Atomverhandlungen in Genf:Wie der Deal mit Iran aussehen könnte

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US-Außenminister Kerry hat seinen Terminkaldner umgeworfen, um ein Genf persönlich dabeizusein. (Foto: dpa)

Die Verhandlungen mit Iran gehen in den dritten Tag: Fast alle Außenminister der Verhandlungspartner sind in Genf eingetroffen und könnten heute zumindest eine Zwischenlösung in der Atomfrage beschließen. Ob die aber ein Fortschritt ist oder doch wieder nur eine Finte Teherans - auf diese Frage gibt es sehr unterschiedliche Antworten.

Von Paul-Anton Krüger und Peter Münch

Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif wollte von Anfang an auf Augenhöhe verhandeln. Mit seinen Kollegen aus den fünf UN-Vetomächten und Deutschland (P5+1) wollte er nach einer Lösung in dem seit zehn Jahren schwelenden Streit um das Atomprogramm seines Landes suchen. Wenn die Chefs selbst verhandelten, so sein Gedanke, dann sei am ehesten mit Ergebnissen zu rechnen. Der Bedeutung und Ernsthaftigkeit des Themas, fand er, sei das nur angemessen.

Er musste sich zunächst vertrösten lassen. Im Nuklearstreit, ließ man Sarif unmissverständlich wissen, würden warme Worte nicht zählen. Es komme allein auf konkrete, überprüfbare Schritte an, mit denen Irans neue Regierung jene lang gehegten Sorgen der Weltgemeinschaft ausräumen könnte, dass das Regime - oder Teile davon - nicht entgegen aller Beteuerungen doch noch nach der ultimativen Waffe schielt. Und was die Augenhöhe betreffe, gab man Sarif zu verstehen, sei die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton doch eine gleichrangige Gesprächspartnerin. Sollten weitreichende Entscheidungen anstehen, dann könnten die anderen Außenminister ja schnell hinzugezogen werden.

So weit die Ausgangslage vor diesem Freitag. Doch dann kam die zweite Verhandlungsrunde im Palais des Nations zu Genf, und schon war der Fall eingetreten, der die Außenminister in Bewegung setzte. Als dann auch noch John Kerry am frühen Freitagmorgen in Amman mitteilen ließ, er werde nach einem Zwischenstopp bei Israels Premier Benjamin Netanjahu in die Schweiz reisen, um seinen iranischen Kollegen zu treffen, da war klar, dass der Durchbruch nahe war. Schließlich hatte Sarif ja schon am Dienstag gesagt, dass es möglich sein würde, zu einer Einigung zu kommen - wenn alle Seiten wollten.

Noch kein fertiger Deal, aber Vorbereitungen für ein Interimsabkommen

Sofort machten sich auch der Franzose Laurent Fabius und der Brite William Hague auf den Weg nach Genf, der scheidende deutsche Außenamtschef Guido Westerwelle tat es ihnen gleich. Es folgten Erkenntnisse, die nicht überraschend waren. Man wolle nun "gemeinsam darauf hinarbeiten, eine Verständigung auf den Weg zu bringen", ließ Westerwelle mitteilen. Französische Diplomaten sprachen von "einem wichtigen Schritt, der sich anbahne". Das hörte sich noch nicht nach einem fertig ausgehandelten Deal an, aber Irans Vizeaußenminister Abbas Araghchi sagte immerhin am Freitagnachmittag, dass man darangehe, "ein schriftliches Abkommen vorzubereiten".

In den vergangenen Tagen hatte sich in Grundzügen herausgeschält, wie ein Interimsabkommen aussehen könnte, Präsident Obama skizzierte es in der Nacht zum Freitag in einem Interview mit NBC: Iran friert sein Atomprogramm auf dem jetzigen Stand ein; zugleich setzt der Westen einige Sanktionen aus oder ermöglicht der Regierung in Teheran den Zugriff auf Milliarden Dollar aus dem Verkauf von Öl, an die sie wegen der Strafmaßnahmen derzeit nicht herankommt. Da hatte Sarif schon zu erkennen gegeben, dass Iran zustimmen könnte, die Urananreicherung teilweise auszusetzen.

Besonders umstritten ist dabei die Anreicherung auf 20 Prozent und der Betrieb der unter einem Berg verbunkerten Anlage in Fordow nahe der heiligen Stadt Ghom. Aus Sicht des Westens ist es wohl unabdingbar, dass Iran den Bau des Schwerwasserreaktors in Arak fürs Erste stoppt. Denn einmal in Betrieb genommen, würde er Plutonium produzieren - und Iran damit potenziell einen zweiten Weg zu Atomwaffen eröffnen. Sollte der als moderat geltende Präsident Hassan Rohani hier Konzessionen machen und dafür die Unterstützung des Obersten Führers Ali Chamenei bekommen, könnte er seinen Kritikern unter den Hardlinern noch immer entgegenhalten, dass ein Großteil der Anreicherungsaktivitäten weitergehe. Zumal dem Vernehmen nach die Schritte beider Seiten nicht unwiderruflich wären - und sich die P5+1-Staaten auf das von Iran Mitte Oktober vorgeschlagene Verhandlungsprozedere einlassen würden.

Schriller Alarm aus Israel

So würde zumindest jede Eskalation der Situation vermieden und Zeit geschaffen werden für komplexere Verhandlungen über den finalen Status des iranischen Atomprogramms. Sechs Monate lang, hieß es aus Diplomatenkreisen, könnten dann Experten beider Seiten in entspannterer Atmosphäre an den kniffligen technischen Fragen arbeiten und definieren, wann welche Seite welche Schritte zu gehen habe. Sarif äußerte in Genf bereits die Hoffnung, dass beide Seiten binnen eines Jahres zu einer abschließenden Vereinbarung kommen könnten. Dazu müsste Iran allerdings deutliche Einschränkungen seines Atomprogramms akzeptieren, vor allem eine präzedenzlose Überwachung all seiner Anlagen. Ob Chamenei bereit wäre, das zu akzeptieren, weiß derzeit vermutlich nicht einmal Rohani.

So hoch erschien allerdings die Wahrscheinlichkeit eines Kompromisses, dass dies in Israel sogleich einen schrillen Alarm auslöste. Premierminister Benjamin Netanjahu warnte eindringlich vor einem "Fehler von historischem Ausmaß" und erklärte, dass Israel Kompromisse auf dieser Basis entschieden ablehne. "Für Iran ist es der Deal des Jahrhunderts", schimpfte er, "die Sanktionen werden aufgehoben, und Iran hat nichts gegeben."

US-Außenminister John Kerry war vor einer Abreise nach Genf kurzfristig noch einmal mit Netanjahu am Flughafen von Tel Aviv zu einem Gespräch zusammengetroffen, das offenbar höchst kontrovers verlief. Kerry verzichtete dabei auf eine zunächst angekündigte öffentliche Erklärung, Netanjahu dagegen ließ die Meinungsverschiedenheiten mit den USA in einer höchst undiplomatischen Wutrede eskalieren. "Ich rufe Außenminister Kerry auf, nichts eilig zu unterschreiben, denn dies ist ein sehr schlechter Handel", sagt er - und drohte indirekt wieder mit der Möglichkeit eines Militärschlags gegen Iran im Alleingang. "Israel ist an diese Vereinbarung nicht gebunden", warnte er, "und Israel wird alles tun, was zu seiner Verteidigung und der Sicherheit seiner Bevölkerung nötig ist."

© SZ vom 09.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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