Attentat in Ankara:Russland schickt Ermittler in die Türkei

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Das Foto entstand kurz vor dem Mord: Botschafter Karlow steht am Mikrofon - hinter ihm der türkische Attentäter (Foto: AP)
  • Der russische Botschafter in der Türkei wurde am Montagabend erschossen.
  • Russlands Präsident Putin und der UN-Sicherheitsrat verurteilen die Tat.
  • Die Polizei verhaftet Verwandte des Täters sowie seinen Mitbewohner.
  • Der Kreml schickt ein 18-köpfiges Ermitterteam nach Ankara.

Nach dem tödlichen Anschlag eines türkischen Polizisten auf den russischen Botschafter Andrej Karlow in Ankara sind nach Angaben von Staatsmedien mehrere Personen festgenommen worden. Es soll sich um die Eltern, die Schwester und zwei weitere Verwandte des Attentäters handeln, die in der westlichen Provinz Aydın in Gewahrsam genommen wurden, meldet die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu. Auch ein Mitbewohner des Attentäters - ebenfalls ein Polizist - wurde dem Bericht zufolge in Ankara festgenommen.

Der 22-Jährige Attentäter hatte am Montagabend bei der Eröffnung einer Fotoausstellung mit Bildern aus Russland auf den Botschafter gefeuert und ihn tödlich verletzt. Der Zeitung Hürriyet zufolge soll er sich mit seinem Dienstausweis Zutritt zu der Ausstellungseröffnung verschafft haben. Auf Videos ist zu sehen, wie er in Zivil hinter Karlow steht, während dieser eine Ansprache hält. Nach dem Anschlag weigerte sich der Täter, sich zu stellen und wurde der Nachrichtenagentur Anadolu zufolge kurz nach der Tat von der Polizei getötet.

Attentat in Ankara
:Angriff auf die Annäherung zwischen Russland und der Türkei

Putin und Erdoğan haben in ihrer Beziehung mehrere Wenden vollzogen - von strategischer Partnerschaft zu Todfeindschaft zu Freundschaft. Der Mord am russischen Botschafter offenbart, wie gefährlich ein solcher Zickzackkurs ist.

Kommentar von Julian Hans

Die Tat in dem Kunstzentrum im Botschaftsviertel Cankaya steht offensichtlich im Zusammenhang mit der Beteiligung Russlands am syrischen Bürgerkrieg auf Seiten des Assad-Regimes. Der Polizist rief nach dem Attentat " Allahu Akbar" sowie "Vergesst Syrien nicht, vergesst Aleppo nicht". Außerdem drohte er: "Alle, die sich an dieser Tyrannei beteiligen, werden zur Rechenschaft gezogen. Einer nach dem anderen." Die syrische Großstadt Aleppo ist nach intensiver Bombardierung durch syrische und russische Kampfflugzeuge von der Regierungsarmee und mit ihr verbündeten schiitischen Milizen erobert worden.

Russlands Präsident Wladimir Putin bezeichnete das Attentat als Provokation, die das bilaterale Verhältnis mit der Türkei stören soll. "Wir müssen wissen, wer die Hand des Mörders führte", sagte Putin. Als Antwort auf den Mord werde Russland seinen Kampf gegen den Terror verstärken. Russland hat sich bereits mit der Türkei auf ein 18-köpfiges Ermittlerteam geeinigt, das die türkischen Behörden in Ankara unterstützen wird. Der Gruppe gehören Experten des Geheimdienstes, der Polizei und des Außenministeriums an, sagte Kremlsprecher Dmitrij Peskow der Agentur Interfax zufolge in Moskau.

Zeremonie am Flughafen in Ankara

Die Leiche des Politikers sollte am Dienstag zurück nach Russlang gebracht werden. Am Flughafen von ankara fand eine Zeremonie statt, an der neben Vertretern der türkischen Regierung, Diplomaten und religiösen Würdenträgern auch Familienmitglieder des Verstorbenen teilnahmen. Die Witwe von Andrej Karlow begleitete gemeinsam mit ihrem Sohn den Sarg ihres ermodeten Ehemanns über das Rollfeld zu einer russischen Maschine.

Der türkische Außenminister kündigte an, dass der Botschafter posthum mit einem eigenen Straßennamen geehrt werden soll. Die Straße, in der die russische Botschaft steht, werde künftig Andrej Karlows Namen tragen.

Reisewarnung für russische Touristen

Russlands Vizeaußenminister für die Terrorbekämpfung, Oleg Syromolotow, warnte der Agentur zufolge vor Reisen in die Türkei, "weil es dort fast täglich zu Terrorakten kommt". Touristen aus Russland sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Türkei.

Bislang wurde bekannt, dass der Attentäter Mevlüt Mert A. 1994 im Distrikt Söke in der westlichen Provinz Aydın geboren wurde. Nach einer Ausbildung an einer Polizeiakademie wurde er ab 2014 in der türkischen Hauptstadt in einer Spezialeinheit eingesetzt. Es wurde umgehend der Verdacht geäußert, der Täter könnte zur Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen gehören. Das vermutet etwa Ankaras Bürgermeister Melih Gökçek.

Videos vom Attentat zeigen allerdings, dass der Täter unmittelbar nach den Schüssen auf Arabisch sagte: "Wir sind diejenigen, die dem Propheten Mohammed Treue und dem Dschihad Treue schwören." Das würde eher auf einen dschihadistischen Hintergrund deuten.

UN-Sicherheitsrat verurteilt Attentat

Ankara und Moskau hatten sich zuletzt wieder deutlich angenähert, nach einer Krise 2015. Damals hatte die Türkei einen russischen Kampfjet nahe der syrischen Grenze abgeschossen, der Kreml verhängte Sanktionen. Bei den Syrien-Verhandlungen in Moskau planen Russland, die Türkei und Iran auch getrennte Gesprächsrunden der Außenminister und der Verteidigungsminister der drei Länder.

Der UN-Sicherheitsrat hat den Mord an dem russischen Botschafter als Terroranschlag angeprangert. In einer gemeinsamen Erklärung verurteilten die Ratsmitglieder "die terroristische Attacke auf das Schärfste" und sprachen den Angehörigen von Botschafter Karlow ihr Mitgefühl aus. Am Dienstag solle es eine Schweigeminute zu Ehren des russischen Diplomaten geben, teilte der spanische UN-Botschafter Román Oyarzun mit, dessen Land derzeit den Vorsitz im Sicherheitsrat hat.

Trotz des Anschlags werden in Moskau Verhandlungen zwischen Vertretern Russlands, der Türkei und Irans über Syrien stattfinden, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow. Es ist das erste Treffen in diesem Format. Russland und Iran sind Verbündete des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Die Türkei dagegen hat bislang die syrische Opposition unterstützt. Das wichtigste Ziel Ankaras in Syrien ist jedoch, die Kurden in Syrien zu schwächen.

© SZ.de/dpa/AFP/Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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