Atomstreit mit Iran:Die Angst des Regimes

Die Bereitschaft Irans, im Atomstreit mit dem Westen eine diplomatische Lösung zu finden, hängt nicht von der Androhung neuer Sanktionen ab. Das Regime fürchtet etwas anderes.

Volker Perthes

Der Nahost-Experte Volker Perthes ist Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

Atomstreit mit Iran: Hat wenig Angst vor Sanktionen, aber Respekt vor den liberalen Kräften im eigenen Land: Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad.

Hat wenig Angst vor Sanktionen, aber Respekt vor den liberalen Kräften im eigenen Land: Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad.

(Foto: Foto: AFP)

Teheran laviert. Die iranische Führung hat sich bislang nicht entscheiden können, den Vorschlag zur internationalen Weiterverarbeitung iranischen Urans anzunehmen, der im Oktober in Genf mit den ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats und Deutschland (der sogenannten 5-plus- 1-Gruppe) ausgehandelt und bei der Internationalen Atombehörde (IAEA) in Wien konkretisiert wurde.

Gleichwohl hat Präsident Mahmud Ahmadinedschad sich grundsätzlich für den Plan ausgesprochen. Das Hin und Her zeigt zweierlei: Dass Ahmadinedschad interessiert ist, diplomatischen Fortschritt in der Atomfrage zu erreichen, und dass die Entscheidungsprozesse in Teheran weniger mit der Angst vor Sanktionen als vielmehr mit Innenpolitik zu tun haben.

Der Plan besagt, dass in Iran niedrig angereichertes Uran nach Russland und Frankreich transportiert wird; dort wird es höher angereichert und in Brennelemente für einen 1967 von den USA gebauten Forschungsreaktor in Teheran umgewandelt. Eine solche Vereinbarung wäre ein diplomatischer Durchbruch. Erstmals seit 2004, als Iran sich verpflichtete, seine Anreicherungsaktivitäten zeitweise auszusetzen, bestünde die Chance, die Spirale zunehmenden Misstrauens im Atomkonflikt zu durchbrechen.

Der Transport eines Großteils des iranischen Urans nach Russland gäbe allen Seiten Zeit für weitere Verhandlungen, da die Vorräte spaltbaren Materials in Iran verringert würden.

Noch wichtiger wäre, dass die Weiterverarbeitung des Urans in Russland und Frankreich, finanziert durch die USA, einen Einstieg in die Multilateralisierung des nuklearen Brennstoffkreislaufs darstellte, wie europäische Vertreter und die IAEA sie vorgeschlagen haben.

Iran hat eine solche Zusammenarbeit nie explizit abgelehnt, dabei allerdings immer auf sein "Recht auf Anreicherung" gepocht. Wenn nun iranisches Uran im Ausland weiterverarbeitet würde, käme dies einer impliziten internationalen Anerkennung des iranischen Atomprogramms nahe.

Zweifellos würde Ahmadinedschad dies als Erfolg verbuchen. Er könnte zeigen, dass er durchgesetzt hat, was seinen Vorgängern nicht gelungen ist, ohne das Land weiter zu isolieren.

Seit der Niederschlagung der Proteste gegen das offizielle Ergebnis der Präsidentschaftswahlen im Juni hat das Regime ein ernsthaftes Legitimitätsproblem. Denn eine Herrschaft, die sich als populistisch und revolutionär begreift, gerät in eine Glaubwürdigkeitskrise, wenn sie die Kontrolle über die Straße verliert oder nur mit Gewalt wiederherstellen kann.

Der iranische Präsident und der religiöse Führer Ayatollah Chamenei brauchen politische Erfolge. Sie brauchen sie, um die Bevölkerung wieder auf ihre Seite zu bringen, aber auch, um die Risse zu kitten, die in der politischen Elite aufgebrochen sind.

