US-Präsident Donald Trump hat sich am Sonntag über Twitter erneut über Nordkoreas Führer Kim Jong-un lustig gemacht - und dabei seinen Außenminister Rex Tillerson desavouiert. Tillersons Anstrengungen, die Atomwaffenkrise mit Nordkorea über Verhandlungen zu lösen, seien "Zeitverschwendung", schrieb Trump: "Ich habe Rex Tillerson, unserem wunderbaren Außenminister, gesagt, dass er seine Zeit verschwendet, wenn er versucht, mit dem kleinen Rocket Man zu verhandeln." US-Außenminister Rex Tillerson hatte zuvor am Samstag in Peking überraschend erklärt, man lote die Möglichkeit von Verhandlungen über das Nuklearwaffen- und Raketenprogramm Nordkoreas aus. Zum ersten Mal räumte dabei ein Mitglied der Trump-Regierung ein, dass die USA über direkte Kanäle der Kommunikation mit dem nordkoreanischen Regime verfügen.
"Wir sondieren, also warten Sie ab", sagte Tillerson auf einer Pressekonferenz am Rande seines Besuches in China. Unmittelbares Ziel müsse es sein, dass "die Dinge sich beruhigen". Zuletzt hatte sich die Krise um Pjöngjangs Atomprogramm in einer Spirale der Eskalation befunden. Nach einer Reihe nordkoreanischer Raketen- und Atomwaffentests lieferten sich Nordkoreas Führer Kim Jong-un und US-Präsident Donald Trump einen verbalen Schlagabtausch und drohten einander die Auslöschung ihrer Länder an. Trump nannte Kim einen "Irren", Kim revanchierte sich mit "Tattergreis". Nordkorea-Experten begrüßten deshalb die Erklärung Tillersons in Peking, sie sei ein erster Hinweis auf Augenmaß und Vernunft in der sich aufheizenden Situation. Trumps Tweets vom Sonntag machen der mäßigenden Pekinger Botschaft Tillersons allerdings den Garaus. "Spar dir deine Mühe, Rex", heißt es in einem zweiten Tweet Trumps, "Wir tun, was getan werden muss!"
Chinas Regierung hatte in den vergangenen Monaten wiederholt beide Seiten zur Zurückhaltung aufgerufen. Dass Tillerson gerade während seiner Chinareise den Fokus auf die diplomatische Bändigung des Konfliktes legte, wird man in Peking zunächst wohlwollend registriert haben. Der Außenminister war auch deshalb in China, um den bevorstehenden Staatsbesuch von US-Präsident Donald Trump Anfang November vorzubereiten. Er traf dabei Partei- und Staatschef Xi Jinping ebenso wie Außenminister Wang Yi. Wahrscheinlich noch vor den bilateralen Handelsstreitigkeiten wird Nordkorea das beherrschende Thema des Trump-Besuches werden. Nach den Tweets, die den Außenminister bloßstellen, werden sich China und viele andere asiatische Staaten wieder in ihrer Einschätzung bestätigt sehen, dass die US-Politik derzeit unberechenbar ist.
Bevor Kim Jong-un keine Interkontinentalraketen hat, dürfte er nicht verhandeln
Tillerson hatte am Samstag der Presse in Peking von "Kanälen der Kommunikation mit Pjöngjang" berichtet. "Wir können mit ihnen reden. Wir tun es." Tillerson sagte, diese Kommunikation finde ohne Vermittlung Pekings statt, die USA redeten "direkt" mit Pjöngjang. Das wichtigste sei im Moment, Ruhe in eine aufgeheizte Situation zu bringen. "Die Dinge sind ein wenig überhitzt", sagte der US-Außenminister. Auf die Frage, ob er damit auch auf die Twitter-Nachrichten seines Präsidenten anspiele, sagte Tillerson: "Ich glaube, alle haben ein Interesse an einer Beruhigung."
Unklar bleibt, zu welchen Bedingungen beide Seiten überhaupt zu Verhandlungen bereit wären. Die USA bestehen darauf, dass Nordkorea sein Atomwaffenprogramm zuerst einfriert, und geben als Ziel die Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel an. Dies hat Nordkorea stets abgelehnt. Beobachter gehen davon aus, dass es das dringendste Ziel von Kim Jong-uns Regime ist, so bald wie möglich Interkontinentalraketen zu entwickeln, die das amerikanische Festland erreichen können, und nukleare Miniatursprengköpfe, die sich auf diese Raketen montieren lassen. Erst dann werde sich Pjöngjang auf Gespräche einlassen.
Ein paar Stunden nach Tillersons Erklärung in Peking schob seine Sprecherin Heather Nauert denn auch eine um einiges gedämpfter klingende Verlautbarung nach. Nordkoreas Führer hätten "keinerlei Anzeichen gezeigt, dass sie an Gesprächen über Denuklearisierung interessiert sind", heißt es in der Erklärung, "trotz der Versicherungen, dass die USA nicht an einem Regimesturz interessiert sind."
Chinas Parteichef und Staatspräsident Xi Jinping erwähnte im Statement nach dem Gespräch mit Rex Tillerson Nordkorea mit keinem Wort. Er konzentrierte sich auf das chinesisch-amerikanische Verhältnis und rief die USA zu "Dialog und Rücksprache auf der Basis von gegenseitigem Respekt" auf. Auf Trumps Tweets gab es zunächst keine Reaktion aus Peking.