Atomwaffen:Warum in Japan und Südkorea wieder über eigene Atomwaffen diskutiert wird

Hiroshima Marks the 70th Anniversary of Atomic Bomb

Gedenkfeier am Jahrestag des Atombombenabwurfs in Hiroshima, Japan

(Foto: Getty Images)
  • Eine Minderheit am rechten politischen Rand ruft in Japan immer wieder dazu auf, dass das Land aufrüsten solle, auch atomar.
  • Die Mehrheit jedoch hält am sogenannten Friedensparagrafen in der Verfassung fest, der Japan bloß die Selbstverteidigung erlaubt.
  • Auch in Südkorea gibt es Konservative, die jetzt wieder nach Atomwaffen rufen, "zum Gleichgewicht der Abschreckung" gegenüber Nordkorea.

Von Christoph Neidhart

Tomihisa Taue, der Bürgermeister von Nagasaki, rief die Welt am Mittwoch zur Abschaffung aller Atomwaffen auf. Vor dem Hintergrund des atomaren Säbelrasselns zwischen Nordkoreas Diktator Kim Jong-un und US-Präsident Donald Trump verlangte er, Japan solle sich den 122 Ländern anschließen, die sich auf ein Verbot von Atomwaffen festgelegt haben. Es sei "unverständlich", dass die Diplomatie des einzigen Landes, das mit Atomwaffen bombardiert wurde, nicht einmal an der Vorbereitung des Verbots beteiligt war. "Ich fordere unsere Regierung auf, ihre Politik, sich auf das nukleare Schutzschild der USA zu verlassen, bald zu überdenken."

Taue weiß eine Mehrheit der Japaner hinter sich. Sie halten am sogenannten Friedensparagrafen in der Verfassung fest, der Japan bloß die Selbstverteidigung erlaubt. Obwohl sie sich des Widerspruchs bewusst sind, dass Tokio seine Sicherheitspolitik durch die Allianz mit Washington an die Atommacht USA auslagert, sind viele sogar stolz auf ihn.

Eine Minderheit am rechten politischen Rand dagegen ruft immer wieder dazu auf, Japan solle aufrüsten, auch atomar. Premierminister Shinzo Abe selbst sprach sich einst für taktische Kernwaffen aus, nannte dies für Japan aber "nicht realistisch". Ex-Verteidigungsminister Shigeru Ishiba meint, mit seinen Kernkraftwerken und seiner Technologie sei Japan eine virtuelle Atommacht, es könnte in kürzester Zeit Atomwaffen bauen. Das genüge.

Nordkoreas Raketen haben diese Debatten nun neu angefacht. Verteidigungsminister Itsunori Onodera fordert, Japan müsse für einen Präventivschlag gegen Nordkorea gerüstet sein. Abe sagte am Rande der Erinnerungsfeier in Hiroshima jedoch, seine Regierung habe "im Moment dazu keine Gespräche geplant." Doch sie hat F-35-Kampfflieger bestellt und lässt in kleineren Städten Raketenalarm üben.

Viele Südkoreaner glauben nicht an eine reale Bedrohung durch den Norden

Auch in Südkorea gibt es Konservative, die jetzt wieder nach Atomwaffen rufen, "zum Gleichgewicht der Abschreckung". Hier haftet Atomwaffen kein Stigma an, das jenem in Japan vergleichbar wäre. Doch Washington dürfte nie ein Südkorea mit Atomwaffen dulden, weil dieses Japan ebenfalls zur Nuklearrüstung provozieren könnte. Ohnehin ist Südkoreas Präsident Moon Jae-in strikt dagegen, er will sogar aus der Kernkraft aussteigen. Trotz der Provokationen sucht er weiter den Dialog mit dem Norden.

Aber er will, wie er ankündigte, Südkoreas Armee radikal reformieren, um besser auf Attacken Nordkoreas vorbereitet zu sein. Und er hat den USA erlaubt, ihre Raketenabwehr in Südkorea auszubauen. Schon das stößt freilich auf Widerstand. Viele Südkoreaner glauben nicht an eine reale Bedrohung durch den Nachbarn im Norden. Zudem ändert sich für Südkorea nichts, wenn der Norden Raketen hat. Er könnte Seoul auch mit Artillerie zerstören.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: