Attentat in Marokko:Opferzahlen des Anschlags in Marrakesch steigen

Die Anzahl der Toten des Bombenanschlags auf ein Touristen-Café in Marokko steigt weiter: Bei der Detonation am Platz der Gaukler in Marrakesch starben mindestens 16 Menschen, viele von ihnen Franzosen, eine Holländerin und vermutlich auch ein Brite. Marokko versucht verzweifelt, Schaden für den Tourismus abzuwenden.

Es war ein Blutbad am Platz der Gaukler und Händler in Marrakesch. Bei dem Anschlag waren am Donnerstag nach Angaben der marokkanischen Behörden 16 Menschen "unterschiedlicher Nationalitäten" getötet worden. Zwei davon erlagen auf dem Weg ins Krankenhaus ihren Verletzungen. Unter den Todesopfern seien auch elf ausländische Besucher. Mindestens 20 weitere Menschen wurden verletzt. Rettungskräften hatten die Zahl der Todesopfer zuvor mit mindestens 18 angegeben.

Explosion in Marrakech

Anschlag auf Touristen-Café in Marrakesch: Mindestens 16 Menschen starben, elf von ihnen sollen Ausländer gewesen sein.

(Foto: dpa)

Unter den Toten sind nach Informationen aus Paris und Den Haag sechs Franzosen und ein Niederländer. Nach Angaben der örtlichen Behörden starben zudem zwei Kanadier und vier Marokkaner. Unbestätigten Berichten zufolge wurden auch eine schwangere Israelin und ihr aus Marokko stammender Ehemann getötet.Auch die deutsche Botschaft in Rabat ist eingeschaltet und bemüht sich mit Hochdruck um Informationen zur Identität der Toten und Verletzten. Bisher gebe es aber keine Hinweise darauf, dass Deutsche bei dem Attentat getötet oder verletzt worden seien.

Unbestätigten Berichten zufolge soll es erste Festnahmen gegeben haben. Die Sicherheitsvorkehrungen seien verschärft worden.

Zunächst bekannte sich niemand zu dem Anschlag. Es wird aber spekuliert, dass die Gruppe Organisation al-Qaida im Islamischen Maghreb (AQMI), ein nordafrikanischer Ableger des Terrornetzes von Osama bin Laden, hinter dem Blutbad stecken könnte. Die Terroristen schlugen zur Mittagszeit zu, als das am zentralen Djemaa-el-Fna-Platz gelegene Café Argana besonders gut besucht war. Der Platz beziehungsweise dessen Kulturraum zählt zum Unesco-Weltkulturerbe (Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit) und ist mit seinen Gauklern und Händlern die wichtigste Sehenswürdigkeit in der marokkanischen Wüstenstadt.

Unklar ist, ob ein Selbstmordattentäter das Blutbad angerichtet hat. Noch seien nicht alle Leichen identifiziert worden, hieß es in örtlichen Medien. Es sei nicht auszuschließen, dass jemand die Bombe in dem Café platzierte und dann flüchtete. Augenzeugen berichteten von einem verdächtig erscheinenden Einheimischen mit einem Rucksack.

Das örtliche Fernsehen berichtete hingegen, ein Selbstmordattentäter sei in die Küche des Lokals eingedrungen und habe sich neben den Gasflaschen für den Herd in die Luft gesprengt. Dies habe die Wucht der Detonation noch vergrößert. Die Polizei hatte die gewaltige Explosion zunächst auf ein Gasleck in der Küche zurückgeführt. "Die Untersuchung der ersten Beweismittel vom Tatort weist jedoch auf ein Attentat hin", teilte das Innenministerium später mit.

"Die gesamte erste Etage des Cafés Argana wurde durch diese Explosion beschädigt", sagte ein Augenzeuge in einem Telefonat mit der Nachrichtenagentur AFP. Die Ehefrau eines Kellners, der getötet wurde, sagte, die Explosion habe sich auf der Terrasse ereignet. Ein anderer Augenzeuge wollte beobachtet haben, wie ein Mensch das Café betrat, eine Bombe ablegte und wieder ging. Ermittlungen seien eingeleitet worden, um die genauen Ursachen festzustellen, sagte Innenminister Cherkaoui.

