Atomwaffensperrvertrag:Das indische Problem

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Ein Land, das den Atomwaffensperrvertrag ablehnt, will sein Atomprogramm ausbauen - und die USA helfen auch noch dabei. Eine Außenansicht von Jimmy Carter, dem ehemaligen Präsidenten der USA.

Indem die Vereinigten Staaten viele der in den vergangenen 50 Jahren ausgehandelten Atomwaffenverträge aufgegeben haben, haben sie widersprüchliche Signale an Nordkorea, Iran und andere Staaten gesandt, die über das technologische Wissen zum Bau von Kernwaffen verfügen. Die gegenwärtig vorgeschlagenen Vereinbarungen mit Indien, dem Land beim Ausbau seines zivilen Atomprogramms zu helfen, untergraben ein weiteres Mal den globalen Friedenspakt, der im Atomwaffensperrvertrag seinen Ausdruck findet.

Jimmy Carter war von 1977 bis 1981 amerikanischer Präsident. (Foto: Foto: AP)

Zugleich werden keinerlei bedeutsame Schritte unternommen, um das weltweite Arsenal von nahezu 30000 Kernwaffen zu verringern, über welches die Vereinigten Staaten, Russland, China, Frankreich, Israel, Großbritannien, Indien, Pakistan und möglicherweise Nordkorea derzeit verfügen. Ein globaler Holocaust aufgrund von Fehlern oder Fehlentscheidungen ist heute genauso möglich wie im tiefsten Kalten Krieg.

Ziel: Nukleare Abrüstung

Das zentrale Bekenntnis der fünf ursprünglichen Nuklearmächte und mehr als 180 weiterer Staaten, sich zu beschränken, ist der Atomwaffensperrvertrag von 1970. Sein zentrales Ziel ist es, "die Verbreitung von Kernwaffen und -waffentechnologie zu verhindern ... und das Ziel einer nuklearen Abrüstung zu fördern".

Auf der jüngsten der alle fünf Jahre stattfindenden Konferenzen zur Überprüfung des Vertrags, die 2005 bei den Vereinten Nationen stattfand, waren nur Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea nicht vertreten. Die drei Erstgenannten verfügen über moderne Kernwaffenarsenale; dasjenige von Nordkorea befindet sich im Anfangsstadium.

Die amerikanische Regierung gibt kein gutes Beispiel ab. Sie ist bereits aus dem ABM-Vertrag von 1972 ausgestiegen, in dem die USA und die UdSSR eine Begrenzung ihrer Raketenabwehrsysteme vereinbarten, und sie hat die langjährige Politik aufgegeben, auf die Androhung eines nuklearen ,,Erstschlags'' gegenüber Staaten zu verzichten, die nicht über Kernwaffen verfügen. Diese jüngsten Entscheidungen haben China, Russland und andere Unterzeichnerstaaten des Atomwaffensperrvertrags ermutigt, mit ähnlichen Schritten zu reagieren.

Ein wesentlicher Unterschied

Da uns die nuklearen Ambitionen Indiens seit 1974 bekannt waren, setzten ich und andere amerikanische Präsidenten eine konsequente Politik durch: kein Verkauf von Kerntechnologie oder unkontrollierten Brennstoffen an Indien oder an andere Länder, die sich weigern, den Sperrvertrag zu unterzeichnen. Diese Beschränkungen werden gegenwärtig aufgegeben.

Ich habe keinen Zweifel, dass die politische Führung Indiens im Umgang mit den Arsenalen ihres Landes ebenso verantwortungsvoll handelt wie die Führer der fünf ursprünglichen Nuklearmächte. Doch es gibt einen wesentlichen Unterschied: Die ursprünglichen Fünf haben den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet und die Produktion spaltbaren Materials für militärische Zwecke eingestellt.

Lesen Sie im zweiten Abschnitt: Carters Forderungen an Indiens Führung - und an die Nuklearmächte.

Indiens Führung sollte dieselben Zusicherungen geben, und sie sollte es den anderen Nuklearmächten gleichtun und den Vertrag über das umfassende Verbot von Nukleartests unterzeichnen. Sie hat dies aber abgelehnt und besteht auf den unbeschränkten Zugang zu internationaler Unterstützung, um spaltbares Material zu produzieren, das für bis zu 50 Kernwaffen pro Jahr reicht. Dies übersteigt die vermutete derzeitige Kapazität Indiens bei weitem.

Indische Rakete "Agni II". bei einer Parade zum Nationalfeiertag Indiens. (Foto: Foto: AP)

Warum sollten sich die anderen in Selbstbeschränkung üben?

Wenn diese Forderung Indiens akzeptabel ist - warum sollten sich dann andere technologisch hoch entwickelte Unterzeichnerstaaten des Atomwaffensperrvertrags, wie Brasilien, Ägypten, Saudi-Arabien und Japan, weiter in Selbstbeschränkung üben; von weniger verantwortungsvollen Staaten ganz zu schweigen?

Nachdem Indien zumindest die vorläufige Zustimmung der USA für seine Politik erhalten hat, steht es noch vor zwei weiteren Hindernissen: einer akzeptablen Vereinbarung mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) und einer Ausnahmegenehmigung der Nuclear Suppliers Group (NSG), einem Gremium, das aus 45 Staaten besteht. Bisher hat die NSG stets den Nuklearhandel mit Staaten untersagt, die sich weigern, internationale nukleare Standards anzuerkennen.

Die nicht über Kernwaffen verfügenden Mitglieder der NSG sind: Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Griechenland, Irland, Italien, Japan, Kanada, Kasachstan, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Südafrika, Südkorea, die Tschechische Republik, Türkei, Ukraine, Ungarn, Weißrussland und Zypern.

Nuklearmächte müssen Führungsstärke zeigen

Die Rolle dieser Länder sowie der Atomenergiebehörde besteht nicht darin, Indien am Ausbau der Kernkraft oder sogar an der Entwicklung von Kernwaffen zu hindern. Sondern sie besteht vielmehr darin, zu gewährleisten, dass es dabei so vorgeht wie nahezu alle anderen verantwortungsbewussten Nationen auf der Welt: indem es den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet und angemessene Beschränkungen akzeptiert.

Die Nuklearmächte müssen Führungsstärke zeigen - indem sie Selbstbeschränkung üben und weitere Abweichungen von den internationalen Beschränkungen des Atomwaffensperrvertrags unterbinden. Mit ihren heutigen Entscheidungen begründen sie, Stück für Stück, ein Vermächtnis für die Zukunft, das tödlich oder friedlich sein kann.

Jimmy Carter war von 1977 bis 1981 amerikanischer Präsident.

Übersetzung: Jan Neumann.

© SZ vom 22.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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