Trotz vieler Differenzen ist es dieser Elite 30 Jahre lang gelungen, einen breiten Konsens über strategische Fragen herzustellen. Das hat Entscheidungen stets erschwert und verzögert, es aber auch ermöglicht, so unterschiedliche Pole der Führungsschicht wie Ahmadinedschad, Rafsandschani oder Chatami einzubinden. Seit den Präsidentschaftswahlen ist ein wichtiger Teil dieser Elite aus der Konsensgruppe ausgegrenzt worden.

Gleichzeitig haben sich die politischen Machtverhältnisse verschoben: Die Kleriker haben Einfluss verloren, die Sicherheitskräfte dazugewonnen. Irans neue Rechte, auf die Ahmadinedschad sich stützt, hat in einer kleineren politischen Elite mehr Gewicht bekommen. Gerade deshalb haben die traditionellen Konservativen kein Interesse an größeren Erfolgen Ahmadinedschads.

Die politischen Führer in Teheran wissen, dass die Massenproteste jederzeit wieder aufflammen können. Das heißt nun nicht, dass das Regime handlungsunfähig wäre. Der Präsident ist sich bewusst, dass er unter kritischer Beobachtung steht, aber er regiert, und er hat das Mandat, Entscheidungen über die Nuklearfrage vorzubereiten.

Deshalb verhandelt die 5-plus-1-Gruppe auch mit seiner Regierung: Je länger eine Lösung des Atomkonflikts ausbleibt, desto mehr Zentrifugen werden gebaut. Dabei fragt man sich international allerdings, unter welchen Umständen die iranische Führung wirklich zu einer diplomatischen Lösung bereit sein wird, die weitestreichende Garantien dafür bieten würde, einen militärischen Missbrauch des Atomprogramms auszuschließen.

Vor allem amerikanische Politiker vertreten die Ansicht, dass die Kompromissbereitschaft Irans von der Schärfe internationaler Sanktionen abhängt. Dies könnte ein Irrtum sein: Vieles spricht dafür, dass Sanktionen dem Land zwar schaden, die Bereitschaft des Regimes, eine diplomatische Lösung zu finden, aber weniger von der Androhung neuer Sanktionen als von der innenpolitischen Situation abhängt.

Zwei Theorien

Zwei plausible Theorien, die sich jedoch ausschließen, prägen die internationale Debatte. Die erste besagt, dass Ahmadinedschad unter innenpolitischem Druck externe Konfrontationen suchen wird, um so die Bevölkerung hinter die Regierung zu bringen. Die zweite Theorie vermutet, dass die einzige Möglichkeit für Ahmadinedschad, noch einmal Unterstützung bei der jüngeren Generation und bei anderen Gruppen zu gewinnen, in einer Öffnung gegenüber dem Westen und den USA liegt.

Nach meiner Erfahrung erfasst die zweite Theorie die Kalkulationen des Regimes besser: Tatsächlich hat die Islamische Republik in ihrer Geschichte externe Konfrontation oder gar Krieg nie aktiv gesucht, ist vielmehr meist - oft genug als Ergebnis einer wenig vertrauenerweckenden Politik - in solche Konfrontationen hineingeschlittert. Wenn Iran die Vereinbarung über die Weiterverarbeitung seines Urans annimmt, würde dies unterstreichen, dass die innenpolitische Situation die Regierung zu einer diplomatischen Öffnung treibt und nicht zur Vertiefung des Konflikts.

Zweifel an der Bereitschaft Irans, sein Nuklearprogramm nur zu friedlichen Zwecken zu nutzen, bleiben. Gewissheit wird die internationale Gemeinschaft nur erlangen, wenn sie den Dialog fortsetzt, dabei allerdings auf die Umsetzung der Vereinbarung besteht und die Rücknahme existierender Sanktionen von weiteren Schritten abhängig macht, die die Möglichkeit eines militärischen Missbrauchs reduzieren. Dazu würde primär die Ratifizierung des Zusatzprotokolls zum Atomwaffensperrvertrag gehören.

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