Attentat auf Friedensvermittler in Kabul:"Rabbani ist zum Märtyrer geworden"

Der afghanische Ex-Präsident Burhanuddin Rabbani ist bei einer Selbstmordattacke in Kabul getötet worden. Rabbani leitete Verhandlungen mit den Taliban, der Tod des Vermittlers ist ein schwerer Rückschlag für die Friedensbemühungen der afghanischen Regierung. Die Bombe soll unter dem Turban eines Taliban versteckt gewesen sein.

Tobias Matern, Kabul

Die Taliban haben nach eigenen Angaben den früheren Präsidenten Afghanistans, Burhanuddin Rabbani, am Dienstagabend in Kabul getötet. Er hatte als Chef des Hohen Friedensrates mit den Taliban über eine politische Lösung des Konflikts am Hindukusch verhandelt. Mohammed Stanekzai, der das Programm zur Wiedereingliederung der Islamisten leitet, wurde bei der Attacke verletzt.

Aus afghanischen Sicherheitskreisen hieß es, bei dem Selbstmordanschlag in Rabbanis Wohnung im schwerbewachten Diplomatenviertel im Zentrum von Kabul seien mindestens fünf weitere Menschen ums Leben gekommen. Der Tod des 71-Jährigen ist ein weiterer schwerer Rückschlag für die Bemühungen der afghanischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft, Friedensverhandlungen mit den Aufständischen auf den Weg zu bringen.

Der frühere Staatschef war der umstrittene Leiter des Hohen Friedensrates (HPC), der Gespräche mit den Islamisten vermitteln soll. Präsident Hamid Karsai hatte das Gremium im vergangenen Jahr eingerichtet, aber schon die Eröffnungsveranstaltung hatten die Aufständischen mit Raketen beschossen. Ein Sprecher Karsais teilte mit, dieser kürze seinen Aufenthalt bei den UN in New York ab und kehre nach Afghanistan zurück.

Der Leiter der Kabuler Polizei, Mohammad Zahir, sagte: "Rabbani ist durch die Explosion zum Märtyrer geworden." Nach Informationen aus Sicherheitskreisen hatte sich der Chef des Friedensrates am Abend mit zwei Vertretern der Taliban getroffen, die angeblich bereit gewesen sein sollen, zur Regierung überzulaufen.

Es gab Hinweise darauf, dass sie den Anschlag verübt haben könnten. Die dabei verwendete Bombe soll unter einem Turban versteckt gewesen sein, in anderen Berichten war von einer Sprengstoffweste die Rede. Sicherheitskräfte sperrten den Tatort nahe der US-Botschaft weiträumig ab.

Mutmaßungen über eine Beteiligung des pakistanischen Geheimdienstes

Eine kleine Gruppe von Taliban-Kämpfern hatte bereits am vergangenen Dienstag von einem Hochhaus aus die Vertretung der USA in Kabul und das Hauptquartier der Nato-geführten internationalen Schutztruppe Isaf mit automatischen Waffen und Granaten beschossen. Während der 20-stündigen Belagerung des Diplomatenviertels waren mindestens 14 Menschen gestorben, unter ihnen drei Kinder. Die US-Regierung hatte daraufhin öffentlich über eine Beteiligung des pakistanischen Geheimdienstes an den Anschlägen gemutmaßt.

Rabbani gehörte in den achtziger Jahren zu den Anführern der Mudschaheddin, die gegen die sowjetischen Truppen in Afghanistan kämpften. Nach deren Abzug wurde Rabbani 1992 von einer Wahlversammlung zum Präsidenten der Übergangsregierung bestimmt. In der Folge war er in den Bürgerkrieg verstrickt, in dem Kabul zerstört wurde und mehr als 20.000 Menschen umkamen; er wurde verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt.

1996 stürzten die Taliban Rabbani, doch den UN galt er bis zu Karsais Amtsantritt 2001 als legitimes Staatsoberhaupt. Unter den Islamisten war Rabbani verhasst; dass Karsai ausgerechnet ihn zum Chef des Friedensrates machte, überraschte viele Beobachter.

Zehn Jahre nach dem Sturz der Tali-ban sind die Stärkung der einheimischen Sicherheitskräfte und eine Aussöhnung mit den Taliban die beiden wichtigsten Eckpfeiler für das Ziel der westlichen Staaten, bis zum Jahr 2014 alle Kampftruppen vom Hindukusch abzuziehen. Die meisten Afghanen fürchten, dass ein neuer Bürgerkrieg ausbrechen könnte, sobald die westlichen Soldaten das Land verlassen haben.

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