Attentäter von Paris:Das Rätsel des syrischen Passes am Stadion

Lesezeit: 3 Min.

  • Nahe einem Selbstmordattentäter von Paris wurde ein syrischer Pass gefunden, mit dem sich eine Person als Asylbewerber registrieren ließ.
  • Unklar ist, ob es sich bei der Person, die über Griechenland in die EU einreiste, um den Attentäter handelt.
  • Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen erklärte, der Pass könne gefälscht und bewusst als "falsche Fährte" gelegt worden sein.
  • Aus US-Geheimdienstkreisen heißt es, der Pass könnte gefälscht sein. CNN zufolge sollen zwei andere Attentäter am Fußballstadion außerdem gefälschte türkische Pässe bei sich getragen haben.

Von Jannis Brühl

Zwischen all den Toten lag ein syrischer Pass. In der Nähe eines der Männer, die sich am Freitag während des Länderspiels in Paris am Stadion in die Luft sprengten, wurde das Dokument gefunden. Es wurde Anfang Oktober bei der Einreise nach Griechenland genutzt, der Besitzer ließ sich als Asylbewerber registrieren. Sollten einer oder mehrere Attentäter auf diesem Weg nach Europa gekommen sein, wäre das eine Steilvorlage für jene Politiker und Gruppen, die versuchen, das Attentat in Zusammenhang mit den gestiegenen Flüchtlingszahlen zu bringen. Sie wollen die Flüchtlingsdebatte mit jener über Terrorismus verknüpfen. Doch noch ist es zu früh, um eindeutig zu sagen, ob tatsächlich ein Syrer an den Anschlägen beteiligt war (Verfolgen Sie die Berichterstattung hier im Liveblog).

Ein Pass reist durch Europa

Ioannis Mouzalas, der griechische Minister für Migration, bestätigte am Sonntagabend: Ein Mann mit dem Ausweis, dem Dokument zufolge 25 Jahre alt, landete am 3. Oktober in einem Boot mit 198 Flüchtlingen aus der Türkei auf der greichischen Insel Leros. Als Geburtsort war im Pass das nordsyrische Idlib angegeben. Dort kommen täglich viele Flüchtlinge an, ihren Hintergrund überprüfen griechische Behörden meist nicht.

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Neben dem Schrecken und der Trauer macht sich bei den Menschen in Paris noch ein anderes Gefühl breit: Trotz.

Am 5. Oktober reiste der Mann weiter nach Piräus. Das geht aus Dokumenten hervor, die die griechische Zeitung Protothema veröffentlicht hat. Am 7. Oktober wurde der Passinhaber bei der Einreise von Mazedonien nach Serbien registriert. Dort habe er formell Asyl beantragt, teilte das serbische Innenministerium mit. Am 8. Oktober kam der Mann kroatischen Angaben zufolge in das Flüchtlingslager in Opatovac. Von dort sei er nach Ungarn und schließlich nach Österreich gereist.

Gehörte der Pass dem Täter?

Völlig unklar ist aber noch, ob es sich bei dem Mann, auf den der Pass ausgestellt ist, auch tatsächlich um den toten Attentäter handelt. Ermittler müssen prüfen, ob der Täter mit der Person identisch ist, deren Namen auf dem Dokument steht. CNN berichtet unter Berufung auf einen Senator des französischen Oberhauses, die Fingerabdrücke, die bei der Ankunft in Griechenland erfasst wurden, seien identisch mit denen des Toten vom Stadion in Paris. Der Pass sei als Notfalldokument ausgestellt worden für einen Mann, der sich als syrischer Flüchtling ausgegeben habe. Der Senator, der anonym bleiben wollte, soll seine Informationen aus einem Briefing des Innenministeriums haben. Offiziell bestätigt sind sie nicht.

Außerdem muss zweifelsfrei ausgeschlossen werden, dass der Pass einem Täter und keinem Opfer gehörte. Unklarheit herrscht beispielsweise auch über einen ägyptischen Pass, der am Stadion gefunden wurde. Die französische Zeitung Le Point will herausgefunden haben, dass der Pass einem der Attentäter gehörte, der dann auf dem Weg ins Krankenhaus starb. Ägypten hat dagegen verkündet, dass der Pass einem ägyptischen Fußballfan gehörte, der sich einfach das Spiel ansehen wollte.

Auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hält es für möglich, dass der Pass gefälscht sei. Schießlich sei es "sehr ungewöhnlich, dass sich ein Flüchtling bewusst in drei Ländern registrieren lässt", sagte sie am Sonntagabend in der ARD-Talkshow "Günther Jauch". "Es kann durchaus sein, dass da eine falsche Fährte gelegt wurde - bewusst."

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Zweifel an der Echtheit

Selbst wenn einer der Attentäter mit dem syrischen Pass in die EU eingereist ist, muss es sich nicht um einen Syrer handeln. Es gibt auch Zweifel, ob der Pass echt ist. Der amerikanische Sender CBS zitiert einen US-Geheimdienstmitarbeiter, die Ziffern auf dem Dokument passten nicht zu echten syrischen Pässen, auch bei Bild und Namen gebe es Unstimmigkeiten. Weil syrische Flüchtlinge wegen des Bürgerkriegs die besten Chancen haben, Asyl zu erhalten, boomt der Handel mit gefälschten Dokumenten aus dem Land. Für bis zu mehrere Tausend Euro sind die Pässe zum Beispiel in der Türkei zu kaufen. Der Guardian berichtet über Syrer, denen bei der Einreise in die EU sogar ihre Pässe geraubt worden seien. Die beiden anderen Attentäter am Stade de France trugen CNN zufolge gefälschte türkische Pässe bei sich - was wiederum der Theorie widersprechen würde, auch ein Ägypter sei beteiligt gewesen.

Der Fund des syrischen Passes taugt auch nicht dazu, der Masse an Flüchtlingen aus dem Land geistige Nähe zum Islamischen Staat zu unterstellen. Die meisten von ihnen fliehen vor einem Bürgerkrieg, den eben jener IS und andere dschihadistische Gruppen maßgeblich vorantreiben. Wer aus seinem proklamierten Kalifat flieht, gilt dem IS als Verräter.

Es bleibt festzuhalten: Bestätigt ist bisher erst die Nationalität von vier Attentätern und ihren Helfern. Alle waren Franzosen.

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