Abrüstung:Bombe im Bündnis

Abrüstung: In russischen Raketen und Flugkörpern, die auch atomare Sprengköpfe tragen können, sehen Deutschlands Alliierte eine zunehmende Bedrohung.

In russischen Raketen und Flugkörpern, die auch atomare Sprengköpfe tragen können, sehen Deutschlands Alliierte eine zunehmende Bedrohung.

(Foto: AP)

Zwei der drei Ampel-Parteien plädieren dafür, dass Deutschland als Beobachter dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag beitritt. Das trifft bei Verbündeten in der Nato auf erheblichen Widerstand.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Bei ihrem Treffen in Rom haben US-Präsident Joe Biden und sein französischer Kollege Emmanuel Macron nicht nur versucht, den Krach um den indopazifischen Sicherheitspakt Aukus auszuräumen. Sie verabschiedeten am vergangenen Wochenende auch eine gemeinsame Erklärung, die als Fingerzeig an die europäischen Alliierten gelten muss - und an die Verhandler des angestrebten Ampel-Bündnisses in Berlin.

Diese erwähnt das Papier zwar mit keinem Wort, doch halten die beiden wichtigsten Partner Deutschlands fest, sie teilten "das Ziel, die Abschreckung als Kernelement unserer kollektiven Verteidigung weiter zu stärken". Angesichts des sich verschlechternden Sicherheitsumfelds in Europa bekräftigen Macron und Biden, dass "eine glaubwürdige und geeinte nukleare Allianz" unerlässlich sei. Die Verbündeten sollten "enge Konsultationen zu Nuklear- und Rüstungskontrollfragen insbesondere innerhalb der Nato fortsetzen".

Damit kaum in Einklang bringen ließen sich einseitige Forderungen einer neuen Bundesregierung nach einem Abzug der noch in Deutschland stationierten US-Atomwaffen. Im Sondierungspapier der Ampel-Parteien ist dazu zwar nichts zu lesen, SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat aber bekräftigt dass er "diese Dinger" letztlich aus Deutschland rauskriegen will - "am liebsten so schnell wie möglich". Etwa 15 Sprengköpfe vom Typ B61 lagern derzeit auf dem Luftwaffenstützpunkt Büchel in Rheinland-Pfalz. Im Ernstfall müssten alternde Tornado-Kampfjets der Bundeswehr diese Bomben abwerfen.

Die Verhandler der Ampel-Parteien haben aber noch einen anderen Punkt abzuarbeiten, der Friktionen mit Washington, Paris und London nach sich ziehen könnte: Sowohl die Sozialdemokraten als auch die Grünen haben in ihren Wahlprogrammen gefordert, dass Deutschland als Beobachter bei der Vertragsstaatenkonferenz des UN-Atomwaffenverbotsvertrags teilnehmen solle. Die scheidende Regierung dagegen hatte den Vertrag abgelehnt; ein Beitritt wäre mit der nuklearen Teilhabe in der Nato nicht vereinbar.

Kritik kommt aus den USA und aus Frankreich

Der Sprecher der US-Botschaft in Berlin, Joseph Giordono-Scholz, sagte der Süddeutschen Zeitung, die Alliierten seien klar in ihrer Haltung, dass der Verbotsvertrag "nicht mit unserer Politik der nuklearen Abschreckung bei der Nato in Einklang steht, und dass wir glauben, dass dieser den Atomwaffensperrvertrag untergraben könnte". Ähnliche Formulierungen finden sich in der Schlusserklärung des Nato-Gipfels im Juni in Brüssel. Auch Frankreichs Präsident Macron hat wiederholt seine Ablehnung bekräftigt - die sich auch auf einen Beobachterstatus erstreckt.

Norwegen, Gründungsmitglied der Nato, strebt einen solchen Status an und sieht sich in der Nato deswegen nicht nur Kritik der drei offiziellen Atomwaffenstaaten ausgesetzt. Die scheidende Bundesregierung hielt sich dem Vertrag auch fern, weil man bei den osteuropäischen Verbündeten, die sich in besonderem Maß von Russland und dessen Aufrüstung bei nuklearen Mittelstreckensystemen bedroht sehen, keine Zweifel an der Belastbarkeit der Bündnisverpflichtungen aufkommen lassen wollte.

Zudem galten in Berlin Beratungen im System des Atomwaffen-Sperrvertrags als zielführender, da dort die Atomwaffenstaaten beteiligt sind. Fortschritte bei den Gesprächen über strategische Stabilität zwischen den USA und Russland in Genf, so hoffen europäische Diplomaten, könnten dem Vorwurf entgegenwirken, dass die Atommächte ihr Abrüstungsversprechen nicht einlösen.

Zugleich hat Präsident Biden eine Überprüfung der US-Nuklearstrategie in Auftrag gegeben. In der Vergangenheit befürwortete er, die Rolle der US-Atomwaffen auf die Abschreckung und Vergeltung von nuklearen Attacken zu begrenzen. Das würde zwar einen Ersteinsatz nicht kategorisch ausschließen, doch etliche Verbündete machen Front gegen solche Überlegungen in Washington, darunter Japan und Australien, aber auch Frankreich und Großbritannien, wie die Financial Times berichtete. Bei den von den USA initiierten Beratungen hatte dem Vernehmen nach aber auch die Bundesregierung eine ablehnende Haltung deponiert.

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