Es habe sich um einen "terroristischen Akt" gehandelt, sagte Marokkos Kommunikationsminister Khalid Naciri der Nachrichtenagentur AFP. Das Land sei "wieder mit den gleichen Bedrohungen konfrontiert wie im Mai 2003". Im Mai 2003 starben bei Selbstmordattentaten auf westliche und jüdische Einrichtungen in der Wirtschaftsmetropole Casablanca 45 Menschen, darunter zwölf der Täter. Seitdem hat die Polizei Dutzende Terrorzellen zerschlagen und Tausende mutmaßliche islamistische Extremisten verhaftet.

Die marokkanische Regierung bemüht sich nun, den Schaden für den Tourismus in Grenzen zu halten. "Als Tourist in ein Land zu reisen und tot zurückzukehren, ist eine schreckliche Sache", sagte der marokkanische Finanzminister Salaheddine Mezouar am Freitag bei einem Besuch in Spanien. "Wir werden sehr hart daran arbeiten, dass dies keine Folgen für den Tourismus in Marrakesch hat".

"Zynische und verabscheuungswürdige Tat"

Der Weltsicherheitsrat verurteilte den Anschlag "aufs Schärfste". In einer Presseerklärung sprachen die 15 Ratsmitglieder den Angehörigen der Opfer dieser "schrecklichen Tat" ihr Mitgefühl aus. "Jede Form von Terrorismus ist kriminell und nicht zu rechtfertigen", heißt es in der Erklärung, die in der Nacht zum Freitag in New York verbreitetet wurde. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich "entsetzt" von dem Anschlag. Wie ein Sprecher mitteilte, wies Ban den Einsatz "wahlloser Gewalt gegen unschuldige Zivilisten" scharf zurück. "Kein politisches Ziel rechtfertigt solch eine abscheuliche Tat oder wird durch sie bedient", erklärte der UN-Generalsekretär.

Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilte den Terroranschlag in Marrakesch als barbarisch und übermittelte in einem Kondolenzschreiben an König Mohammed VI. ihre Anteilnahme nach dem Tod von 16 Menschen. "Mit Abscheu und Entsetzen habe ich die Nachricht von dem schrecklichen Terroranschlag in Marrakesch vernommen, dem viele Menschen zum Opfer gefallen sind. (...) Meine Gedanken sind bei den Hinterbliebenen, die Verwandte oder Freunde verloren haben. Den zahlreichen Verletzten wünsche ich von Herzen baldige Genesung", schrieb Merkel in in Berlin veröffentlichten Brief.

US-Außenministerin Hillary Clinton bezeichnete den Anschlag in einer Erklärung bereits am Donnerstag als "feiges terroristisches Attentat". "Die Vereinigten Staaten verurteilen auf das Schärfste den terroristischen Angriff, der heute Unschuldige in einem Café von Marrakesch in Marokko getötet und verletzt hat", erklärte Clinton. Bundesaußenminister Guido Westerwelle bezeichnete den Anschlag als "zynische und verabscheuungswürdige Tat". Diese dürfe "keinesfalls dazu führen, dass der eingeleitete Reformprozess in Marokko unterminiert wird".

Wie in anderen nordafrikanischen Ländern sind auch in Marokko in den vergangenen Monaten Tausende Menschen auf die Straßen gegangen, um demokratische Reformen einzufordern. Die jüngste Demonstration fand am Wochenende statt. Gewalttätige Unruhen wie in anderen Staaten der Region blieben in Marokko aber weitgehend aus.

Der in weiten Teilen der Bevölkerung beliebte König Mohammed VI. kündigte tiefgreifende Reformen an. So will er einen Teil seiner Macht abgeben und die Befugnisse der Regierung sowie des Parlaments stärken. Ein Zusammenhang zwischen dem Anschlag in Marrakesch und den Protesten sei daher nicht zu erkennen, hieß es in Medienberichten.

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