzte Washington in einen Schockzustand, Abgeordnete in den Gängen des Kapitols brachen in Tränen aus. Die Tat weckt Erinnerungen an das Attentat auf die Demokratin Gabby Giffords, bei dem im Januar 2011 in Arizona sechs Menschen starben und die Abgeordnete schwer verwundet wurde. Auch damals war das politische Klima emotional und feindselig: Die Obamacare-Krankenversicherung war verabschiedet worden, die Tea Party wurde mächtiger und ein Wahlverein der Republikanerin Sarah Palin zeigte mehrere Abgeordnete aus eng umkämpften Wahlkreisen, darunter auch Giffords, im Fadenkreuz eines Gewehrs. Den Vorwurf, dadurch den Täter ungewollt motiviert zu haben, wies Palin zurück - mit ähnlich deutlichen Worten distanziert sich nun Bernie Sanders, der die Tat "abscheulich" nennt.

Donald Trump hat im ersten Moment sehr angemessen auf die Tat reagiert. In einer vierminütigen Ansprache rief er zur Einheit des Landes auf und dankte den Polizisten für ihren heldenhaften Einsatz. "Wir mögen alle unterschiedliche Vorstellungen haben, aber gerade in solchen Momenten sollten wir uns daran erinnern: Alle, die in unserer Hauptstadt arbeiten, sind vor allem hier, weil sie unser Land lieben", sagte der Präsident, der am Mittwoch seinen 71. Geburtstag feierte. Trump besuchte gemeinsam mit seiner Frau Melania den verletzten Abgeordneten Steve Scalise im Krankenhaus.

Einen Tag später tippte er bereits wieder wütende Tweets in sein Smartphone. Das trägt nicht dazu bei, die politische und gesellschaftliche Debatte in den USA zu beruhigen. Anhänger von Republikanern und Demokraten gingen sich im Internet hasserfüllt an. "Dieser Kerl wurde von den linken Medien radikalisiert. Er hatte diese Informationen zu sich genommen und verarbeitet", schimpft Moderator Greg Gutfeld auf Fox News. Der Vorwurf an die Demokraten lautet zudem: Mit durchgestochenen Informationen über die Russland-Ermittlungen solle Trump geschwächt und ein feindseliges Klima gegenüber dem Präsidenten geschaffen werden (siehe Text rechts). Die Demokraten verurteilten die Tat in aller Deutlichkeit.

Die New York Times verwies darauf, dass es im Bundesstaat Virginia, wo sich die Tat ereignete, kaum Kontrollen beim Waffenkauf gibt - beunruhigend angesichts der Nähe zur US-Hauptstadt Washington. Eine Diskussion über den Umgang der US-Amerikaner mit Feuerwaffen wird es aber nicht geben. Der Abgeordnete Mo Brooks, der ebenfalls beim Baseball-Training war, machte stellvertretend für viele republikanische Kollegen seinen Standpunkt klar: "Es ist nicht leicht zu verkraften, wenn man sieht, dass um einen herum Leute erschossen werden, und man selbst hat keine Waffe."

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