Attentat in Iran:Botschaft ohne viele Worte

Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu speaks during a news conference at the Ministry of Defence in Tel Aviv

Tötung mit Ansage? Schon bei einer Pressekonferenz im April 2018 hob der israelische Premierminister Mohsen Fakhrizadeh hervor.

(Foto: AMIR COHEN/REUTERS)

Obwohl die israelische Regierung sich nicht öffentlich zur gezielten Tötung des iranischen Atomphysikers bekennt, gibt es doch wenig Zweifel daran.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Schweigen ist Gold. Mögen viele nun wieder mit dem Finger auf Israel zeigen, mögen Irans Scharfmacher sich in Racheschwüren ergehen nach der Tötung des obersten Atomwissenschaftlers Mohsen Fakhrizadeh - in Israel gehört es seit jeher zur Staatsräson, in solchen Fällen offiziell keinerlei Kommentar abzugeben. Natürlich hat man sich auch nun wieder eisern daran gehalten in Jerusalem, mit einer Ausnahme allerdings: Israels Premierminister Benjamin Netanjahu.

In einem Video, das er kurz nach den ersten Meldungen über die Attacke nahe Teheran auf Facebook postete, zählte er all seine Erfolge der letzten Tage auf und bekannte dabei freimütig, dass diese Auflistung nur unvollständig sei. Der Grund: "Weil ich nicht alles erzählen kann."

Mehr musste Netanjahu gar nicht sagen, um die Spekulationen darüber weiter anzuheizen, dass dieser Vorfall die Handschrift des Mossad trägt. Bestätigt wurde dies der New York Times sogleich aus drei Geheimdienstquellen, und am Sonntag legte die Zeitung noch einmal nach und zitierte einen anonym bleibenden israelischen Offiziellen mit der Aussage, die Welt solle Israel dankbar sein für die Tötung Fakhrizadehs.

Solch verdeckter Bekennermut gilt in israelischen Sicherheitskreisen gemeinhin nicht als sonderlich klug und sogar als gefährlich, weil damit weiter Öl ins Feuer gegossen wird und eine Vergeltung provoziert werden könnte. "Es ist schon zu viel geredet worden", kritisierte Amos Yadlin, früher Chef des israelischen Militärgeheimdienstes und heute Direktor des Instituts für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv bei einem Zoom-Gespräch mit Journalisten. Seine Empfehlung an die Führung: "Still bleiben."

In Teheran ist allerdings auch ohne Hinweise aus dem Feindesland sofort und aus den höchsten Kreisen Israel der Täterschaft bezichtigt worden. Außenminister Mohammed Dschawad Sarif sieht dafür "ernsthafte Anzeichen", Präsident Hassan Rohani spricht von "teuflischen Plänen der Zionisten". Denn dass Fakhrizadeh seit Langem schon im Visier der Israelis war, das ist nun wirklich kein Geheimnis gewesen.

Netanjahu hatte bei einer Pressekonferenz im April 2018 den Namen und ein Foto des Mannes öffentlich präsentiert. Israels Regierungschef enthüllte damals einen der größten Mossad-Coups: Die Agenten hatten Zigtausende Dokumente aus dem Atomarchiv in Teheran gestohlen und außer Landes geschmuggelt. Irans Streben nach der Bombe war damit für Netanjahu bewiesen, und als er die Entwicklungslinien und Verantwortlichkeiten über all die Jahre hinweg aufzeigte, sagte er den denkwürdigen Satz: "Merken Sie sich diesen Namen, Fakhrizadeh."

Dass Fakhrizadeh nun sein Leben ließ auf einer Straße nahe Teheran, passt zudem zu einer Israel zugeschriebenen Serie gezielter Tötungen von iranischen Nuklearwissenschaftlern in den Jahren bis 2012. Der israelische Autor und Geheimdienstexperte Ronen Bergman berichtet darüber in seinem Buch "Der Schattenkrieg" - mit dem Hinweis, dass der Mossad dies damals "auf eigene Faust" durchführte, weil die USA nicht bereit gewesen seien, sich daran zu beteiligen.

Heute dagegen wirkt das Timing der Tötung so, als sollte die Zeit genutzt werden bis zum Auszug des US-Präsidenten Donald Trump aus dem Weißen Haus. Nach Trumps Wahlniederlage gegen den Demokraten Joe Biden hatte sich Israel Mitte November bereits offen zu Luftangriffen auf iranische Stellungen in Syrien bekannt. Zudem war US-Außenminister Mike Pompeo vorige Woche in der Region, mit Stationen in Israel und Saudi-Arabien. Auch dabei dürfte eine gemeinsame Front gegen Iran oben auf der Agenda gestanden haben.

Die Tötung Fakhrizadehs erscheint in diesem Licht nicht nur als Schlag gegen Iran, sondern auch als Botschaft an Biden, der mit Teheran über eine Neuauflage des von Trump aufgekündigten Atomabkommens verhandeln will. Wenn Israel für den Anschlag verantwortlich ist, dann weiß Biden nun, dass Netanjahu weiterhin mit allen Mitteln das iranische Atomprogramm bekämpfen will.

Dies ist eine riskante Strategie, weil zum einen ein Konflikt mit dem neuen US-Präsidenten heraufbeschworen wird und zum anderen natürlich eine iranische Vergeltung folgen könnte. Rohani hat angekündigt, dies werde "zu gegebener Zeit" erfolgen. Die Formulierung deutet darauf hin, dass er nicht auf eine sofortige militärische Eskalation setzt, um einen Neuanfang mit Biden nicht unmöglich zu machen. Doch der Präsident steht in Iran auch unter starkem Druck der Falken. Gefährlich für Israel könnte dabei die iranische Militärpräsenz an seiner Grenze im Norden zu Syrien werden. Aber auch mit der Möglichkeit von Anschlägen auf israelische Einrichtungen im Ausland wird gerechnet. Als ersten Schritt hat Israel schon einmal vorsorglich die Sicherheitsvorkehrungen rund um seine Auslandsvertretungen verschärft.

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