Atomwaffen:Grenzen fürs Wettrüsten

Atomwaffen: Um die Zahl der Interkontinentalraketen geht es in den Abrüstungsgesprächen.

Um die Zahl der Interkontinentalraketen geht es in den Abrüstungsgesprächen.

(Foto: Alexander Nemenov/afp)

Russland und die USA verhandeln wieder über die Größe ihrer Arsenale.

Von Paul-Anton Krüger

An Selbstbewusstsein mangelt es dem Sondergesandten von US-Präsident Donald Trump nicht. Mit Blick auf einen möglichen nuklearen Rüstungswettlauf mit Russland, aber auch China, sagte Marshall Billingslea im Mai: "Der Präsident hat deutlich gemacht, dass wir hier eine bewährte Praxis haben. Wir wissen, wie man diese Rennen gewinnt." Die USA seien bereit, soviel Geld auszugeben, dass die Gegner in Vergessenheit geraten würden. Ein wenig versöhnlicher fügte er dann noch hinzu: "Wenn wir müssen, werden wir es tun, aber wir möchten es auf jeden Fall vermeiden." Den Versuch, ein Wettrüsten ohne jegliche Regeln zu verhindern, soll an diesem Montag in Wien beginnen.

Billingslea trifft dort den russischen Vizeaußenminister Sergej Riabkow, einen Veteranen der Rüstungskontrolle, um über die Zukunft des letzten verbliebenen bilateralen Abkommens zu sprechen, das die strategischen Atomarsenale begrenzt. Sollten Washington und Moskau keine Einigung erzielen, läuft der New-Start-Vertrag im Februar 2021 aus, erstmals seit 1972 gäbe es dann keinerlei Grenzen mehr für Nuklearwaffen. Das Abkommen, 2009 zwischen US-Präsident Barack Obama und seinem russischen Kollegen Dmitrij Medwedjew ausgehandelt, beschränkt die beiden Seiten auf jeweils 1550 einsatzbereite strategische Gefechtsköpfe und 700 Trägersysteme, also landgestützte und auf U-Booten stationierte Interkontinentalraketen sowie schwere Bomber.

Russland hat seine Bereitschaft bekundet, den Vertrag unverändert um fünf Jahre zu verlängern. Diese im Abkommen vorgesehene Möglichkeit gilt russischen und auch europäischen Diplomaten de facto als einzig realistische Chance, New Start zu erhalten. Allerdings will die US-Regierung China in die Gespräche einbeziehen und ein trilaterales Abkommen erreichen. Man habe der Volksrepublik eine "offene Einladung zukommen lassen", sagte Billingslea. Russland hat ein ambivalentes Verhältnis zu China und würde sich dem nicht entgegenstellen. Eine Sprecherin des Außenministeriums in Peking bekräftigte jüngst aber noch einmal die ablehnende Haltung: "Wie allen bekannt ist, liegt Chinas atomare Schlagkraft nicht in der Größenordnung der USA und Russlands." Es sei "noch nicht der richtige Zeitpunkt" für China, an Gesprächen über nukleare Abrüstung teilzunehmen, sagte sie. Erst seien die Besitzer der größten Arsenale in der Pflicht.

Chinas Arsenal wird auf 300 Sprengköpfe geschätzt, Tendenz wachsend. Die USA verfügen über insgesamt 5800, von denen aber nur etwa 1750 einsatzbereit gehalten werden; 2000 sind zur Demontage vorgesehen. Russland besitzt etwa 6400 Atomwaffen, davon 1570 strategische Sprengköpfe, die einsatzbereit sind. Als mögliche Kompromisslinie gilt eine Verlängerung des New-Start-Abkommens um ein oder zwei Jahre, um Zeit für umfassendere Verhandlungen zu schaffen. Dabei könnten auch die nicht von dem Abkommen umfassten taktischen Atomwaffen einbezogen werden, von denen Russland ein große Zahl in Reserve hält, und auch neue Trägersysteme wie Hyperschallgleiter oder die russische Sarmat-Rakete. Allerdings unterstellen Kritiker der Trump-Regierung, sie wolle das Abkommen ohnehin auslaufen lassen.

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